Gute 7 Jahre nach dem ersten Ableger, diversen Release-Verschiebungen inklusive einer realen weltweiten Pandemie, erscheint am 19. Juni 2020 nun endlich The Last of Us Part II. Wir konnten den Titel bereits die letzten Wochen ausgiebig testen und werden versuchen euch hier im Test unsere Erfahrungen möglichst spoilerfrei näher zu bringen.
Eine Meisterklasse an Storytelling
Bereits damals mit The Last of Us auf der PlayStation 3 konnte uns Naughty Dog an einigen Stellen im Spiel aus der Fassung bringen und mit emotionalen Twists überraschen. Die Expertise des Studios in unglaublich realistischen Animationen aller Art konnte Naughty Dog wieder einmal in The Last of Us Part II aufs Neue unter Beweis stellen und sogar in vielen Bereichen deutlich steigern. Auf die unzähligen neuen Kampfanimationen von Ellie sind wir bereits in unserer Vorschau leicht eingegangen. Fünf Jahre nach den Ereignissen aus The Last of Us begleitet ihr Ellie auf ihren eigenen Abenteuer durch verschiedenste Schauplätze wie Seattle, Washington, Jackson, Wyoming und vielen mehr. Die Emotionen und einhergehenden Bewegungen hinter jeder Aktion, die ihr mit Ellie innerhalb der Geschichte ausführen müsst, sind phänomenal in Szene gesetzt, und in den guten 20-23 Stunden an Spielzeit kommt so gut wie nie Langeweile auf. Ein ständiger Wechsel zwischen actiongeladenen Auseinandersetzungen mit vielen neuen menschlichen Gegnern, als auch infizierten Gegenspielern und ruhigen emotionalen Storypassagen unterstreichen das gut gewählte Pacing der Entwickler.
Um den Spannungsbogen möglichst lange aufrecht zu halten, wurden Zeitsprünge gewählt: Ihr erreicht mit Ellie einen brisanten Moment in ihrer Geschichte und bevor ihr die Auflösung dazu erhaltet, müsst ihr erst eine ruhige Passage aus ihrer Vergangenheit absolvieren. Die Charakterentwicklung bis hin zum Ende des Spiels ist hier sehr detailliert ausgefallen und liefert jede Menge Einblicke in Ellies Umfeld und ihren Werdegang als Protagonistin der Geschichte. Ihr wachst also auch als Spieler mit ihr mit und begleitet sie über einige Jahre hinweg. Die Bindung im Vorgänger war hier eigentlich gänzlich auf Ellie und Joel fokussiert, wo The Last of Us Part II endlich einigen weiteren Charakteren mehr Platz im Rampenlicht gibt, neue Maßstäbe für die Integration von Diversität setzt, und sogar einzelnen Gegnern durch die Vergabe von Namen ein wenig an Leben einhaucht. Sobald ihr einen Gegner außer Gefecht setzt und die anderen Anhänger der jeweiligen Fraktion nach seinen Namen schreien, erhöht sich die emotionale Bindung zur Welt und den Konsequenzen eurer Handlungen deutlich gegenüber bisherigen Spielen im selben Genre.
The Last of Us Part II hält sich in kaum einen Bereich zurück, bricht einige Tabus die sowohl in der Filmwelt als auch in Videospielen noch nie in dieser Form umgesetzt wurden. Kaum eine Charakterentwicklung, Reaktion oder Szene wirkt aufgesetzt. Die schauspielerische Leistung der einzelnen Darsteller ist großartig und wirkt absolut glaubwürdig. Zusammen mit den weitaus offeneren Leveldesign als noch im Vorgänger, kann man sich hier noch freier in der Welt austoben, Nebenaufgaben, als auch versteckte Notizen und Ausrüstung entdecken. Die Steigerungen von Naughty Dog nehmen aber außerhalb ihrer Expertise ein Stück ab. Ein markantes Beispiel sind hier Tresore, die euch ähnlich wie in Resident Evil zusätzliche Ressourcen liefern können, wenn ihr die passende Kombination dazu finden könnt. Anfänglich noch relativ kreativ gelöst, endet es im restlichen Spiel in reinem Abtippen von Zahlen, die euch sehr deutlich ohne viel Detektiv-Arbeit serviert werden. Das Füllen der weitaus größeren Gebiete pro Kapitel hätte hier oftmals mehr Liebe zum Detail vertragen können. Immerhin kann man seinen Frust auf so gut wie jeder Glasfläche im Spiel auslassen, also wenn ihr euch mit Pandemie-Versicherungen anlegen wollt, könnt ihr euch bei allen Geschäftsauslagen und Autos im Spiel austoben. Solange ihr auf dem vom Spiel vorgegeben Weg bleibt, fehlt es nie an phänomenal in Szene gesetzter Action und spielerischer Abwechslung.
Gameplay und Gunplay deutlich besser als im Vorgänger
Einer der wenigen Kritikpunkte von The Last of Us bleibt die Gegner KI und das Gameplay allgemein. Hier hat sich Naughty Dog sichtlich das Feedback zu Herzen genommen und an vielen Details nachgeschraubt. Die Konfrontationen bleiben zwar im Nahkampf weiterhin eher nur Quick-Time-Events, aber durch die Kombination aus dem Abnutzen eurer Nahkampfwaffen und den deutlich aggressiveren Gegner-Mischungen, ergeben sich hier sehr oft enorm dynamische Auseinandersetzungen. Gegner reagieren deutlich früher und genauer auf das Ableben von Partnern und geben nicht unbedingt so leicht die Suche nach euch auf. Zwar keine angenehme Ergänzung für Tierfreunde, aber für die Dynamik essentiell stellen sich hier die neuen Hunde dar, denn ein sicheres Verstecken ist bei ihnen so gut wie unmöglich. Sobald eure Fährte aufgespürt wurde, müsst ihr schnellstmöglich eine neue Deckung aufsuchen. Das Waffenarsenal, welches Ellie zur Verfügung steht, wurde deutlich gegenüber dem Vorgänger erweitert. Die Handhabung der einzelnen Schusswaffen, bis hin zur Reaktion von Ellie auf Treffer ist großartig umgesetzt, wobei wir die meiste Zeit dann doch mit Schleich-Angriffen oder dem Nahkampf verbracht haben. Hier steht es euch frei ganz klassisch einen Ziegelstein, Flasche oder andere Dinge, die man so am Boden findet, einzusetzen. Die neuen Charakter-Animationen erlauben auch eindrucksvoll das Entwaffnen von Nahkampfwaffen aus den Händen der Gegner, um sie gleich selbst einzusetzen. Naughty Dog hat in diesem Bereich schon immer neue Maßstäbe setzen können, aber nun hat man sich wieder einmal selbst übertroffen – so intensive und abwechlungsreiche Kämpfe wie in The Last of Us Part II haben wir selten in der Welt der Videospiele erlebt.
Leichte KI-Schwächen oder Brüche in der Immersion kommen zwar wie in The Last of Us verteilt immer noch vor, aber die klassischen Momente, in denen menschliche Gegner für einige Zeit durch das Werfen einer Flasche in ihre Richtung verwirrt sind, dürften nur noch selten vorkommen. Vor allem die einzelnen Bosskämpfe sind unglaublich abwechslungsreich, trotz der eigentlich simplen Ausweich/Angriff-Dynamik des Spiels. Spoilerwarnung: Besonders die Kommunikation der Scars/Seraphites im späteren Spielverlauf und die infizierten Bosse sind großartige Erweiterungen für die Gameplay-Vielfalt. (Spoiler Ende). Die Liebe zum Detail kommt in vielen kleinen Bereichen des Spiels deutlich zum Vorschein – beispielsweise bei Werkbänken, die euch das Upgraden eurer Waffen erlauben. Hier seht ihr so präzise wie selten in einem Spiel, wie die einzelnen Teile, die ihr zusammenbastelt, die bestehende Ausrüstung optisch verändert. Generell ist das deutlich flottere Crafting-System gegenüber dem Vorgänger eine der vielen willkommenen Gameplay Verbesserungen, die dringend notwendig waren um das Spielerlebnis nochmals zu verfeinern.
Wir haben uns wirklich bemüht, negative Aspekte in The Last of Us Part II zu finden, aber trotz des sehr frühen Zugang zum fertigen Spiel, den wir hier erhalten haben, gibt es wenig zu bemängeln. Bis auf einen kurzen Clipping-Fehler in einer Höhle, der sich selbst nach wenigen Sekunden gelöst hat und leicht holprigen Animationen in hektischen Kampfsituationen mit unzähligen Gegnern, war das Spielerlebnis innerhalb der 20 Stunden an Spielzeit so gut wie nie durch technische Gebrechen beeinträchtigt. Uns stand auch die Möglichkeit zur Verfügung den Titel auf einer Standard PS4 neben einer PS4 Pro zu testen. Beide Konsolen hatten keinerlei Probleme mit der Performance, was gerade auf der PS4 überrascht. Wo andere Titel doch einiges an Performance einbüßen müssen, lief The Last of Us Part II eigentlich bis auf leichte Framerate-Einbrüche bei einem sehr hohen Gegneraufkommen ident zur Pro Version. Der immense Grad an Realismus zieht sich durch das gesamte Spiel und der Geschichte – das heißt auch ein hoher Grad an fotorealistischer Brutalität. Wie bereits erwähnt bricht hier Naughty Dog einige Tabus und nimmt wenig Rücksicht auf Themen, die für manche Film- und Spielproduzenten womöglich zu grafisch wirken, um sie in dieser Form in ihrem Medium einzubauen oder die Alterseinstufung des Spiels zu hoch treiben würden. Der Weg den Naughty Dog hier gewählt hat ist mutig und liefert beeindruckende Szenen, die man in keinem ihrer Spiele bisher so gesehen hat.
Zu guter Letzt fehlt natürlich dieses Mal leider ein Multiplayer-Modus, aber dafür fehlt es dem restlichen Singleplayer-Erlebnis kaum an der gewohnten Qualität von Naughty Dog. Bis weitere mögliche Updates vom Studio nach dem Release folgen, kann man sich aktuell immerhin eine umfangreiche Auswahl an Charaktermodellen und Concept Art mit erspielten Punkten kaufen und im New Game+ seine Upgrades und Ausrüstung übertragen, um die weiteren Schwierigkeitsgrade zu meistern. Wir empfehlen hier, nach dem Durchspielen auf jeden Fall einiges in die Charaktermodelle zu investieren, die besonders gut in Szene gesetzt wurden. Passend zur immer wieder präsenten Gitarre von Ellie, bietet The Last of Us Part II bis hin zum Schluss einige wunderbare Soundtrack-Stücke, auf die ihr in einzelnen Szenen genau achten solltet.
The Last of Us Part 2 erscheint am 19. Juni 2020 exklusiv für die PlayStation 4. Hier könnt ihr den Titel bereits vorbestellen.
Fazit
Naughty Dog lässt absolut nichts anbrennen und liefert mit The Last of Us Part II ihr nächstes Meisterwerk ab. Die unglaublich gelungene Inszenierung der Geschichte, die vielen Tabubrüche und die unzähligen neuen Gameplay-Elemente sowie Animationen bieten eines der spannendsten Erlebnisse der aktuellen Konsolengeneration.
Positiv
+ Phänomenales Storytelling und schauspielerische Leistung
+ Hoher Grad an Realismus und Liebe zum Detail erwecken die gesamte Welt zum Leben
+ Neue Kampfanimationen und das Waffen-Arsenal von Ellie überzeugen
+ Noch mehr spielerische Freiheiten durch offenere Gebiete und neue Anpassungsmöglichkeiten in den Optionen
Negativ
– Etwas generische und wiederholende Nebenaktivitäten liefern oftmals zu wenig Anreiz die Welt weiter zu erkunden
– Leichte Framerate-Einbrüche bei einem sehr hohen Gegneraufkommen auch auf der PS4 Pro