Willkommen in der Welt der Pokémon! Ein Satz, den Fans der ersten Stunde bereits unzählige Male gehört haben. Und ein Intro, das sie mit Pokémon Karmesin und Purpur zum mittlerweile neunten Mal begrüßen wird. Wer hätte gedacht, dass Nintendo im Jahr 1996 mit den Versionen Rot und Grün den Grundstein für ein Franchise legt, das zu einem weltweiten Phänomen herangewachsen ist. Und das alles begann mit einer einfachen Entscheidung im Labor von Professor Eich, welche unser ganzes Leben verändern sollte. Doch genug von der Nostalgie, denn ein neues Abenteuer wartet auf uns! Was wir dabei erlebt haben, das verraten wir euch wie gewohnt in unserem weitgehend spoilerfreiem Review!
Ab auf die Schulbank mit euch
Das Intro einer jeden Pokémon-Generation gestaltete sich in der Regel gleich. Ihr wacht auf in eurem kleinen Dörfchen und stattet dem hiesigen Professor einen Besuch ab. Dieser überreicht euch ein Pokémon mitsamt Pokédex und schickt euch auf eine Reise um Champion der Pokémon-Liga zu werden. Karmesin und Purpur hingegen verfolgen bereits mit dem Intro einen anderen Ansatz. Denn als frisch gebackener Schüler der Orangen- oder Traubenakademie erwartet euch viel eher der Schulalltag. Doch keine Sorge, denn nach einem kurzen Kennenlernen mit Direktor Clavel, einigen Mitschülern und Lehrern wartet bereits die Paldea-Region in ihrer vollen Pracht darauf, erkundet zu werden. Mit der Akademie im Mittelpunkt steht euch Tür und Tor offen, die Insel unsicher zu machen. Dennoch lohnt es sich, im Laufe der Story die freigeschalteten Kurse hin und wieder zu besuchen. Vor allem wenn ihr einen Vorgeschmack auf eure zukünftigen Herausforderungen erhaschen wollt, Stichwort Top Vier und Champ.
Grundsätzlich funktioniert das Intro ganz gut. Es vergehen kaum fünf Spielminuten, ehe ihr mit eurem Starter-Pokémon bereits auf die Reise geht. Und kurz darauf sogar das editionsexklusive legendäre Pokémon antrefft, welches euch zu Beginn aber lediglich als fahrbarer Untersatz dient. Und den werdet ihr brauchen, denn es gilt viel Wegstrecke zurückzulegen. Wie schon in Legenden Arceus besiedeln die Pokémon frei sichtbar die Spielwelt. Das was Generation 8 mit der Naturzone vorgemacht hat, gilt nun für die gesamte Paldea-Region. Aber auch zahlreiche Trainer, technische Maschinen und sonstige Items können in der Spielwelt aufgesammelt werden. Ein großer Ansporn besonders für die Jäger und Sammler unter euch. Zwar umfasst der Pokédex erneut lediglich 400 Exemplare, der Mix zwischen den Neuzugängen und bekannten Pokémon funktioniert aber hervorragend. Das ermöglicht eine große Individualität bei der Teamauswahl, die bitter nötig ist. Denn es gibt einiges zu tun für die kommenden Absolventen der Akademie!
Eure eigene Reise durch Paldea
Wie eingangs erwähnt bleibt es völlig euch überlassen, in welcher Reihenfolge ihr eure Reise bewältigt. Das betrifft nicht nur die klassischen acht Arenen, sondern umfasst auch zwei weitere Handlungsstränge. Denn auch Herrscher-Pokémon, ähnlich wie schon in Legenden Arceus wollen besänftigt werden. Zudem macht eine Bande an Rowdys der Akademie ebenfalls die Lande unsicher und wollen in besonderen Aufeinandertreffen zur Räson gebracht werden. Das alles bringt euch in Summe 18 Orden ein, wenn ihr dem „Pfad der Legenden“, den „Weg des Champs“ und der „Straße der Sterne“ bis zum Ende folgt. Aber keine Angst, denn selbst nach Abschluss all dieser Quest-Reihen bietet Karmesin und Purpur wie gewohnt Endgame-Content für den hartgesottenen Kern. Neben dem Schlund von Paldea, der Jagd nach legendären Pokémon oder Shinies bis hin zu extrem schwierigen Raid-Kämpfen wird nochmal einiges geboten.
Diese Form von Raids haben ihr Debüt in Schwert und Schild bereits gefeiert. Damals noch als Dynamax-Phänomen ins Spiel integriert, erwartet euch in Karmesin und Purpur die Terakristallisierung. Diese Verwandlung lässt Pokémon wie Edelsteine glänzen, über deren Häupter sich dann eine Krone erstreckt. Einmal pro Kampf kann diese Entwicklung durchgeführt werden und über Sieg und Niederlage entscheiden. Ausschlaggebend ist natürlich auch der Tera-Typ, der nach der klassischen Typen-Effektivität funktioniert. Im Grunde kann man hier nicht von einer wirklichen Neuerung reden, seinen Zweck erfüllt es dennoch. Was den Zweck selten bis unzufriedenstellend erfüllt ist die Online-Komponente bei den Raids. Wer alleine einen Raid startet bekommt es mit unnützer Helfer-K.I. zu tun. Wer in einer Gruppe mit Freunden auf Jagd geht, bei dem ist die Verbindung der größte Feind. Das gestaltet besonders die höherklassigen Kämpfe zu einem Fest an Verzögerungen, unterschiedlichen Anzeigen oder Verbindungsabbrüchen.
Pokémon Legenden: Arceus trifft auf die klassische Formel
Mit Pokémon Legenden: Arceus hat Nintendo im Frühjahr 2022 den nächsten Schritt im Franchise gewagt. Die semi-offene Spielwelt funktionierte dank dem unkomplizierten Kampf- und Fangsystem. Mit Pokémon Karmesin und Purpur geht man nun einen Schritt weiter und verfrachtet das Ganze in eine komplett offene Spielwelt. Hier steht das Trainieren von Pokémon natürlich im Fokus, weswegen man sich etwas Besonderes einfallen lassen hat. So lässt sich ab sofort das erste Pokémon eures Teams ausschicken und dieses bekämpft nun eigenständig die wilden Lebewesen. Das bringt zwar nur ca. 25% der Erfahrungspunkte ein, die ihr sonst in einem offiziellen Kampf erhält, geht aber dafür viel schneller von der Hand. Natürlich levelt auch das restliche Team mit, die erhalten dann aber lediglich die Hälfte der eingesackten Punkte. Doch Obacht, denn auf die Typenauswahl muss man trotzdem achten! Hetzt ihr beispielsweise ein Feuer-Pokémon auf Typ Wasser los, dann kehrt es schneller ohne KP in den Pokéball zurück, als euch lieb ist.
Doch wilde Pokémon hinterlassen nicht nur Erfahrungspunkte, sondern auch artenspezifische Materialien. Mit diesen könnt in der neunten Generation technische Maschinen herstellen. Das erfolgt bei Stationen, die in der gesamten Region verteilt sind und ein Pokémon-Center sowie den Shop beinhalten. Neben der offiziellen Währung gibt es diesmal auch Leistungspunkte. Diese erhält ihr für jede Interaktion in der Spielwelt und können ebenfalls zum Kauf von Items verwendet werden. Apropos technische Maschinen, den gerne besuchten Attacken-Lerner oder -Verlerner gibt es auch nicht mehr. Ihr könnt eurem Pokémon zu jedem Zeitpunkt alle Attacken beibringen, die es auf natürlichem Wege erlernen kann. Auch kleine Feinheiten wie beim Tausch, wo Pokémon die der Gegenüber nicht besitzt markiert werden, sind begrüßenswert. Und zu guter Letzt gibt es ja auch den Multiplayer-Modus, wo ihr mit Freunden gemeinsam die Paldea-Region unsicher machen könnt. Das hat aber eher den Charakter eines netten Gimmicks. Also alles beim Besten, oder?
Die Grenzen der Nintendo Switch (OLED)
Sprechen wir nun den Elefanten im Raum an. Denn bislang hat das Review die neunte Generation in höchsten Tonen gelobt. Und spielerisch haben sich Karmesin und Purpur das durchaus verdient! Doch wie so oft entscheidet der Ersteindruck und der fiel alles andere als positiv aus. Grund hierfür ist die technische Beschaffenheit, die sich gleich zu Beginn von ihrer hässlichsten Seite präsentiert. Sinnbildlich hierfür ist Mesalona City, die das Zentrum der Paldea mitsamt der Akademie bildet. Die treibt selbst die Switch OLED an ihre technischen Grenzen, was in permanenten Einbrüchen der Framerate resultiert. Verwaschene Texturen sind das geringste Übel, denn optisch macht die gesamte Region nicht viel her. Ist ein Gebiet dichter besiedelt oder betretet eine Stadt, dann treten diese Probleme vermehrt auf. Natürlich kann man argumentieren, dass man Pokémon nicht wegen der Grafik spielt. Ein Mindestmaß an Qualität und Fortschritt gegenüber der Vorgängerversion sollte trotzdem ein Mindestanspruch sein.
Zudem bietet Game Freak immer weniger Einstellungsoptionen an, was vor allem die Kämpfe nun noch länger gestaltet. So überlegt man sich im Laufe des Spiels zweimal, ob man direkte Duelle überhaupt noch sucht. Auch das krampfhafte Forcieren, dass alles innerhalb der offenen Spielwelt stattfinden muss, ist nicht zwingend positiv. So sehen die Kämpfe nicht nur umgebungstechnisch unspektakulär aus, auch in puncto Attacken-Animationen fährt man hier am absoluten Mindestniveau. Auch Neuerungen wie die Picknickbox mitsamt Sandwiches, die in unzähligen Shops in der Spielwelt erworben werden können, sind fragwürdige Verbesserungen. Zwar erhöhen diese einige Parameter und ermöglichen im Endgame die Jagd nach Shinies. Trotzdem verstärkt das Drumherum den Eindruck, dass die Ressourcen dieser nebensächlichen Mechaniken besser in der Spielwelt aufgehoben gewesen wären. So kann man getrost eine Parallele zu Cyberpunk 2077 schlagen. Denn genauso wie Night City Mittel zum Zweck für die Handlung war, so gilt dasselbe leider auch für die Paldea-Region.
Fazit
Auf dem Blatt Papier klingt Pokémon Karmesin und Purpur wie der wahr gewordene Traum von Pokémon Fans. Die Paldea-Region besticht mit einer sehr umfangreichen Spielwelt, unterschiedlichen Handlungssträngen und neuen Gameplay-Mechaniken. Leider macht die mangelhafte technische und optische Qualität der neunten Generation einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Hier hat Game Freak großen Handlungsbedarf, vor allem unter der Tatsache, dass es erneut nur lediglich 400 unterschiedliche Pokémon ins Spiel geschafft haben.
Positiv:
+ Große, offene Spielwelt die frei erkundet werden kann
+ Drei unterschiedliche Handlungsstränge
+ Designs der neuen Pokémon (103 Exemplare) sind gut gelungen
+ Zahlreiche kleine Anpassungen die den Komfort erhöhen
Negativ:
– Technisch und optisch stellenweise eine Zumutung
– Der Pokédex umfasst erneut nur 400 Pokémon
– Die Begegnungen sind aufgrund der Echtzeitkomponente langatmiger
Pokémon Karmesin und Purpur sind am 19.November 2022 für Nintendo Switch erschienen.
Während unserem Review auf Nintendo Switch OLED sind diverse Abstürze beim Betreten von Shops aufgetreten, sowie eklatante Einbrüche der Framerate in dicht besiedelten Gebieten.