Review: Return to Monkey Island – Eine äußerst gelungene Rückkehr des Point-and-Click-Klassikers

Das neueste Kapitel der Monkey Island-Reihe markiert die Rückkehr der legendären Serienschöpfer Ron Gilbert und Dave Grossman. Es ist über 30 Jahre her, dass sie das letzte Mal gemeinsam an Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge gearbeitet haben, was in etwa 170 Piratenjahren entspricht. Hände nach oben, wer erinnert sich noch an dessen verrücktes Ende, bei dem sich plötzlich herausstellt, dass Guybrush und LeChuck nur zwei junge Brüder sind, die sich in einem Vergnügungspark austoben? Oder an die Teile, die dazwischen erschienen sind? Falls eure Hände (und Haken) unten geblieben sind, keine Sorge: Return to Monkey Island gibt Interessierten eine kleine Gedächtnisaufrischung im Startmenü, man kann das Spiel aber natürlich auch so genießen.

Der neuste Teil knüpft an alle anderen an

Diese Szene sollte jeden Fan an das Ende des zweiten Teils erinnern.

Wie ist es möglich, als Sequel gleich an mehrere Teile der Franchise anzuschließen? Return to Monkey Island zeigt, wie: Guybrush und LeChuck sind anscheinend wieder in besagtem Vergnügungspark, möglicherweise entsprangen die Piratenabenteuer nur ihrer Fantasie, vielleicht ist es aber auch ein Zauber, den LeChuck gewirkt hat. Das ältere Ehepaar entpuppt sich nun aber als völlig Fremde, die von den beiden in Ruhe gelassen werden möchte und sich entfernen. Daraufhin tollen die Kinder ein wenig im Vergnügungspark herum. Unter anderem suchen sie Geld für ein paar besonders widerliche Hotdogs, laufen um die Wette, stehlen Brot, um eine Ente zu füttern und kratzen Sauce vom Boden, um die eben erwähnten Hotdogs noch ekelhafter zu machen.

Eine Liste der zu absolvierenden Aufgaben hält dem Spieler das Ziel vor Augen.

Dieses erste Level dient als Tutorial, indem es spielerisch erklärt, welche Funktionen im weiteren Spieleverlauf genutzt werden können: Mit einem Doppelklick kann man rennen, im Inventar lassen sich Gegenstände kombinieren, NPCs können abgelenkt werden, etc. Zudem befindet sich dort stets eine To-do-Liste, welche einem in Erinnerung ruft, was als Nächstes zu tun ist. Dabei werden größere Aufgaben in kleinere Schritte unterteilt, um das Ganze übersichtlicher zu machen.

Vater Threepwood und Sohnemann – ein Novum für die Serie!

Am Ende des kurzen Levels wartet allerdings eine Überraschung – der kleine Threepwood ist gar nicht Guybrush, sondern dessen Sohn. In den ersten 15 Minuten erreicht das Spiel bereits eine Meta-Ebene, denn hier beginnt der weitgereiste Guybrush von einem neuen Abenteuer zu erzählen, dass weder sein Sohn noch die Spieler kennen: das Entdecken des eigentlichen Geheimnisses des „Secret of Monkey Island“! Und diese Geschichte beginnt – wie sollte es an diesem Punkt anders sein – auf Mêlée Island, dem Startpunkt des ersten Secret of Monkey Island.

Und diese Szene sollte jeden Fan an den Beginn des ersten Teils erinnern.

Doch schnell wird klar, dass die Insel bis auf die Geographie und den Aufbau der Stadt nicht mehr dieselbe ist: Es sitzen neue Piraten in der Scumm Bar, die Voodoo-Lady geht in Konkurs, Guybrushs Geliebte Elaine ist nicht mehr Gouverneurin und Stan S. Stanman, der mit schneller Zunge gebrauchte Boote an den Mann brachte, sitzt nun wegen Betrugs im Gefängnis. Antagonist LeChuck befindet sich indes am Hafen und heuert gerade eine Crew an, um ebenfalls das eigentlich Geheimnis von Monkey Island zu erforschen, denn er und Guybrush haben wie immer dasselbe Ziel. „Er klaut ständig meine Ideen“, äußerst sich unser blonder Held nur dazu.

Einsteigerfreundlicher als jeder Ableger davor

Eine Konfrontation zwischen den beiden Erzfeinden ist auch im neusten Teil unausweichlich.

„Du kämpfst wie ein Bauer!“ „Wie passend, denn du kämpfst wie eine Kuh!“ – wer sich an solche Dialoge erinnern kann, hat wohl die Schwertkämpfe des Originals gemeistert. Diese waren in Wirklichkeit keine physischen Auseinandersetzungen, sondern prüften, wie gewitzt man ist. In Return to Monkey Island werden diese Kämpfe gleich zu Beginn auf die Schippe genommen, indem LeChuck gegen die Regeln verstößt und Guybrush trotz passender Erwiderung einfach von seinem Schiff tritt. Der neuste Ableger bekennt Flagge und erinnert sein Publikum, dass er nicht wie seine Vorgänger ist! Und dieser Fakt lässt sich auch durch die Verbesserungen für Einsteiger deutlich erkennen.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen – oder einfach nur die Spieler mit viel Freizeit von denen, die weniger haben!

Allein schon die Möglichkeit, zu Beginn zwischen einem „Einfachen Modus“ und einem „Schweren Modus“ zu wählen, wäre in den 90ern unerhört gewesen. Damals musste der Käufer noch ordentlich Spielzeit für sein Geld erhalten, deshalb wurden die Rätsel so schwer und meist auch unlogisch gestaltet, damit man stundenlang grübeln musste, wie man einem Wächter vorbeikam oder ähnliche simple Aufgaben erledigte. Mit dem „Einfachen Modus“ werden die Puzzle definitiv linearer, sind dadurch aber weniger frustrierend, da sie weniger Schritte zum Lösen benötigen.

Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er einen kleinen Tipp oder einen Wink mit dem Zaunpfahl braucht.

In beiden Modi ist neben der To-do-Liste noch ein weiterer, wesentlich direkterer „Helfer“ vorhanden – das Buch mit den Lösungen. Anstatt sich bei Kopfzerbrechen gleich Walkthroughs aus dem Internet zu suchen, kann man damit Frage an das Spiel selbst stellen, die einem weiterhelfen sollen. Zuerst gibt das Buch nur einen vagen Tipp, damit der Spieler selbst noch die Möglichkeit zum Überlegen hat. Sollte dies jedoch auch nicht reichen, kann man meist noch eine zweite, konkretere Frage stellen, dessen Antwort direkte Anweisungen für den weiteren Spieleverlauf enthält.

Das Quizbuch fragt das Monkey-Island-Wissen der Veteranen ab.

Abschließend findet sich als permanenter Gegenstand im Inventar noch ein Quizbuch, in welches man nach dem Prinzip eines Stickerhefts in der Spielewelt verstreute Fragen einkleben, die natürlich auch beantwortet werden wollen. Bei den Fragen dreht es sich natürlich um Fakten aus dem Monkey-Island-Universum. Doch Vorischt, bei einer falsch beantworteten Frage verschwindet die Frage aus dem Buch und kann nicht zurückerhalten werden. Wer nun denkt, er speichert einfach vor dem Beantworten der Frage, wird dumm aus der Wäsche schauen: diese sind nämlich nicht direkt an den eigentlichen Speicherstand gebunden und auch nach erneutem Laden gänzlich verschwunden.

Tretet beiseite, Sea of Thieves und Assassin’s Creed: Black Flag – Monkey Island könnt ihr nicht das Wasser reichen

Alleine schon die Charaktere wieder in Aktion zu sehen, kann so manchen Fan in pure Freude versetzen.

Guybrush hat schon die Meere bereist, das war die Franchise um Edward Kenway noch nicht geboren! Eingefleischte Fans werden genau darauf achten, dass der schlagfertigste Pirat der Videospielgeschichte auch heute noch so scharfzüngig ist wie anno dazumal. Doch schon nach den ersten paar Spielstunden wird klar, dass alle Steine genau auf den richtigen Platz fallen: die beliebtesten Charaktere kehren in Topform wieder zurück auf den Bildschirm, doch auch neue fügen sich großartig in die Welt ein, und hinterlassen bleibenden Eindruck.

Es gibt inzwischen ein Museum mit all den Artefakten von Guybrush Threepwoods Abenteuer – allerdings ohne diesen namentlich zu erwähnen!

In Bezug auf Sprachoptionen muss erwähnt werden, dass alles innerhalb der Spielewelt zwar ins Deutsche übersetzt wurde, sich die Sprachausgabe aber rein auf die englische Synchronisation beschränkt. Für Personen, die kaum oder kein Englisch sprechen, bleiben Texttafeln in anderer Sprache eine Option, leider sind diese aber nicht optimal implementiert und stören den Spielfluss ein wenig.

Fazit

Ron Gilbert und Dave Grossman, die geistigen Väter von Guybrush Threepwood, sind zurück, und das merkt man in jede Faser von Return to Monkey Island. Urkomische Situationen, clevere Dialoge, erinnerungswürdige Charaktere, einsteigerfreundliches Gameplay und ein frischer Grafikstil, der allerdings nicht jedermanns Geschmack sein muss, bringen die Spielereihe dorthin zurück, wo sie hingehört: an die Spitze der Point-and-Click-Spiele. Dieses Spiel ist definitiv mehr als nur reine Nostalgie!

Positiv:

+ der gewohnt herausragende Humor der Reihe

+ eine Unmenge Referenzen und Insider-Witze an alle Vorgänger

+ einsteigerfreundliches Game-Design

+ inkludierte Hilfestellung für alle Puzzles in Form eines Buches

Negativ:

– der neue Grafikstil ist Geschmackssache und wird nicht jedem gefallen

– zusätzlich eingeschaltete Textboxen für die englischsprachigen Dialoge sind oft schlecht gesetzt

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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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