Die Entwicklungsgeschichte von Die Siedler – Neue Allianzen ist eine bewegte und tragische. Der inzwischen achte Teil der Serie, der nun am 17.02. erschienen ist, ist nun für jedermann verfügbar. Unser Test kommt allerdings erst jetzt, da wir selbst erst am Releasetag Zugang zum Spiel erhalten haben. Wir haben uns dabeidie PC Version angeschaut, aber auch XBox One, Switch und PS4 Besitzer können Die Siedler – Neue Allianzen spielen.
Kurze Geschichtsstunde
In aller Kürze zusammengefasst sei gesagt, dass die erste Ankündigung 2018 und der erste Releasetermin 2019 geplant war. Nach der Verschiebung auf den Sommer 2020 und das Verstreichen desselben war lange Zeit Funkstille seitens Ubisoft. Überraschend wurde dann Anfang 2021 eine Beta abgehalten und ein Releasedate für den März 2021 angekündigt. Gleichzeitig erfolgte die Benennung zu Die Siedler – Neue Allianzen. Das Feedback zur Beta war sowohl von Fans als auch Journalisten extrem negativ. Viel zu wenig Komplexität, Fokus auf Rush Strategien und eine Abkehr von allen Siedler Tugenden waren die Vorwürfe. Unser Ersteindruck (siehe hier) war etwas vorsichtiger, aber fand auch einiges verbesserungswürdig. Unser jetziger Test beleuchtet nun aber das Endprodukt. Und soviel sei gesagt: Es hat sich durchaus etwas zum Positiven hin gewandelt, aber wohl nicht genug.
Aufbauspiel oder doch RTS? – Auf jeden Fall sieht’s gut aus
Neue Allianzen ist ein Hybrid aus klassischem Aufbauspiel und Echtzeitstrategie. Diese Prämisse war in der Beta bereits deutlich zu erkennen und hat sich auch nicht geändert. Daher gibt es eine direkte Steuerung von Militäreinheiten und den absoluten Wunderwuzzies in Form der Ingenieure (später mehr dazu) und einen größeren Fokus auf Kämpfe. Der Aufbaustrategieteil kommt vom Aufbau der Siedlung und dem manuellen Anlegen der Straßen. Und hier funktioniert der neue Ableger im Grundsatz sehr gut. Die hauseigene Snowdrop Engine (bekannt aus The Division) zaubert ansehnliche Bilder auf den Bildschirm und die Details bei Animationen, Gebäuden und dem gewohnten „Die Siedler“-Gewusel sind wunderbar. Auch die dezente Musikuntermalung weiß zu gefallen. Den Kämpfern bei ihrer Ausbildung oder dem Holzfäller bei der Arbeit zuzuschauen macht zu Beginn einfach Spaß. Doch bei genauerer Betrachtung sind beide Genres nur oberflächlich bedient und die Mischung will so garnicht zünden. Weiterhin plagen viele aus unserer Sicht schlechte Designentscheidungen das Spiel.
Verbesserungen zur Beta, aber…
Sobald man einmal die grundsätzliche Wirtschaft mit Holz- und Steinabbau zum Laufen gebracht hat, liegt der Fokus darauf Eisen und Kohle für Waffen zu finden. Bögen stellt man, wie Schilde und Streitkolben nämlich mit Eisenbarren und Kohle her und alles kommt vom Waffenschmied. Und hier werden die ersten Kritikpunkte, die bereits in der Beta auffielen, wieder sichtbar. Im Gegensatz zu älteren Teilen von Die Siedler sind Lebensmittel nur noch als Boost für produzierende Gebäude gedacht. Unsere Minenarbeiter können also auch gut ohne Nahrung arbeiten, was dazu führt, dass man z.B. komplett darauf verzichten kann Fische zu fangen, Brot zu backen oder Fleisch zu bekommen. Gleichzeitig sind diese Produktionsketten einfacher aufgebaut, als man es von früher gewohnt ist. Ubisoft hat zwar auf das Fan Feedback reagiert und gewisse Produktionsketten wieder „aufgemotzt“, aber ein Schweinezüchter braucht immer noch kein Wasser und das Schweinchen wird vor Ort geschlachtet.
…bei weitem nicht genug
Einen Schlachter mit eigenem Gebäude sucht man allerdings vergeblich. Die Träger bzw. restlichen Bewohner des Dorfes sind übrigens auch immer glücklich und brauchen weder etwas zu essen, noch können sie krank werden. Maximal ausgehen können einem die Träger, wenn man vergisst Wohngebäude zu bauen. Aber zumindest ist der von Fans gewünschte Förster nun vorhanden. Aber er produziert direkt Stämme in seinem Gebäude. Er pflanzt also nicht um sich herum die Bäume, die der Holzfäller sich vornimmt, sondern kümmert sich gleich selbst darum. Somit muss man sich weder um das Platzangebot, noch großartig um die Logistik kümmern. Auch eine Getreidefarm auf Wüstenboden braucht exakt den Platz des Gebäudes und sonst kein Land um sich herum. Fruchtbarkeit des Bodens? Ebenso irrelevant. Diese Vereinfachungen helfen zwar Einsteigern, vergraulen aber erfahrene Aufbaustrategen, die etwas anderes von einem Die Siedler Reboot erwartet haben.

Das Herausnehmen von Komplexität zeigt sich auch in den bereits erwähnten Ingenieuren. Diese Alleskönner sind Baumeister, Geologen, Grenzsteinversetzer und in manchen Fällen sogar Träger bei Landmarken. Daher können sie nun direkt befehligt werden und sind zentraler Bestandteil des Spiels. Wer also sein Gebiet erweitern will, muss potentiell den Gebäudebau hintenanstellen, wenn er nicht genug Ingenieure hat. Leider sind diese nicht in der Lage selbstständig vor Gegnern zu flüchten und haben auch zuwenig HP, um nicht direkt umzufallen. Wer hier also nicht aufpasst beendet seine Siedlerkarriere sehr schnell. Trotzdem ist diese Form des Managements nicht wirklich spaßig, wenn man gleichzeitig Funktionen wie die Priorisierung beim Transport bestimmter Waren schmerzlich vermisst. Die einzige Frage, die sich einem also stellt: „habe ich genug Ingenieure“. Sie dann herumzuschicken, ist wahrlich keine Herausforderung, wenn alle alles können.
Die Problemlösungskompetenzen der friedliebenden Elari sind auf Gewalt beschränkt
In der Kampagne startet man mit den Elari auf eine Reise ins Unbekannte, da diese vor dem Krieg flüchten. Ironischerweise geraten sie dann mit Banditen aneinander, was wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen führt. Auch die anderen beiden spielbaren Völker (Jorn und Maru) treffen sie dabei. Diese unterscheiden sich aber vor allem optisch und nur sehr marginal spielerisch. Doch zurück zur Story: Die Zwischensequenzen beschränken sich auf Dialoge im Lager oder Monologen vor irgendwelchen Statuen aus vergangenen Zeiten. Dabei dienen die Zwischensequenzen oft auch als Missionstrigger, der vom Spieler gestartet werden müssen. Wer also seine Ruhe möchte, kann so den Missionsfortschritt aktiv pausieren. Die Qualität der Zwischensequenzen und der deutschen Sprecher ist dabei nicht überzeugend und die Dramaturgie reißt zu keinem Zeitpunkt mit. Zudem wirkt ein Dialog über die Flucht und den gewünschten Frieden unfreiwillig komisch, wenn man davor mit einer Hundertschaft Soldaten vier Dörfer niedergebrannt und damit wahrscheinlich Unmengen Waisen produziert hat. Da macht es wenig Unterschied, ob diese Dörfer zu Banditen gehören oder nicht.

Zur spielerischen Seite der Kampagne lässt sich ebenfalls wenig Gutes sagen. Die Abwechslung lässt zu wünschen übrig und im Kern bleibt der Ablauf in allen Missionen ident. Aufbau der Bauwirtschaft (Holz + Stein), Aufbau des Bergbaus (Kohle+Eisen) und Ausbildung von Soldaten. Und mit denen verteidigt man sich zunächst und danach brennt man den Gegner nieder. Das wäre verschmerzbar, wenn es zwischendrin einen interessanten Spannungsbogen gäbe. Aber selbst in einer Mission, in der man eigentlich zeitgleich angreifen und verteidigen soll, ist sofort die Luft raus, wenn man auf der Verteidigungsseite zwei Türme baut. Danach bildet man langwierig einfach eine große Menge Soldaten aus und dann rollt die Unitabrissbirne unaufhaltsam durch die Lande. Dabei fällt auch auf, dass viele der Dörfer der KI nur Attrappen sind, die Soldaten kommen anscheinend häufig einfach durch Trigger aus dem Nichts, anstatt durch eine funktionierende Warenwirtschaft des Gegners. Damit machen auch Nadelstichattacken wenig Sinn und nur der Angriff auf Lagerhäuser, die alles um sich herum mit in den Tod reißen, sind effektiv.
Wenn’s Mal wieder länger dauert
Wers eilig hat, wird leider auch nicht glücklich. Denn die Spielgeschwindigkeit ist langsam. Gleichzeitig sind die RTS Micromanagement Möglichkeiten nicht ausreichend, um mit weniger Einheiten Spaß und Erfolg zu haben. Die Einheiten reagieren verzögert und haben zu wenig HP um sie aus gegnerischen Attacken zu ziehen. Das Einzige, was man in der Kampagne immer und immer wieder macht, ist eine Einheit zu einem Turm oder einem Soldaten Dummy (der eigene Einheiten magisch zum Angreifen zwingt) zu schicken, weil die AI automatisch jede Fähigkeit aktiviert, sobald eine Einheit nahe kommt. Dann lässt man den Rundumangriff des Turms ablaufen und greift erst dann an. Das ist das Maximum an Taktik, das für uns nötig war. Auch ein Ausspielen mit Schere-Stein-Papier Prinzip ist nicht nötig bzw. auch nicht erkennbar. Wer eine kritische Masse an Einheiten besitzt, gewinnt. Bei etwa gleich großen Armeen hat man auch keinen guten Indikator, ob man nun gut aufgestellt ist oder nicht. Hier könnten die aktiven Fähigkeiten mancher Spezialeinheiten einen Unterschied machen, aber auch diese haben wir kaum bis garnicht verwendet, da der Einsatz verzögert geschieht.

Also zurück zum Unit Ball aufbauen: Das ist etwas, dass es auch in früheren Siedlern gab, doch dort hat man sich während dieser Downtime um seine Siedlung gekümmert und optimiert. Da dies aufgrund der vereinfachten Warenketten aber schlicht nicht mehr notwendig ist, kann man über diese Längen nicht hinwegtäuschen. Diese Probleme lassen Die Siedler – Neue Allianzen unrund erscheinen. Da helfen auch ein angepropftes Upgrade System, dass z.B. Ingenieuren mehr Gehgeschwindigkeit oder Soldaten mehr HP gibt nicht. Im Gegenteil, da auch diese Upgrades zumeist nicht nötig und nicht gut integriert sind (hier hätte man z.B. die drei Völker wesentlich stärker differenzieren können), hat man auch hier nicht das Gefühl Fortschritte zu machen.
Keine KI Mitstreiter und die umständlichste Mapauswahl der Geschichte
In der Theorie war der RTS Fokus für spannende Multiplayerpartien gedacht. In der Beta hat das vor allem zu Rushes geführt, denn wer die Ingenieure des Gegners zuerst töten konnte, war automatisch Sieger, denn wer nicht bauen kann, kann keine weitere Armee ausheben. Das hat die neu eingeführten Landmarken, die strategische (zumeist gratis Waren) Vorteile bieten, ad absurdum geführt. Ubisoft Düsseldorf hat hier zwar auf das Spielerfeedback gehört, aber überreagiert. Die „Lösung“ des Problems war, dass alle Zugänge zu den Spielerdörfern mit Banditen vollgestellt sind. Das bedeutet also, dass immer noch derjenige gewinnt, der zuerst beim Gegner ankommt, aber man diesen sehr lange nicht sieht, sondern nur Banditen. Wer stattdessen gegen den PC einfach nur siedeln will, kann das auf genau einem (sehr einfachen) Schwierigkeitsgrad. Aber nur 1on1 auf genau fünf Maps. Wer 2on2 oder 4on4 auf jeweils vier Maps spielen will, muss(!) mit Menschen gegen den PC spielen. Es fällt schwer sich an ein RTS Spiel in der Vergangenheit zu erinnern, dass keine Multiplayer KI angeboten hat. Das spielt in einer ähnlichen Liga wie die maximal zehn Speicherstände von Die Siedler – Neue Allianzen.

Und selbst die Mapauswahl fällt negativ auf: Um auf einer bestimmten Map zu spielen, muss man in das normale Optionsmenü, um dort seine Mappreferenzen für alle anderen Maps des Modus auszustellen. Eine Auswahl direkt aus dem Multiplayermenü heraus kann doch nicht zuviel verlangt sein. Zudem gibt es keine zufallsgenerierten Maps oder einen Mapeditor. Das drückt natürlich die potentielle Langzeitmotivation und man fragt sich wieso solche Elemente absichtlich weggelassen wurden.
Viele Crashes zum Release, aber der ingame shop steht
Zum Release war Die Siedler – Neue Allianzen zudem noch von vielen Abstürzen und Bugs geplagt. Dies betraf sowohl Single- als auch Multiplayer. Bei maximal zehn Speicherplätzen in der Kampagne, hat das bei vielen Spielern zu Frust geführt. Manche berichteten gar, dass sie keine Multiplayerpartie zu Ende spielen konnten, aufgrund der vielen Crashes. Bei unseren Tests war vor allem beim Beenden des Spiels oftmals ein Crash, bei dem die Musik weiterlief. Viele dieser Fehler sind kurz nach Release von Ubisoft gepatcht worden. Das hat zumindest bei uns fehlerfreie Partien ermöglicht. Gleichzeitig war aber zum Releasen der ingame Shop bereits verfügbar. Dieser beinhaltet ausschließlich kosmetische Änderungen (z.B. für Wegsteine), hat aber auch die typischen negativen Merkmale eines ingame Shops wie unpassende ingame Währungs Pakete, die sich nie gut auf 0 ausgeben lassen. Items lassen sich aber auch z.B. über den Extrem Modus (ein zusätzlicher Modus gegen die AI unter besonderen Bedingungen) über eine weitere Währung erspielen. Das ist aber ein großer Grind, da man relativ wenig für einen Sieg bekommt.
Das Fazit
Gibt es trotzdem eine Zielgruppe für Die Siedler – Neue Allianzen? In einem Wort: Ja. Durch die schöne Präsentation und die grundsätzlich vorhandene Möglichkeit (dank lahmer KI) einfach nur ein Dorf aufzubauen, können Aufbaustrategen, die betont langsam, einfach und ohne großen Druck spielen wollen hier einen Titel für sich finden. Wer dagegen ein Echtzeitstrategiespiel sucht mit Taktik und Micromanagement wird enttäuscht werden. Genauso wie Spieler, die ein klassisches „Die Siedler“ oder komplexe Warenketten und großes Optimierungspotential erwarten. Im Grunde scheint in der Kampagne auch immer wieder durch, dass hier ein gelungenes Aufbauspiel warten könnte. Doch leider wird durch viele Designentscheidungen, wie der zu simplen Warenketten und der unspannenden Kampagne keine Sogwirkung wie bei anderen Titeln erreicht. Auch der verbuggte Zustand zum Release zum Vollpreis für ca. 60€ zeigen, dass hier der Fokus auf die falschen Stellen gesetzt wurde. Wer Ubisoft+ besitzt kann einmal reinschauen, aber zum Vollpreis muss man als Aufbauspielfan leidensfähig sein. Ohne „Die Siedler“ auf dem Cover wäre die Erwartungshaltung eine andere gewesen, aber so muss Neue Allianzen sich mit allen Vorgängern messen und zieht dabei leider einen sehr kurzen Strohhalm.
Positiv
- Schön anzusehen, Animationen, Details der Gebäude und Umgebungen sind wunderbar dank Snowdrop Engine
- Der Soundtrack drängt sich nicht in den Vordergrund und untersützt die Atmosphäre
- Für Beginner zugänglich
Negativ
- Hanebüchene, unfreiwillig ironische Story
- Zum Teil zu langsames Gameplay mit zuvielen Downtimes
- Wenig Abwechslung in den Storymissionen und zwischen den drei Völkern
- Weder Fisch noch Fleisch
- Für ein RTS zu wenig taktische Möglichkeiten/Micromanagement und verzögerte Reaktionen der Einheiten
- Für ein Aufbauspiel (viel) zu wenig Komplexität und Optimierungsmöglichkeiten
- Keine KI Verbündeten im Multiplayer und nur wenige Maps
- Ingame Shop trotz Vollpreis
