Nachdem sich Haemimont Games und THQ Nordic im hauseigenen „Official Features“ Trailer über die Spinoffs der Reihe lustig gemacht haben (hier geht’s zum Video), müssen sie jetzt mit Jagged Alliance 3 selbst liefern. Damit ihr aber kein Risiko eingeht, haben wir uns die Söldner Rundenstrategie am PC vorab ausgiebig angesehen.
Rettet Grand Chien und setzt der Legion ein Ende
Die Jagged Alliance Reihe hat 1999 mit dem zweiten Teil einen der besten Rundenstrategietitel der damaligen Zeit hervorgebracht. Doch abseits dieses legendären Titels hat die Reihe danach die hohen Erwartungen nie erfüllen können. Das soll sich mit Jagged Alliance 3 nun ändern.
Wie damals befehligt man verschiedene Söldner, die allen möglichen Klischees von 80er Jahre Actionfilmen entsprechen, in spannenden Rundenkämpfen. Auch die Story lehnt sich an bekannte Strukturen an. Konkret seid ihr der Anführer einer Söldnertruppe, die von Emma LaFontaine, der Tochter des Präsidenten der Nation Grand Chien angeheuert wurde. Grand Chien, offensichtlich eine ehemalige französische Kolonie, wird von der paramilitärischen Gruppe „The Legion“ terrorisiert. Diese haben den gewählten Präsidenten entführt. Eure Aufgabe ist es also den Präsidenten zu retten und das Land zurückzuerobern. Trotz des ernsten Themas ist das Spiel mit sehr viel humoristischen Elementen ausgestattet. Dabei Spielen die Sprüche der Söldner als auch der Flavortext bei manchen Gegenständen eine große Rolle. Der Humor ist dabei natürlich Geschmackssache, da er von Klischees lebt und damit manchmal auch etwas aus der Zeit gefallen wirkt.
Auf die Persönlichkeit kommt es an
Die Söldner, die ihr befehligt, rekrutiert ihr dabei aus einem großen Pool an Södnern, der sowohl aus bekannten Gesichtern des Vorgängers, als auch Neuankömmlingen besteht. Die Söldner haben dabei nicht nur unterschiedlichste Fähigkeiten und Spezialgebiete, sondern auch Animositäten untereinander. US Söldner Steve „Grizzly“ Bornell z.B. verlangt mehr Geld, wenn das eigene Team zuviele nicht-Amerikaner beinhaltet. Cynthia „Fox“ Guzzman dagegen verweigert sofort die Unterschrift, wenn man den Polen Bobby „Steroid“ Gontarski dabei hat. Wie der Name bereits verrät entspricht Steroid nämlich dem klassisch stumpfen Actionheld Klischee, der zuerst zuschlägt bzw. schießt, dann nachfragt und Frauen mit schwachen Sprüchen anmacht. Und wem Fidel Dahan nicht genug Action bietet, dem verweigert er die Vertragsverlängerung.
Die verschiedenen Statuswerte beeinflussen dabei auch stark euren Spielstil. Wer keinen Experten mit hohem Explosiveswert dabei hat, der kommt nicht ohne Schaden durch das Minenfeld. Ein Schleichexperte kann dagegen eventuell vor dem eigentlichen Kampf unbemerkt Gegner ausschalten. Die einzelnen Werte wie Markmanship oder Agility verbessern sich dabei durch Benutzung, durch Training anderer Söldner oder durch das Lesen von Magazinen. Wichtig bei der Auswahl eurer Kämpfer ist außerdem, dass manche der Söldner andere Gesprächsoptionen freischalten oder schlicht das Geschehen kommentieren. Das Ganze ist qualitativ hochwertig vertont und wir waren positiv überrascht, dass es soviele Sprachschnipsel pro Söldner gibt. Trotzdem wiederholen sich gewisse Phrasen über kurz oder lang, aber damit konnten wir leben.
Auf in den Kampf
Außerhalb von Kämpfen steuert ihr eure Gruppe auf einer in Quadrate unterteilten Landkarte, auf der ihr in die einzelnen Gebiete wechseln könnt. Ab dann wird in die Isoperspektive geschaltet und in Echtzeit herumgelaufen. Falls ihr dabei auf Gegner stoßt und diese euch entdecken, geht es in den Rundenstrategiemodus. Hier befehligt ihr eure Leute mit einem begrenzten Kontingent an Action Points (AP) pro Person. Das Spiel unterstützt euch dabei z.B. indem es euch anzeigt wie weit ihr laufen und noch schießen könnt. Außerdem bekommt ihr ausführliche Listen, was euch an eurem Schuss hindert oder hilft. Wer also im Dunkeln, bei Regen gegen eine Mauer schießt und dabei noch einen Verbündeten direkt trifft, kann es definitiv nicht auf das Spiel schieben.
Was euch Jagged Alliance 3 aber nicht gibt, das ist eine Trefferwahrscheinlichkeit. Diese Entscheidung wurde laut den Entwicklern gezielt getroffen. Wer X-COM oder andere ähnliche Taktik- und Rundenstrategiespiele gewohnt ist, muss sich hier also umgewöhnen. Das System setzt mehr darauf, dass ihr mitdenkt und ein Gefühl entwickelt, was geht und was nicht. Auch eure Söldner geben Kommentare ab, um euch vor unmöglichen Schüssen zu warnen. Das oben genannte Beispiel mit Dunkelheit und Regen sorgt z.B. natürlich für wesentlich mehr Fehlschüsse. Das gilt aber auch für eure Gegner. Anhand der Umgebung und solcher Variablen könnt ihr also eure Strategie anpassen. Und da gibt es einige Möglichkeiten.
Ausprobieren ist euer bester Freund
Gefundene Waffen können nämlich angepasst werden, Material vorausgesetzt. Ein neues Zielfernrohr oder ein kürzerer/längerer Lauf haben dabei Einfluss auf die Statistiken eurer Waffen. Das kann dann dabei helfen riskante Schüsse vielleicht doch zu treffen. Beim Angreifen dürft ihr euch zudem auch aussuchen auf welchen Körperteil ihr zielt. Wer die Hände des Gegners trifft kann so z.B. dafür sorgen, dass diese danach nicht mehr so gut zielen können. Und Kugeln in den Kopf machen natürlich mehr Schaden, haben aber eine niedrigere Trefferwahrscheinlichkeit,
Wem das nicht reicht, der kann auch noch auf verschiedene Explosivwaffen wie Rohrbomben oder C4 zurückgreifen. Hier kann aber, genau wie beim Schießen, einiges Schiefgehen und wer die Bombe neben sich fallen lässt, lädt entweder einen Spielstand neu oder lebt mit den Kollateralschäden. A propos Kollateralschäden: Auch Deckungen können gezielt oder per Zufall durch Abpraller, Explosionen oder Fehlschüsse zerstört werden. Wer dabei auf einem Wellblechverschlag steht, der zusammenbricht, bekommt dann auch dementsprechend Schaden. Viele dieser Möglichkeiten bekommt man eher nebenbei mit. Denn leider beschränken sich das Tutorial bzw. die Hilfen im Spiel auf Popups und Text. Diese erklären zwar einzelne Elemente relativ gut, aber wer sich selbst durch alle Menüs und Möglichkeiten klickt, wird mehr vom Spiel haben. Es gibt in Summe also einiges an Möglichkeiten zu beachten und man sollte jeden seiner Schritte gut überdenken. Zum Schluss gilt aber Probieren geht über Studieren.
Zieht die Bevölkerung auf eure Seite und nutzt die Macht der Quicksavefunktion
Dasselbe gilt auch für die Entscheidungen auf der Landkarte und beim Umgang mit den Einwohnern von Grand Chien. Wer einem befreiten Dorf im Zuge einer Quest ein altes Maschinengewehr zukommen lässt, erhöht damit drastisch die Chance, dass das Dorf nicht zurückerobert wird. Auch das Ausbilden von Milizen oder das Überlassen von anderen Waffen schützt die Dörfer. Hierbei bietet sich auch die Möglichkeit selbst mit zu verteidigen, wenn man vor Ort ist. Das Autoresolve Feature tut aber hier gute Dienste. Im Gegensatz dazu verhalten sich die Milizen eher dumm, wenn man selbst tätig wird und steckt größere Verluste ein. Auch Einflussnahmen im Dialog, ob z.B. ein Dorfverräter umgebracht wird oder nicht, haben einen Einfluss auf die Loyalität der Bewohner. Dabei bekommt man eventuell auch wichtige Details und Geheimnisse für die umliegenden Landstriche zu hören, wodurch man z.B. einen taktischen Vorteil erhält oder zu mehr Geld kommt. Und das ist bitter nötig.
Jagged Alliance 3 warnt euch nämlich schon zu Beginn, dass im normalen Schwierigkeitsgrad die reale Chance besteht, dass euch das Geld ausgeht. Kombiniert mit dem durchweg hohen Schwierigkeitsgrad, waren wir sehr froh, dass wir Quicksave und Quickload zur Verfügung hatten. Auch das Autosavefeature speichert an sinnvollen Stellen. Absolute Experten des Genres können sich diese Möglichkeit aber zu Beginn wegnehmen und müssen dann eventuell einen ihrer Söldner zu Grabe tragen, weil ein Granatenwurf doch schiefgegangen ist. Aber auch ohne Pech ist das Spiel sehr, sehr anspruchsvoll und zieht daraus aber auch seinen Reiz. Bereits der erste Schwierigkeitsgrad „First Blood“ fordert Anfänger genug. Wer sich dann noch an „Commando“ und „Mission Impossible“ herantraut, sollte wirklich wissen was er tut. Um die Auswirkungen etwas abzuschwöchen kann man noch die Option des „Forgiving Mode“s dazu selektieren, bei dem man etwas mehr Geld bekommt und Heilen sowie Reparaturen kürzer dauern.
Auch bei der Präsentation kann Jagged Alliance 3 überzeugen
Auch in Sachen Audio und Grafik hat Haemimont Games einiges richtig gemacht. Wie bereits erwähnt sind die Synchronsprecher im Englischen hervorragend und alle Söldner bringen ihre eigenen Sprüche mit. Das verleiht der eigenen Truppe Charme und Leben und sorgt für eine dichte Atmosphäre. Auch die Questgeber und Hautpfiguren der Story wissen zu überzeugen.
In Sachen Grafik gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Egal ob Wüstengegenden, Städte, Bunker oder Dschungel, alle Gegenden sind glaubwürdig und detailreich gestaltet. Auch Explosionen und der Zerfall von z.B. zerstörter Deckung geben genug Feedback für die eigenen Aktionen. Da die Kämpfe auf unterschiedlichen Ebenen/Stockwerken stattfinden, bietet das Spiel auch die Möglichkeit auf die verschiedenen Ebenen zu schalten. In Kombination mit der freibeweglichen Kamera hat man hier die volle Kontrolle. Auch die Hilfslinien für Sicht oder Flugkurven von Wurfgeschossen integrieren sich gut ins Spiel. Nur selten gibt es bezüglich der Darstellung Kritikpunkte. Ein Beispiel dafür wären die Tretminentimer, die wirklich winzig und leicht zu übersehen sind.
Negativ aufgefallen ist uns zudem die zu Beginn manchmal nicht ganz intuitive Steuerung. Zum Beispiel lässt einen die Standardeinstellung im Echtzeitmodus die Söldner mit Rechtsklick umherschicken. Im Rundenmodus ändert sich das aber auf Linksklick. Das kann man im Optionsmenü jedoch umändern. Auch die fehlende Möglichkeit im Echtzeitmodus zu pausieren, um seine Söldner parallel steuern zu können verwundert, in einem Spiel, dass soviel Wert auf Taktik legt. Kleinere technische Probleme auf die wir gestoßen sind, sind den Entwicklern bekannt und es wird auch einen Day 1 Patch geben. Wir hatten aber ansonsten nie größere Probleme oder Crashes.
Zu guter letzt sei noch erwähnt, dass JA3 einen Online Co-op Modus zur Verfügung stellt, bei dem beide Parteien im Spiel voranschreiten, wenn sie das möchten, da sie die Autosaves der Session laden können. Leider konnten wir diesen Part noch nicht ausprobieren, aber wenn man den Entwicklern glauben darf (siehe DevDiary13 der Entwickler), sollte das Ganze nahtlos funktionieren. Ein außerdem sehr geschickter Schachzug der Entwickler ist die native Mod Unterstützung. Kurz nach Release sollen Entwicklertools für Maps, Söldner, Waffen und Quests zur Verfügung gestellt werden. Jagged Alliance 2 hatte seine Langelebigkeit unter anderem der Modding Szene zu verdanken und darauf scheint man hier auch zu setzen. Es bietet sich die Möglichkeit eine aktive und lebendige Community für den dritten Teil aufzubauen und dadurch die Lebensdauer des Spiels signifikant zu erhöhen.
Fazit
Jagged Alliance 3 liefert endlich den Nachfolger, den Jagged Alliance 2 seit Jahren verdient hat. Man merkt dem Spiel durchweg an, dass hier Fans des Vorgängers angesprochen werden sollen. Das beginnt beim Einsatz der stereotypen Actionfilmklischees und reicht bis zum anspruchsvollen Schwierigkeitsgrad klassischer Rundenstrategie. Ein ausführlicheres Tutorial, dass einen etwas mehr an der Hand nimmt, wäre dabei schön gewesen, um auch absolute Beginner etwas abzuholen. Wer sich aber reinbeißt oder bereits Erfahrung mitbringt, hat ein exzellentes Rundenstrategiespiel zur Verfügung, dass zudem einen Online Co-op Modus bietet. Auch die Wiederspielbarkeit dank verschiedener Herangehensweisen pro Kampf und unterschiedlicher Entscheidungen in Dialogen ist gegeben. Und es besteht eine gute Chance, dass sich eine aktive Mod Community bildet, da nativ Modsupport eingebaut wurde.
Positiv
- Starke englische Sprecher sorgen für eine atmosphärische Umsetzung
- Ansehnliche Grafik und glaubwürdige Darstellungen der verschiedenen Gebiete
- (Sehr) anspruchsvolle Taktikgefechte
- Viele Möglichkeiten Kämpfe zu lösen
- Online Co-op
- Nativer Modsupport
Negativ
- Tutorial etwas dürftig
- Anfänger werden von den Optionen und dem Schwierigkeitsgrad zu Beginn etwas erschlagen
- Keine Pausenfunktion im Echzeitmodus
- Keine deutsche Sprachausgabe
- Der von Klischees triefende Humor des Spiels ist Geschmackssache