Als Lies of P im Jahr 2021 erstmals vorgestellt wurde, verglich es so ziemlich jeder mit Bloodborne. Es war leicht zu erkennen, da die dunklen, von Horror erfüllten Straßen von Krat mehr als nur ein paar Ähnlichkeiten mit den blutüberströmten Straßen von Yharnam aufwiesen. Die Inspirationen sind von Anfang an klar, aber ein so hoch angesehenes und beliebtes Spiel wie Bloodborne zu imitieren, birgt immer die Gefahr, die Erwartungen zu hoch anzusetzen. Ob diese erfüllt werden, erfahrt ihr in unserem Test.
Die Straßen sind gepflastert mit Öl
Fans von Soulslikes werden sich mit Lies of P sofort vertraut fühlen, denn das Spiel hat die gleichen Merkmale wie seine erfolgreichen Vorläufer. Stargazer fungieren als Bonfires, ihr sammelt Upgrade-Ressourcen namens Ergo von getöteten Feinden, es gibt einen knallharten Bosskampf, auf den ihr euch gegen Ende jedes Gebiets stürzen könnt und die Stadt Krat ist voller Geheimnisse, die es zu finden und Abkürzungen freizuschalten gilt. In dieser Hinsicht hebt sich das Spiel kaum von anderen ab, da es sich damit begnügt, seine eigene Ästhetik und Geschichte um bestehende Mechaniken zu drapieren, die von anderen über mehrere Jahre hinweg perfektioniert wurden.
Stattdessen konzentriert sich Lies of P auf den Kern des Soulslike-Erlebnisses und erreicht sein Ziel dabei bereits in den ersten Bereichen. Jeder Schauplatz ist clever gestaltet und man hat sich wirklich Gedanken über die Vielfalt der Gegner und ihre Platzierung gemacht. Man geht ständig zurück, um Abkürzungen zu öffnen, die viel häufiger vorkommen als in einem typischen Souls-Game. Dadurch fühlt sich die Erkundung jedoch viel lohnender an und gibt den Menschen von Neowiz Games die Möglichkeit, ein paar knifflige Begegnungen einzubauen. Wenn man auf einen Feind stößt, der einen komplett überwältigt und die Heilgegenstände aufbraucht, gibt es vielleicht eine Abkürzung, mit der man ihn komplett umgehen kann. Neu gestärkt kann man nun besagten Gegner direkt angehen und fühlt sich nicht unfair in den Rücken gestochen. Doch keine Sorge. Nur weil es bestimmte Aspekte angenehmer gestaltet, macht es euch das Spiel keineswegs einfach.
Pinocchio wurde ordentlich aufgemotzt
Lies of P verlässt zwar nicht die Komfortzone der Soulslike-Reihe, aber es hat einen gewissen Hauch von Originalität. Wenn man stirbt und sein Ergo verliert, wird der Haufen, den man zurücklässt, kleiner, je nachdem, wie oft man beim Versuch, es zurückzuholen, getroffen wird. Das ist zwar nicht die größte Veränderung, aber es sorgt für mehr Spannung, wenn man ein Gebiet erneut durchquert. Ähnlich verhält es sich mit eurer Waffe, die sich relativ schnell abnutzt, wodurch ihr weniger Schaden anrichtet, wenn sich der Zustand der Waffe verschlechtert. Allerdings ist P mit einer Mini-Bandschleifmaschine ausgestattet, mit der ihr eure Waffe im Handumdrehen und sogar mitten im Kampf reparieren könnt. Das ist ein kleines Extra, das ein bisschen Überlegung erfordert und sich gut in den Spielfluss einfügt. Dieses kann später sogar noch eure Waffe mit netten Buffs wie einer Gift-Verzierung ausstatten. Generell hat P wirklich ein ansehliches Arsenal und kann einiges davon anpassen.
Eure Waffe zum Beispiel besteht, bis auf spezielle Boss-Waffen, immer aus Griff und Klinge. Diese sind mit jeweiligen Skills ausgestattet und bieten natürlich auch eine Skalierung mit euren Werten an. Cool ist, dass ihr diese beiden Elemente beliebig kombinieren könnt und so sehr schicke neue Angriffe möglich sind. Ein Kurzschwert-Griff mit riesigem Schraubenschlüssel am anderen Ende ist so kein Problem. Leider verbauchen die sehr netten Skills immer etwas, was sich Fable nennt. Dies kann durch Angriffe und erfolgreiches Blocken aufgefüllt werden, doch sollte man diese schon etwas sparsam einsetzen, da deren Aufladung dauert. Apropos, es gibt genretypisch auch wieder eine Art Estus-Flakon, der anders als noch in Bloodborne zum Glück immer wieder von alleine aufgefüllt wird. Neu dabei ist, dass wenn alle davon aufgebraucht wurden, ihr euch eine Flasche immer wieder durch Angriffe und Konter aufladen könnt, genau wie beim Fable. So belohnt euch das Spiel für eure Spielweise direkt. Zusätzlich dazu gibt es noch einen großen Fokus auf perfekt getimtes Blocken. Schafft ihr dies nämlich, erleidet ihr keinerlei Schaden, verpasst ihr den Moment etwas habt ihr aber ebenfalls noch die Möglichkeite euch Leben durch direkt danach folgende Angriffe zurückzuholen. Somit liegt der gesamte Fokus in Lies of P auf angriffsorientiertem und schnellem Gameplay, bei dem zwar auch die Ausweichrolle sehr hilfreich bleibt, euch aber weniger Vorteile bringt. Doch worum geht es eigentlich?
Die Reise zum Menschsein steckt voller Lügen
Lies of P spielt im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert der Belle Époque in Europa in einer Stadt namens Krat. Die Stadt Krat war einst ein wunderschöner Ort, der sich jedoch aufgrund einer tödlichen Seuche in eine lebende Hölle verwandelt hat, die von unaussprechlichen Schrecken erfüllt ist. Krat ist eine düstere Stadt, in der sich zahlreiche Automatons in den Straßen, auf den Dächern, in den Gassen und in den Gebäuden tummeln. Zu Beginn eures Abenteuers in Lies of P schlüpft ihr in die Rolle des Puppen-Mechanoiden Pinocchio, der in einem verlassenen Bahnhof erwacht und nicht weiß, woher er kommt und was seine Aufgabe ist. Wie wir alle die berühmte Fabel von Pinocchio kennen, schnitzte Geppetto eine hölzerne Puppe namens Pinocchio und wurde von der Blauen Fee besucht, die Geppettos Wunsch erfüllte, indem sie die Puppe in ein lebendiges Wesen verwandelte, das heißt, Pinocchio macht sich auf den Weg, um sein Ziel zu erreichen, ein echter Junge zu werden.
In Lies of P weiß Pinocchio nicht, wer Geppetto ist, aber eines weiß er, als er den Zettel liest, der für ihn hinterlassen wurde: Er muss Geppetto finden, und auf seiner Reise wird er seine Identität, seine Fähigkeiten und seine Bestimmung kennen lernen und schließlich sein Ziel erreichen, ein echter Mensch zu werden. Aber es liegt dabei an euch, wie ihr Pinocchio führen werdet. Denn es gibt immer wieder Entscheidungen, bei denen ihr bestimmt, ob ihr lügen oder die Wahrheit sagen wollt. Jede Lüge hat dabei ein mysteriöses Reagieren der Federn im Körper von Pinocchio zur Folge, was nicht unbeachtet bleiben sollte. Ebenso könnt ihr zum Beispiel Schallplatten finden und diese im Hotel Krat, eurem Unterschlupf, anhören um eine ähnlichen Effekt auf dem Weg zum Mensch zu beschwören. Das verleiht dem ganzen Spiel einen schönen Grad an Mysterium und gepaart mit der sehr düsteren und dennoch frischen Atmosphäre hat es uns wirklich sehr gut gefallen immer tiefer in das verzwickte Netzwerk rund um Gepetto, die Puppen und anderen Monstrositäten einzutauchen.
Selten war die Verderbnis so schön
Doch bleiben wir kurz im Hotel. Dies ist quasi euer Nexus in welchem ihr nicht nur bei Sophia aufleveln könnt, sondern auch allerlei Mitstreitet bzw. Weggefährten sammelt. Sei es der schrullige Venigni, der auch beim Aufsrüsten eures Legion-Armes hilft oder ein neuer Händler, der euch aus Boss-Items neue Waffen zaubert. In Gepettos Zimmer lassen sich gesammelte Quarze in neue P-Organs investieren, die euch mehr Heiltränke oder eine zweite Ausweichrolle sowie eine Rolle nach einem Niederschlag bieten, wobei letzteres unserer Meinung nach nicht hinter einem Upgrade versteckt sein sollte. Daneben lauscht ihr natürlich auch allerhand Gesprächen, die die Lore mit neuen Infos füttern. Uns hat der Vergleich mit From Softwares Titeln auch hier nicht losgelassen, aber auch wenn es in allen Punkten sehr daran erinnert, so empfanden wir dies nie als eine billige Kopie, sondern eine Hommage mit genug eigenen Ideen und Designs, die dem Spiel genug Eigenständigkeit geben.
Denn eines was Lies of P wirklich absetzt ist die wunderschöne Optik. Die Unreal Engine 4 holt hier nochmal alles raus und bietet neben tollen Lichteffekten wirklich oppulente Umgebungen. Zwar trüben ein paar dunkle, braune Slums hin und wieder diesen Eindruck, aber wenn dann ein in weiß gehülltes Schloss mit ebenso hübschen Gegnertypen auftaucht, ist man doch direkt wieder begeistert. Und unterstützt wird dies auch immer wieder mit passenden Musikstücken. Ein imposantes Amphitheater mitten in der Stadt und es läuft klassische Musik, während ihr eure Waffe in Öl tränkt. Das hat einfach was. Es bleibt übrigens nicht lange nur bei den mechanischen Puppen, was nach der Demo eine unsere Befürchtungen war. Schnell kommen hier außerirdische Abwandlungen und monströs verformte Alternativen hinzu, die immer wieder für unschöne Überraschungen sorgen. Sei es, dass sie doch wieder aufstehen oder euch aus einer hinteren Ecke anfallen und langsam das Gehirn weglutschen. Je weiter ihr im Spiel und je näher ihr an die Wahrheit um die Geschehnisse kommt, desto grotesker wird es. Einfach wunderbar.
Rollenspiel oder Block-Party?
Doch bei all dem Lob müssen wir auch etwas meckern. Die ganzen Belohnungen im Gameplay sind zwar super, aber das Timing des Blockens fiel uns wirklich teilweise schwer, da viele Gegner sehr schwierig zu antizipierende Movesets haben. Da kann ein Riese mit Klinge schon mal in einer halben Sekunde zuschlagen, nur um den nächsten Schlag dann ewig hinauszuzögern, während wir schon mehrfach versucht haben zu blocken. Es fühlt sich einfach nicht ganz so organisch wie das Kontern in Bloodborne an, was auch sicher mit unserem Muscle Memory zu tun und mit der Zeit im Spiel definitv besser wurde. Aber bei jedem neuem Gegner fiel uns dies eben doch wieder negativ auf, da man diese dann schon minutiös wieder „lernen“ muss, um wirklich gut blocken zu können. Natürlich rollt man da einfach lieber aus dem Weg und besiegt die Widersacher so, aber besonders spätere Bosse betrafen dies gerne, sodass man sich schon mit der Block-Mechanik anfreunden muss. Das hat sich auch in Sekiro einfach besser und intuitiver angefühlt, besonders da es durch eine extra Leiste für Gegner und einem selbst klar definiert wurde. Etwas was da in Lies of P ähnelt ist ein weißes Schimmern des Gesundheitsbalkens, worauf ihr diese mit einem starken Angriff ind Taumeln bringt und frei macht für einen Finisher. Nur leider ist das Zeitfenster dafür nicht sehr groß, ihr müsst also schnell agieren.
Multiplayer gibt es im Spiel übrigens nicht, doch Hilfe könnt ihr euch für die Bosse dennoch immer direkt davor herbeirufen, vorrausgesetzt ihr habt genug der Items dafür. Diese bekommt ihr etwas ab der Hälfte des Spiels aber zum Glück auch für lau im Hotel Krat, müsst nur immer zehn Minuten warten, dass diese auch spawnen. Warum diese dann nicht direkt immer eingesetzt werden können und an ein Zeitlimit gebunden sind, haben wir nicht ganz verstanden. Cool dabei ist, dass ihr diese Gehilfen für die Bosskämpfe mit einem Item sogar noch verstärken könnt. Eine Art Würfel bietet dafür anpassbare Aufladungen, die neben Heilungen auch Blitz-Aufladungen oder Explosionen beim Berühren sein können.
Fazit
Lies of P bringt neben einer hervorragenden Atomsphäre, toller Optik und dem coolsten Pinocchio jemals auch genug Eigenheiten in Sachen Gameplay mit. Es setzt sich gekonnt von seinen Vorlagen ab und ist für uns das wahrscheinlich beste Soulslike, was nicht direkt von From Software kommt. Lediglich das gewöhnungsbedürftige Blocken und manche Mechaniken halten das Spiel wirklich zurück.
Lies of P erscheint am 19. September 2023 für PC, Playstation 5 & 4, Xbox Series und Xbox One.
Positiv:
+ großartige Ästhetik und Präsentation
+ Überraschungen in der Story
+ musikalisch unverbraucht und top
+ belohnende Kampfmechaniken regen zur Offensive an
+ viele Anpassungsmöglichkeiten
+ versteckte Interaktionen und Lore wie im großen Vorbild
Negativ:
– Block-Mechanik fühlt sich nicht immer organisch an
– teilweise unfaires antizipieren der Gegnermoves nötig
– Features wie Rollen nach Niederschlag müssen erst freigespielt werden