Der Leidensweg von Die Siedler – Neue Allianzen war gepflastert von Pleiten, Pech und Pannen (hier unser Test) und hat ihm auch meinen Titel der Enttäuschung des Jahres gebracht (siehe hier). Doch gleichzeitig hat sich in Form von Pioneers of Pagonia ein Silberstreif am Horizont abgezeichnet.
Und nun kann man Pioneers of Pagonia endlich im Early Access erwerben und spielen. Daher haben wir einen Blick gewagt. Da wir hier natürlich noch kein fertiges Spiel vor uns haben, wird es keine abschließende Wertung geben. Aber in jedem Fall gibt es unsere Einschätzung, ob hier der Wuselfaktor stimmt.
Kanns Volker Wertich noch?
Volker Wertich, der Erfinder von Die Siedler, ist sowas wie der deutsche Nationalheld der Aufbaustrategie. Und der hat sich bei Neue Allianzen von UbiSoft verabschiedet, da diese ein komplexes Die Siedler als zu hohes Risiko empfanden und das nicht Wertichs Vision entsprach. Im Februar 2023 hat dieser dann sein eigenes Projekt mit Pioneers of Pagonia vorgestellt. Und das schreit klassisches „Die Siedler“ durch und durch.
Das merkt man bereits in den ersten Spielminuten der sog. Guidance Map. Diese ist quasi das Tutorial und eine von sechs vordefinierten Karten, die man neben zufallsgenerierten Maps spielen kann. Man beginnt mit einem riesigen Schiff am Strand und baut erste Gebäude, um die Grundversorgung sicherzustellen. Und das beginnt eben sehr Siedler typisch mit einem Holzfäller, Sägewerk und einem Förster. Und natürlich müssen auch Steine abgebaut werden, was aber nur geschieht, wenn man sich um etwas Nahrung durch einen Jäger oder eine Gemüsefarm kümmert. In der Guidance Map führt einen das Spiel über Ziele in die halbwegs richtige Reihenfolge ein, dass man nicht gleich mit der Eisenproduktion beginnt, wenn man noch nicht einmal Bäume fällt.
Logistik ist wichtig und richtig
Dabei baut man auch die Straßen selbst und ist so auch dafür verantwortlich den Platz effizient zu nutzen. Schnell stellt man nämlich fest, dass oftmals die knappste Ressource schlicht der Platz ist. Wenn man nämlich z.B. mehr Einwohner möchte, braucht man Häuser, diese müssen in der Nähe von Essensplätzen stehen, die wiederum in der Tavernenreichweite platziert werden müssen. Und das hört hier noch nicht auf, denn die Taverne braucht Stände, an denen sie Essen besorgt und natürlich auch Wasser aus einem nahegelegenen Brunnen. Und die Essensstände werden von Farmen, Bäckern und Jägern beliefert. Von dieser Komplexität konnte Die Siedler – Neue Allianzen nur träumen.
Das alles greift auch harmonisch ineinander und wirkt zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht künstlich aufgeblasen, außer vielleicht den Fakt, dass die Pioniere offensichtlich nur im Freien essen wollen. Aber dennoch gilt, wer hier nicht genug Zeit in die Planung investiert sorgt für Probleme in seiner Versorgungskette und leidet danach doppelt, da ihm Ressourcen fehlen und nachgebessert werden muss. Das gilt vor allem auch deswegen, weil Abreissen von Gebäuden keine Ressourcen zurückbringt. Aber gottseidank spielt sich Pioneers of Pagonia grundsätzlich gemächlich, sodass man genug Zeit für eine gute Planung hat.
Und die Komplexität wird nicht weniger (und das ist gut so)
Wenn die Grundversorgung steht, entdeckt man nach und nach, dass man seine einzelnen Gebäude auch feiner steuern kann. So kann z.B. die Schneiderei Ihre Waren entweder mit einem Leder oder mit fünf Tüchern herstellen. Der Spieler kann dabei entscheiden, ob nur eine oder beide Varianten zulässig sind. Zudem kann man in Auftrag geben, was gerade produziert werden soll. Diese Form von Micromanagement muss man zwar mögen und es fehlen noch Komfortfunktionen wie alle gleichartigen Gebäude gleichzeitig zu ändern oder Gebäude auf Hotkeys zu legen, aber dafür kann man seine Warenwirtschaft erstaunlich präzise steuern.
Bei fast 50 verschiedenen Gebäuden kann man aber dennoch schonmal den Überblick verlieren. Auch gibt es zwar am oberen Bildschirmrand eine Auflistung absolut aller Ressourcen, die man gerade auf Lager hat, aber keine Statistik, wie sich der Bestand gerade entwickelt. Allgemein bemerkt man Missstände dadurch etwas spät und Analysen sind schwierig. Auch kleine Quality of Life Optionen wie eine Standardeinstellung zu Beginn, welche Ressourcen oben angezeigt werden, gibt es noch nicht. Aber hier nochmals der Hinweis: Wir reden von einem early access Titel, an dem laufend gefeilt wird.
Gehen Sie zum Militär haben sie gesagt, das wird lustig haben sie gesagt
Einer der Hauptpunkte, die aus unserer Sicht noch verbesser gehören, ist das Militär. Wie aus „Die Siedler“ bekannt, gibt es Wachtürme, die das eigene Gebiet erweitern, indem die Soldaten Grenzsteine (die man extra produzieren muss) versetzen. Dabei stößt man (wenn es in der Karte aktiviert ist) auf feindliche Einheiten. Diese gehören aber nicht zu anderen Siedlern, mit denen man nur Handeln kann, sondern rekrutieren sich aus Banditen, Geistern und Werwölfen. Dabei braucht man z.B. gegen letztere Waffen aus Silber, um sie effektiv zu bekämpfen. Wer niedrigstufige Einheiten in den Tod schickt vergrößert sonst nur die Armee der Werwölfe.
Momentan sind diese Gegner noch etwas zu aggressiv und das Feedback, welche Einheit gegen was effektiv ist, ist nicht wirklich vorhanden. Dazu mussten wir auf der Website im FAQ nachlesen, was unsere Kämpfer wirklich können. Wir hatten momentan auf jeden Fall mehr Spaß, wenn wir den militärischen Aspekt auf unseren Karten weggelassen haben. Die angesprochenen anderen Siedlungen dagegen bringen uns die Möglichkeit mit ihnen zu handeln und kleine Aufgaben zu erfüllen. Manchmal machen diese aus Sicht des Handelspartners keinen Sinn und hier sollte noch an der Generierung gearbeitet werden. Aber das sind Kleinigkeiten, die den Spielfluss nicht stören.
Wie ist der Stand jetzt und was bringt die Zukunft für Pioneers of Pagonia?
Insgesamt macht Pioneers of Pagonia bereits jetzt einen wirklich runden Eindruck. Insbesondere der Aufbaupart ist gelungen, die Warenketten sind interessant und es ist eine Freude den Pionieren beim Wuseln zuzusehen. Auch die Grafik macht etwas her, wenngleich etwas Abwechslung bei gleichen Gebäuden schön wäre. Im Moment kostet das Spiel 29,99€ auf Steam und Aufbauspielfans können sogar mit einer Demo prüfen, ob ihnen das Gebotene jetzt schon gefällt. Wenn man dann noch ins Boot wirft, dass man dafür ein jetzt schon besseres Siedler Feeling bekommt, als bei „Die Siedler – Neue Allianzen“, das ursprünglich 59,99€ und momentan ebenfalls 29,99€ bei UbiSoft kostet, tut man sich schwer hier nicht bereits jetzt schon zu einem Kauf zu raten.
Für die Zukunft sind laut der Roadmap auch noch einige Dinge geplant. Neben einem Co-op Modus, den von uns gewünschten Produktivitätsanzeigen, wird es auch Bergbau Untertage und Fischerhütten geben.
Wenn dabei gleichzeitig noch am Militärpart gefeilt wird und man optisch noch an ein paar Details angeht, dann haben Aufbau- und Wuselfans ein wunderschön entstressendes Spiel für zahlreiche Stunden zur Verfügung und Volker Wertich wieder einmal bewiesen, dass er es noch kann.