Neben unserer Vorschau konnten wir nun endlich die letzten Wochen mit Assassin’s Creed Mirage verbringen. Ob der Rückzug von riesigen offenen Welten und umfangreichen RPG-Elementen zu den Wurzeln der Serie geglückt ist, und was der Titel allgemein zu bieten hat, findet ihr wie immer bei uns im Test heraus.
Wenig Gegenwart und reiner Fokus auf die Geschichte von Basim
Mirage ist zeitlich zwischen Assassin’s Creed Origins und dem ersten Teil der Serie angesetzt. Dadurch lässt sich das Fehlen von einigen alt bekannten Elementen innerhalb der Geschichte leicht erklären. Mit dem Straßendieb Basim Ibn Is’haq in der Hauptrolle, der uns zuerst in Assassin’s Creed Valhalla vorgestellt wurde, will die Serie nach 15 Jahren wieder zu ihren ursprünglichen Wurzeln finden. Keine aufgeblasenen offenen Welten mehr, die Geschichte im Fokus und Stealth spielt wieder einmal eine deutlich wichtigere Rolle, als noch beispielsweise in Valhalla oder auch Odyssey! Man merkt in den gut zwölf Stunden an Spielzeit doch recht schnell, wie sehr hier einige Elemente zurückgeschraubt wurden. Keine Götter, keine mystischen Schauplätze, rein der Fokus auf die Entwicklung des Protagonisten und welche Geheimnisse er mit den „Hidden Ones“ gemeinsam aufdecken muss.
Um den linearen Ablauf der Geschichte zu vereinfachen, hat man sich wieder das etablierte „Investigation Board“ zu Nutzen gemacht. Nach den ersten Stunden an Tutorials und Missionen kommt ein leichter Hauch von Freiheit auf. Ihr habt selbst die Wahl, welche Missionszweige ihr als erstes angehen wollt, damit ihr dann – nach Abschluss von allen Hauptzielen -, den finalen Gegner enthüllt. Wie ihr jede einzelne Aufgabe löst, ist relativ flexibel gestaltet. Die jeweiligen Ziele sind zwar immer so gut geschützt, dass ihr bestimmte Aufgaben immer auf die selbe Weise lösen müsst, aber das Spiel lässt euch zumindest die Freiheit auszuwählen, ob ihr eher Ressourcen investieren wollt, um euch den Weg leichter zu gestalten, oder ob ihr alles auf eigene Faust lösen wollt. Hier kommen die neuen Tokens ins Spiel: Wenn ihr Nebenmissionen abschließt oder laufend Passanten bestehlt, könnt ihr diese Tokens ergattern und damit bei Händlern Preise drücken oder wichtige Informationen von NPCs erhalten. Zusätzlich lassen sich damit auch einzelne Gruppen bestechen um beispielsweise Chaos während einer Mission zu erzeugen. Die gesamte Geschichte ist dieses Mal strikt linear und liefert auch am Ende keinerlei große Überraschungen.
Viele der Elemente werden Fans der Serie bereits geläufig sein, aber leider immer in einer abgespeckten Variante. Es wurde lediglich alles in den Kontext von Stehlen gepackt um dem neuen Setting zu entsprechen. Natürlich war es an der Zeit für etwas Neues, da Ableger wie Odyssey oder auch Origins schon komplett überladen waren, und die Serie immer mehr zu einem grindlastigen RPG gemacht haben, aber mit Valhalla hatte man eigentlich bereits gut die Kurve gekriegt und einen angenehmen Kompromiss gefunden. Der Weg, der hier in Mirage eingeschlagen wurde, schafft es nicht ganz sich von den RPG-Elementen zu trennen und versimpelt sie einfach nur immens – was sich auf das gesamte Spiel auswirkt! Es hilft leider auch nicht, dass der Titel ursprünglich als DLC für Valhalla geplant war und erst später während der Entwicklung zu einem Standalone-Projekt wurde. Man merkt sehr schnell, dass man hier einen nicht ganz vollwertigen Ableger der Serie bekommt: Zu wenig Innovationen und viel zu wenig drastische Änderungen, um wirklich komplett zu den Wurzeln zurückzukehren!
Viele kleine Anspielungen auf den ersten Teil
Um zumindest ein wenig zu zeigen, dass man bereit ist, wieder einen Ableger ähnlich dem ersten Teil zu produzieren, rückt der Schwerpunkt aus Stealth wieder mehr ins Rampenlicht. In den Optionen lässt sich sogar ein optischer Filter aktivieren, der den Stil des ersten Teils imitiert, wobei uns die Optik, die dadurch entsteht, nicht ganz überzeugen konnte. Einen ganzen Spieldurchlauf mit diesem Filter wird sich vermutlich kaum jemand antun! Das Arsenal von Basim ist üppig ausgestattet und wenn ihr die Preise der Händler mit Tokens verringert, könnt ihr euch eigentlich recht einfach vor jeder Mission mit Fallen, Wurfmessern und ähnlichem eindecken. „Social Blending“ ist wieder sehr präsent und zumindest bis zur Hälfte des Spiels wird der Spieler dazu gedrängt. auf Schleichen und alternative Routen zu setzen. Danach ist man im Normalfall so gut ausgerüstet, dass so ziemlich jeder Kampf machbar ist. Sei es durch bessere Waffen und Rüstungen oder auch verbesserte Gadgets. Das Kampfsystem ist (leider) fast so simpel gehalten wie in den ersten Teilen. Wenig Gegnervariation, und die Reaktionsfenster fürs Parieren sind immens lange angesetzt. Man hält zwar bis zum Schluss des Spiels relativ wenig Gegnertreffer aus und Elite-Gegner bleiben ohne Gadgets eine teilweise unüberwindbare Herausforderung, aber sonst bietet das Spiel keinerlei Herausforderung. Damit ist es leider relativ schnell mit spielerischer Vielfalt und Abwechslung vorbei.
Nach den zwölf Stunden an Hauptmissionen haben wir uns auch die diversen Aufträge, die ihr erfüllen könnt, und die Nebenaufgaben in Geschichten aus Bagdad angesehen – aber auch hier war nach wenigen Stunden die Luft raus! Zweiteres hilft zumindest ein wenig, um der Stadt und ihren Bewohnern etwas mehr an Leben einzuhauchen, aber die restlichen Nebenaufgaben sind immens generisch gehalten. Auch hier sieht man leider wieder stark, dass zwar Spiele-Inhalte reduziert, aber dadurch nicht die Qualität der einzelnen Elemente gesteigert wurde. Selbst bei Valhalla oder auch Odyssey waren in den unzähligen Nebenaufgaben dann doch ein paar versteckte Highlights mit dabei. In Mirage wird man sich kaum an irgendeine der Missionen lange erinnern.
Wirkliche Verbesserungen muss man oftmals mit der Lupe suchen – wie beispielsweise ein angenehm kalkulierter Fallschaden, durch den man sich beim Herabsteigen von Häusern keinerlei Gedanken machen muss, ob sich Basim gleich das Genick bricht. Die neue Variante der Attentäter-Konzentration ist auch eine nette Gameplay-Neuerung, wobei man auch hier meistens nur durchs Leveldesign gezwungen wird, darauf zurückzugreifen, weil mal wieder drei bis vier Gegner gemeinsam auf einem Fleck zusammen stehen.
Auch ohne Abstergo-Simulation zu viele Fehler im Spiel
Neben den sehr gemischten Gefühlen, mit denen man aus Mirage nach kurzer Spielzeit herausgeht, häufen sich – wie leider üblich für die Serie -, zudem einige technische Ungereimtheiten: Ein Absturz ist uns kein einziges Mal untergekommen, aber dafür viele unschöne Clipping-Fehler; Passanten blockieren viel zu oft den kompletten Weg; selbst beim Klettern merkt man keine Spur von Verbesserungen gegenüber den Vorgängern, obwohl es gerade in Mirage ein essentieller Bestandteil des Gameplays ist. Steckbriefe und die verschiedenen Level an Alarmbereitschaften der Gegner erzeugen hin und wieder etwas mehr an Stress, werden aber im späteren Spielverlauf eher nur zu einer lästigen Fußnote im Gesamtbild. Man muss teilweise doch schon einige Minuten direkt neben einem Poster stehen bleiben, bevor Wachen von Passanten über euch informiert werden!
Assassin’s Creed Mirage versucht sich Stück für Stück von seinen RPG-Vorgängern loszusagen, aber dazu muss man auch erst einmal interessante spielerische Neuerungen schaffen und wirklich den kompletten Weg gehen. In der aktuellen Form werden wohl sowohl Fans der ersten Teile, als auch all die enttäuscht sein, die sich an den RPG-Werdegang der Serie gewöhnt haben.
Fazit
Assassin’s Creed Mirage geht leider nicht den ganzen Weg zurück zum Anfang und endet in einem kurzen unkreativen Mix aus allem, was man bisher schon aus den früheren Ablegern kennenlernen durfte. Simple Varianten von bereits etablierten Systemen und die kurze unspektakuläre Geschichte werden vor allem Veteranen sauer aufstoßen. Als Erweiterung hätte Mirage eine Daseinsberechtigung gehabt, aber als vollwertiges Spiel bekommt man hier leider viel zu wenig.
Positiv
+ Geschichtlicher Kontext trotz des recht langweiligen Schauplatzes gut umgesetzt
+ Verschiedene Lösungswege für die einzelnen Missionen gut gelungen
+ Fokus auf Straßendieb-Elemente macht das Spiel sehr intuitiv, aber auch oftmals zu simpel
Negativ
– Story liefert kaum interessante Wendungen und neue Elemente
– Nervige Passanten und unzählige Clipping-Fehler mindern die Immersion und Spielspaß
– Keine komplette Abkehr von RPG-Elementen, sondern nur eine unglaublich simple Art von etablierten Systemen
– Langweiliges Kampfsystem und wenig Gegnervariation