Review: Inkulinati – Handgezeichnet, irrwitzig motivierend und taktisch

Ich war tatsächlich nicht darauf vorbereitet, was für eine wunderbar bescheurte Welt mich erwartet, als ich Inkulinati spielte, das mittelalterliche Strategiespiel über die seltsamen Kritzeleien, die alte Manuskripte zieren. Das polnische Studio Yaza Games hat eines der einzigartigsten Strategiespiele entwickelt, die mir je begegnet sind. So spaßig Inkulinati auch ist, so ist es natürlich dennoch für ein Nischenpublikum gemacht und hat auch den einen oder anderen nervigen Punkt. Doch mehr dazu in unserem Test.

Mittelalterliche Absurditäten

Das von Yaza Games entwickelte und vom deutschen Strategiespezialisten Daedalic Entertainment veröffentlichte Inkulinati ist ein Spiel über Marginaltafeln. Für die glücklichen Unwissenden unter uns: Es geht um die faszinierenden Kritzeleien und Zeichnungen, die von Schreibern an den Rändern mittelalterlicher Dokumente angefertigt wurden. Diese Zeichnungen sind herrlich skurril und diese Absurdität ist einer der Gründe, warum Inkulinati Spaß macht. Wenn überhaupt, dann musste Yaza die Dinge wohl manchmal ein wenig abmildern, denn es hätte tatsächlich noch irrer werden können. (Stichwort Dick-Tree). Es sind diese Zeichnungen, die das Design von Inkulinati inspiriert und beeinflusst haben und Yaza hat wirklich sehr gute Arbeit geleistet, indem es den Geist des Ausgangsmaterials eingefangen und in etwas Einzigartiges verwandelt hat. Wir alle haben schon viele rundenbasierte Strategiespiele gespielt, aber um Inkulinati gegenüber fair zu sein, ich habe noch nie eines gespielt, das so gut funktioniert hat. Die Einzigartigkeit des Spiels ist meiner Meinung nach auch die Ursache für sein größtes Manko und das ist der Einführungsprozess.

I see what you did there

Es hat nämlich einige Stunden gedauert, bis ich mich wohl genug gefühlt habe, um jemand anderem die Spielmechanik zu erklären. Doch man wird wunderbar an die Hand genommen und jeder sollte anfangs die gleiche Lernkurve haben. Denn es gibt ein zweistündiges Tutorial und dann wird vieles von dem, was man gelernt hat, in der frühen Kampagne wiederholt. Inkulinati sieht wie ein leichtes und spielerisches Strategiespiel aus, was es meiner Meinung nach für viele Leute attraktiv macht, die so etwas normalerweise nicht versuchen würden. Es gibt tatsächlich viel mehr zu tun, als die flammenwerfenden Bauernhoftiere vermuten lassen. Neben der Lernkurve ist die größte Abweichung von der Tradition die vielschichtige Struktur der Levels. Inkulinati spielt sich auf einer 2D-Ebene ab. Es gibt überall Leitern und Vorsprünge, von denen man einen Gegner in den Tod herunterstoßen kann. An diesen Aufbau muss man sich erst einmal gewöhnen, vor allem wenn es um die Push- und Pull-Mechanik geht.

Die Entscheidungen sind hierbei zwar häufig egal, aber witzig sind sie dennoch.

Verrücktheit trifft gekonnt auf taktischen Ernst

Die Levelstruktur bietet einzigartige Möglichkeiten, lästige Feinde auszuschalten und die Positionierung der Einheiten ist hier genauso wichtig wie in XCOM, vielleicht sogar noch wichtiger. Es gibt nicht nur Leitern, um die verschiedenen Ebenen zu erreichen, sondern auch Türen, explosive Fallen, Verstecke und Spawn-Punkte, die zerstört werden müssen. Ihr müsst ein Gleichgewicht zwischen euren Nahkampfeinheiten und einer gewissen Feuerkraft aus der Ferne herstellen, indem ihr sowohl Bogenschützen als auch Speerträger bereithaltet, um Einheiten über und unter euch zu erschießen und zu erstechen. Die Platzierung der Einheiten ist dabei stets der Schlüssel zu eurem Erfolg auf dem Schlachtfeld. Zu diesem Zweck hat Yaza Games eine breite Palette an taktischen Optionen entwickelt, die ihr erkunden könnt. Denn auch die zeichnende Hand dient beispielsweise als Hilfsmittel und kann per Fähigkeit eure Einheiten heilen oder einem Gegner eben einen Treffer verpassen. Von schwertschwingenden Hasen, Bischofskatzen bis hin zu den Fischbogenschützen, die mit dem letzten Inhaltsupdate hinzugefügt wurden, gibt es ein Werkzeug für jede Aufgabe. Doch insgesamt könnt ihr nur eine Gruppe von fünf Einheiten in jede Schlacht mitnehmen, neben eurer Haupteinheit.

Das Gekritzel oben beschreibt übrigens eure bisherigen Züge, was ein wirklich cooles Feature ist.

Ihr Kader tödlicher Tierkrieger wird von einem sogenannten Winzling unterstützt. Das ist eure Haupteinheit und wenn ihr sie verliert, ist das ein sofortiger KO. Sie sind zwar eine wichtige Schwachstelle, aber diese charakterstarken Einheiten haben ihre eigenen Spezialfähigkeiten, die sie von gewöhnlichen Schergen unterscheiden. Eine ihrer Hauptfähigkeiten ist zum Beispiel die Fähigkeit, Einheiten in der Nähe – egal ob Freund oder Feind – in den nächsten freien Raum (und oft über die Kante eines Vorsprungs) zu schleudern. Dies ist wichtig wegen der Tintenpunkte, die in jedem Level verstreut sind. Sie sind unterschiedlich stark, funktionieren aber alle gleich: Wenn ihr auf einem dieser Punkte steht, erhält euer Winzling zwischen 1 und 3 Tinte, die er für neue Einheiten auf dem Schlachtfeld ausgeben kann. Wenn man genügend Einheiten auf diesen wertvollen Punkten auf der Karte parkt, erhält man Gesundheitsboni und kann sparen, um wertvollere und damit stärkere Einheiten auf das Spielfeld zu bringen.

Kurze FMV-Sequenzen stellen euch mitunter die Charaktere vor.

Eine irre Roguelite-Reise erwartet euch

Das Hauptereignis ist der Journey-Modus für Einzelspieler, der auf verschiedenen Schwierigkeitsgraden gespielt werden kann. Als Roguelike-Kenner wisst ihr wahrscheinlich schon, wie das Spiel aufgebaut ist. Für jedes Kapitel eures Abenteuers gibt es eine Reihe von Kämpfen und Ereignissen, die auf einer Karte miteinander verknüpft sind, und ihr müsst euch von links nach rechts durcharbeiten und am Ende gegen die vorher genannte Figur, quasi eine Art Boss, kämpfen. Dabei geht es dann nicht nur um die rundenbasierte Strategie, sondern auch um erzählerische Aspekte. Diese sind jedoch nicht der Star der Show, auch wenn da viele bekloppte Ansätze und Dialoge dabei sind. Die denkwürdigsten Momente des Spiels sind eher zufällig und passieren während des Kampfes. Wenn ihr zum Beispiel auf einem Manuskript als Map spielt, wird nach jedem Zug die Kampfabfolge in altertümlicher Schrift über euch darin niedergeschrieben, was einfach klasse ist. Umso schader ist es dann, dass es keinen Online-Multiplayer gibt, doch vielleicht kommt dieser ja noch.

Im Journey-Modus geht es in klassischer Roguelite-Manier an verschiedenen Knotenpunkten vorbei.

Es kann dabei natürlich nicht mit größeren Titeln mithalten, aber als Indie mit unglaublich tiefgehenden Kämpfen muss es das auch gar nicht. Doch bedauerlicherweise sind das Layout der Karte und die Vielfalt der Ereignisse nicht so ausgefeilt wie das Kampfsystem. Die meisten Knotenpunkte auf der Karte werden von Anfang an aufgedeckt und ein großer Teil von ihnen sind Kämpfe. Auch wenn es ein paar Fragezeichen auf einem Pfad gibt, ist es meist besser, sich für einen Kampf zu entscheiden, wenn man weiß, welche Art von Belohnung man bekommen wird. Bei den anderen Knotenpunkten handelt es sich in erster Linie um Läden, Schankwirtschaften und Skriptorien, die die gleichen Buffs mit den gleichen Optionen bieten, egal wann man sie aufsucht. Für einige dieser Optionen ist außerdem ein gewisses Maß an Prestige erforderlich, was die Auswahlmöglichkeiten im frühen Spiel einschränkt, da man ohne Prestige beginnt. Ein weiteres Problem des frühen Spiels ist die Stumpfsinn-Mechanik, die die Beschwörungskosten von Einheiten, die man im Kampf gezogen hat, vorübergehend erhöht. Dies soll euch dazu ermutigen, für jeden Kampf ein anderes Team von Bestien zu verwenden und das ist auch gut so, sobald du etwa acht Einheiten zur Auswahl hast. Aber zu Beginn des Spiels hat dein Team nur drei oder vier Mitglieder, so dass du keine andere Wahl hast, als den Stumpfsinn zu ertragen.

Es gibt auch lustige Talente für eure Hand, die auch mal gerne einem Gegner eine verpasst.

Fazit

Inkulinati bietet total bekloppte Charakterdesigns, die so aber von bereits bestehenden Marginaltafeln übernommen wurden. Was es damit macht, ist ein unglaublich süchtig machendes Taktik-Abenteuer zu schaffen, das viel Tiefe und Möglichkeiten bietet, wunderbar charmant aussieht und nur bei den Roguelite-Elementen des Journey-Modus und fehlenden Modi wirklich etwas abfällt.

Solo Wertung

Inkulinati ist für PC, PlayStation, Switch und Xbox verfügbar.

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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