Review: New Pokémon Snap – Ein Sequel, das sich 20 Jahre Zeit gelassen hat, aber dafür kaum Wünsche offen

Zur Jahrtausendwende schwang sich Pokémania zum ersten Höhepunkt seiner Beliebtheit auf und ließ kein Medium – ob TV, Kino, Sammelkarten oder natürlich Spiele – unberührt. Schnell wurde auch innerhalb der Genre von Spielen experimentiert, und so kamen neben der Hauptableger für den Game Boy auch Titel für den Nintendo 64 heraus. Unter anderem ein Rail-Shooter, in dem man die Pokémon nicht trainiert und gegeneinander antritt, sondern im Prinzip nur eines macht: fotografieren! Für den damals 9-jährigen Julian war das nicht weniger als ein Geniestreich und über die Jahre bin ich immer wieder zu dem Titel zurückgekehrt, sei es die Original-Version oder die „Virtual Console“-Ausgabe. Nur auf einen Umstand habe ich nicht mehr gehofft: Das Pokémon Snap über 21 Jahre später noch eine Fortsetzung erhält und mir somit einen lang gehegten Kindheitstraum erfüllt. Manchmal geschehen eben noch Wunder und nun habe ich die Möglichkeit euch meine Erfahrungen mit New Pokémon Snap zu schildern.

Die alte Crew wieder zusammenbringen…

Okay, die Überschrift ist ein wenig geflunkert, denn während im Original nur zwei Personen enthalten waren, gibt es in New Pokémon Snap eine wesentlich größere Anzahl an Kameraden, doch zumindest einer der Figuren sollte Fans noch im Gedächtnis sein. Die Rede ist von Todd, dem Protagonisten des ersten Teils, der auch einige Male im Anime zu sehen war. Im Sequel steht er dem Avatar, den der Spieler zu Beginn wählt, mit seiner Erfahrung zur Seite. Dieser erhält von Professor Mirror, dem neuesten Kittelträger der Franchise, den Auftrag, die Lentil-Region zu erforschen und dabei natürlich möglichst viele Fotos von Pokémon zu machen. Wie damals Professor Eich übernimmt er dann anschließend die Bewertung der geschossenen Bilder. Komplettiert wird das Team durch seine Assistentin Rita und dem vorlauten Phil, der von Todd zum Fotografen ausgebildet wird.

Eine Person, die der Spieler nicht trifft, aber maßgeblich Einfluss auf die Story nimmt, ist Captain Vince. In seinen Aufzeichnungen beschreibt er das Lumina-Phänomen, bei dem Pokémon und auch die Umgebung von selbst zu leuchten beginnt. Die Aufgabe besteht nun darin, die leuchtenden Pokémon ausfindig zu machen und sie durch möglichst gute Fotos zu dokumentieren.

Zwischen den Fahrten mit der NEO-One kann man stets ins Basiscamp zurückkehren, um dort mit den vorhin erwähnten Charakteren zu reden, ein Item oder Upgrade für das Fahrzeug zu erhalten oder einfach nur die bereits gemachten Bilder zu betrachten. Ansonsten trägt die Crew nicht wirklich Relevantes zum Spiel bei, ganz im Gegenteil – man hat sogar das Gefühl, dass die Dialoge das Spiel eher ausbremsen. Ab einem gewissen Zeitpunkt kann man schon genau vorhersagen, was Professor Mirror einem sagen wird, sobald er meint, er müsse etwas Wichtiges ankündigen. Genauso haben die anderen Figuren wenig relevante Dinge zu sagen, womit die Zwischensequenzen nur wie belangloser Puffer zwischen den Foto-Expeditionen wirken. Doch kommen wir zu dem eigentlichen Kern von New Pokémon Snap

Eine vertraute Formel, für 2021 stark verbessert

Wer den ersten Teil damals gespielt hat, wird sich auch sofort in New Pokémon Snap zurechtfinden – das simple System aus einer vorgegebenen Bahn, die man entlang fährt, um möglichst klare und große Fotos von Pokémon zu machen, bleibt nahezu unberührt. Ebenso das eigenständige Auswählen eines Fotos für jedes Pokémon, das dann dem Professor gezeigt wird, der es nach unterschiedlichen Aspekten bewertet. Wichtig sind Pose, Größe, Blickrichtung des Pokémons, die Positionierung auf dem Bild und ob noch andere Pokémon im Hintergrund zu sehen sind.

Doch im Unterschied zum Original wünscht sich Professor Mirror für jedes Pokémon vier unterschiedliche Motive, die durch Sterne klassifiziert werden. Ein-Stern-Bilder zeigen üblicherweise das Pokémon in normalem Zustand, während es ungestört seinem regulären Tagesablauf folgt. Bilder mit zwei Sternen kommen meist zustande, indem man das Fotomotiv direkt mit einem Apfel abschießt, wodurch es überrascht wirkt. Drei- und Vier-Sterne-Fotografien erfordern ein wenig mehr Geschick und oftmals muss der Spieler kreativ werden, um das gewünschte Motiv ablichten zu können.

Glücklicherweise kann man im Basiscamp unter der Sparte ‚Aufträge‘ kleine Beschreibungen durchsehen, die nichts anderes sind als Hilfestellungen, um die selteneren Motive ausfindig zu machen. Hier merkt man die Liebe zum Detail, da das Spiel direkt Eigenschaften aus dem Pokémon-Universum integriert; beispielsweise sieht es nur so aus, als ob das Vogelpokémon Hoothoot nur ein Bein besäße, weil es regulär nur auf einem steht, während es das andere unter dem Federkleid versteckt. Hier ist es demnach hilfreich, dass Hoothhoot ein wenig aus dem Gleichgewicht zu bringen, damit es zur Balance auch das zweite Standbein einsetzt.

Allein schon an dem eben genannten Beispiel ist gut ersichtlich, wie treu sich New Pokémon Snap an den Kanon hält – und das bei den insgesamt 214 Pokémon, die man in dem Spiel ablichten kann. Zum Vergleich: Im Original waren es nur 63 Exemplare! Dadurch ergibt sich klarerweise auch eine höhere Anzahl an zu befahrenden Strecken, welche obendrein nicht statisch bleiben. Je mehr Erfahrung auf einem bestimmten Kurs gesammelt wird, desto höher steigt das Level – und mit neuem Level verändert sich das Verhalten und Aufkommen der Pokémon auf der Strecke. Zusätzlich kann man – sofern freigeschalten – entscheiden, ob man die Strecke bei Tag oder bei Nacht befahren möchte. Logischerweise wird der Spieler die tagaktiven Pokémon schlafend antreffen, während nachtaktive wie Ariados und Vipitis nur genau zu diesen Stunden aus ihren Behausungen gekrochen kommen.

Zum Arsenal des Spieleavatars zählen im weiteren Verlauf Samtäpfel, Lumina-Kugeln und eine Melodie, die tanzfreudige Pokémon dazu bringt, die Hüften zu schwingen. Der Nutzen von Samtäpfel ist so naheliegend wie einfach: Wer Pokémon direkt damit beschießt, wird sie aufregen; wer sie in ihre Blickrichtung schleudert, kann sie damit ködern und ein niedliches Bild beim Verspeisen der Frucht einheimsen. Die Lumina-Kugeln bringt Pokémon und Umgebungen zum Leuchten, wodurch noch effektvollere Bilder gemacht werden können. Allerdings muss man sich diese speziellen Kugeln für jede einzelne Insel erst verdienen, indem man ein Fotos von der entsprechenden Lumina-Blume macht. Komplettiert wird das Inventar durch einen Scan. der auch im dichtesten Dschungel die Position und die Art der im Dickicht versteckten Pokémon verrät, und manchmal durch Benutzung auch eine Reaktion bei schall-sensitiven Pokémon auslöst.

Als eine Art Boss-Stage fungieren schließlich die sogenannten Lumina-Pokémon – diese beanspruchen einen Kurs hauptsächlich für sich alleine, wodurch man, egal wie viele Fotos gemacht werden, dem Professor letzten Endes nur eines zur Bewertung zeigen darf. Obwohl dies schon knifflig genug wäre, werden obendrein nur Bilder, auf denen das Lumina-Pokémon aktiv leuchtet, überhaupt zur Bewertung zugelassen. Man merkt, hier wollte Entwicker Bandai Namco den Spieler ein wenig mehr fordern und hat sich doch glatt ein paar Sachen von der finalen Stage mit Mew aus dem Original abgeschaut.

Nach dem Abschließen der Story werden noch zwei weitere Features zur Verfügung gestellt: Der Serienbildmodus erlaubt es, per Knopfdruck mehrere Bilder hintereinander zu machen, damit der perfekten Augenblick bloß nicht mehr verpasst wird. Und die Streckenbewertung gibt für jede Stage eine Punktezahl aus, die sich nicht nur durch schöne Bilder, sondern auch durch die Vielfalt der entdeckten Pokémon errechnet. Was dabei sehr hilfreich sein kann, ist sich die betreffende Strecke nochmals genau im Basiscamp anzusehen, wo der Standort der bereits entdeckten Pokémon exakt verzeichnet wird.

Sobald man mit einer reichen Beute an schönen Fotos heimgekehrt ist, steht einem die Möglichkeit frei, die liebsten geschossenen Fotos unter dem Unterpunkt ‚Fotodex‘ mit Filter, Sticker und Rahmen zu bearbeiten und anschließend abzuspeichern. Die jeweiligen Optionen zur Verschönerung werden durch verschiedene Erfolge im Spiel selbst errungen und können natürlich danach online gestellt werden, sofern eine Mitgliedschaft bei Nintendo Switch Online vorhanden ist.

Fazit

New Pokémon Snap zeigt, wie ein gutes Sequel aufgebaut sein sollte: Man verändert nichts an dem Spielprinzip des Originals, sondern nutzt es als Grundlage, um darauf mit Optimierungen aufzubauen. Sich verändernde Strecken, mehr Boss-Stages, Filter und Sticker für die Fotos und vier unterschiedliche Motive für jedes der über 200 Pokémon zeigen, dass das Prinzip der Fotosafari mit ein wenig Politur auch zwei Dekaden später noch exzellent funktionieren kann und wesentlich mehr Wiederspielwert besitzen. Der einzige Wermutstropfen bleibt die uninspirierte Handlung im Camp, die eher langweilt, anstatt das Spiel interessanter zu machen.

Positiv

+ Erfolgsrezept des Vorgängers treu geblieben

+ Mehr als 200 Pokémon, inklusive legendäre Exemplare, die allesamt vier verschiedene Posen besitzen

+ Strecken bringen Abwechslung durch Abzweigungen, Tag-Nacht-Wechsel und Verhalten der Pokémon

+ Tipps und Aufträge helfen dabei, seltene Motive aufzuspüren

Negativ

– Plot-Elemente zwischen dem Kern-Gameplay wirken uninspiriert

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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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