Review: Cities Skylines 2 – Sim City war vorvorgestern

Man mochte es kaum glauben, aber Electronic Arts hat die Marke Sim City 2013 mit dem selbstbetitelten Ableger effektiv zerstört. Doch auf diesen Ruinen konnte Cities Skylines 1 als Nachfolger von Cities in Motion 1 und 2 erfolgreich eine begeisterte Community aufbauen. Und diese Community bekommt nun von Entwickler Colossal Order und Publisher Paradox Entertainment einen zweiten Teil mit Cities Skylines 2! Wir haben uns daher die PC Version angeschaut. Konsolenspieler auf PS5 und XBox Series X|S müssen sich aber noch gedulden, denn dort ist der Entwickler mit der Qualität noch nicht zufrieden. Daher wurde der Release hier auf das Frühjahr 2024 geschoben.

Aller Anfang ist… lesen

Fangen wir mit etwas an, was uns nicht so gut gefallen hat. Cities Skylines 2 hat kein wirkliches Tutorial. Man beginnt mit der Auswahl einer von zehn Maps, ein paar Einstellungen (z.B. Budget oder unlimitiertes Geld) und dann steht man fast allein auf weiter Flur. Das Mini-Tutorial poppt als Textbox auf und erläutert einem den Bau von Straßen, der Elektrizitäts- bzw. Wasserversorgung und dem Zoning (Zuweisen von Bauflächen). Abseits dieser Grundlagen, gibt es einfach nur weitere Popups. Bei Filtern, Baumenüs, dem Budget, den Statistikdarstellungen usw., egal wo man hinklickt, es gibt (abschaltbaren) Erklärungstext.

Cities Skylines 2 Mapauswahl

Hier wäre ein dezidiertes Tutorial mit Übungsszenarien wahrlich Gold wert gewesen, denn das Spiel ist als Sandbox angelegt und nimmt einen wenig an der Hand. Das Ausprobieren macht natürlich auch sehr viel Spaß, aber nicht jeder ist gewillt viel Zeit in Lesen zu investieren, um sich die wichtigsten Fakten selbst herauszuholen. Doch wer diese Zeit investiert, wird belohnt.

Ich mache mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt

Das Grundprinzip ist nämlich durchaus simpel, wie fesselnd, geht aber bald in die Tiefe. Zu Beginn werden die Strom- und Wasserversorgung (dessen Leitungen gottseidank bei fast jedem Straßentyp dabei sind) sichergestellt und dann legt man Wohn-, Industrie- und Dienstleistungszonen fest. Wenn es dann noch Bedarf nach solchen gibt, sieht man binnen kürzester Zeit Kräne, die kleine Häuser, Lagerhallen und Büros errichten. Dabei sollte man darauf achten, dass wohl keiner neben einem rauchenden Fabrikschlot wohnen möchte und man evtl. die Schwerindustrie nicht direkt über dem Quellwasser vorkommen ansiedeln sollte.

Wenn man diese ersten Hürden mit Hilfe der Textboxen oder dem gesunden Menschenverstand erklommen hat, hat man schon eine erste kleine Siedlung vor sich. Wer sich die Mühe macht und auch mal Kurven und Schnörkel in sein Straßennetz einbaut, kann hier realistisch wirkende Stadtplanung betreiben. Hardcore Optimierer dürfen aber natürlich alles im 90° Winkel und mit Geoengineering Tools anpassen.

Für alles was man baut und tut, bekommt man dann auch Erfahrungspunkte, die dafür sorgen, dass man weitere Gebäude und neuen Bauplatz mit extra Tokens kaufen kann. Gleichzeitig bekommt man aber auch direkt neue Optionen freigeschaltet, wie z.B. dichter besiedelte Wohnzonen. Wer von Anfang an gleich alles haben möchte, kann aber auch bei der Kartenauswahl einen Haken setzen, der dieses Element des Levelns streicht. Für erstmaliges Spielen ist aber der langsamere Aufbau, mit eingeschränkten Möglichkeiten, wesentlich besser geeignet.

Steuern mit Steuern

Ein guter Bürgermeister muss sich aber auch um die Finanzen kümmern. Und dazu kann man natürlich Steuern anpassen, überschüssige Ressourcen exportieren oder auch das Budget für Bildung kürzen. Diese Aktionen haben dann längerfristige Auswirkungen, denn wer an den falschen Stellen spart, kann sich damit natürlich an anderen Ecken Probleme einhandeln. Ohne Polizei gibt es mehr Kriminalität, eine unterfinanzierte Feuerwehr hat wenig Spaß bei einem Waldbrand und wer nicht in Bildung investiert, wird wohl keine Techfirmen anlocken können, ganz zu schweigen von Atomphysikern, die ein Kernkraftwerk am Laufen halten können. Und wir durften auch feststellen, dass es wenig nutzt eine Universität in eine Stadt zu stellen, in der die Jugend nicht genug Grundschulen und Highschools zur Verfügung hat.

Dieses Thema der mannigfaltigen Optionen zieht sich durch alle Bereiche der Stadtplanung. Strom kann z.B. aus Wasser, Wind, Kohle oder Kernenergie gewonnen werden. Um Müllprobleme kümmern sich die Arbeiter einer Mülldeponie, Müllvberbrennung oder Recyclinganlage. Für den öffentlichen Nahverkehr kann man Busse, Tram oder die Ubahn verwenden. Dabei setzt man auch jede Busstation selbst in die Stadt und bestimmt durch die Verbindung derselben die Routen. Eine Automatik gibt es hier leider nicht und man muss sich tatsächlich Gedanken machen, wie man seinen Verkehr denn leiten möchte. Und natürlich könnte man auch einen Stadtteil abgrenzen und dort Schwerverkehr verbieten, aber das könnte sich negativ auf die Route zum Industriegebiet auswirken. Durch solche komplexen Zusammenhänge ist man immer beschäftigt, da es selten einen besten Weg gibt, um ans Ziel zu kommen und man natürlich auch verschiedene Optionen kombinieren kann.

Wissen ist Macht

Um aber zu guten Lösungen zu kommen kann man aber auch einfach einmal beobachten. Denn seinen Bewohnern kann man wunderbar beim Herumfahren bzw. -Laufen zuschauen und optisch z.B. hohe Verkehrsaufkommen festmachen. Wem das nicht genügt oder andere Kriterien begutachten will, der kann sich eine Vielzahl an Overlays anschalten. Mit diesen können unterschiedlichste Faktoren, wie z.B. die Luftqualität, der Verkehrsfluss oder der Bildungsgrad der Stadt überblickt werden. Die Optionen erschlagen hier einen zu Beginn, aber nach kurzer Zeit weiß man, wo welche Information zu finden ist. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verwendung dieser Overlays dann auch bitter nötig.

Cities Skylines 2 Overlay

Denn wenn sich die Bewohner auf der ingame social media Plattform „Chirper“ (absolut keine Verwechslungsgefahr mit X möglich) über zu hohe Kriminalität beschweren, wäre es ja auch gut zu wissen, wo die Probleme bestehen. Dabei kann man einerseits die indivduellen Person hinter dem Tweet verfolgen oder eben den passenden Polizei Overlay verwenden.

Cities Skylines 2 Overlay 2

Leider werden nicht alle Zusammenhänge gut beschrieben bzw. offensichtlich gemacht. An manchen Stellen haben wir uns beispielsweise gefragt, wieso die Grundschule das gegenüberliegende Viertel nun partout nicht bedienen kann. Ob es sich da um Darstellungsfehler, Bugs oder einen nicht von uns erkannten Grund handelt, ließ sich dann selten sagen. Wirklich am Spielspaß gerüttelt hat das aber nicht.

Nur noch zehn Minuten…

Cities Skylines 2 ist einfach schön anzusehen. Es gibt genug Variation in den Bauarten und man hat grundsätzlich die Auswahl zwischen europäischer und nordamerikanischer Optik. Die darf man auch mischen. Ein paar mehr Varianten wären natürlich cool gewesen, um sich z.B. ein kleines Chinatown zu bauen. Trotzdem haben wir uns mehrmals dabei erwischt, wie wir einfach nur unsere Stadt beobachten. Dabei hilft auch der Kameramodus in dem man selbst die Dichte der Wolken und die Uhrzeit einstellen kann, um Panoramavideos seiner Traumstadt zu drehen.

Cities Skylines 2 Nordlichter

Und nicht nur die Optik motiviert zum Verweilen. Auch das Drehen an kleinsten Stellschrauben, um ein Viertel einfach lebenswerter zu machen, kostet einen dann doch noch eine Stunde. Und das, obwohl man gerade noch ins Bett gehen wollte. Aber die vielfrequentierte Straße könnte man doch noch mit einem Ampelsystem und einem Einbahnstraßensystem etwas entlasten. Oder vielleicht sollte man statt zwei Krankenhäusern ein zentrales nur upgraden? Es gibt in jedem Fall immer etwas zu tun. Was man übrigens auch tun sollte, ist das Radio im Spiel abzuschalten. Die Fahrstuhlmusik der drei möglichen Radiosender ist auf Dauer nicht auszuhalten.

Neben besserer Musik wäre das Einzige, was man sich an dieser Stelle noch wünschen würde, Zufallsevents abseits der (abschaltbaren) Katastrophen. Der Besuch eines Rockstars, der mehr Touristen anlockt oder eine Bewerbung für olympische Spiele würden dem Gameplay zumindest Zwischenziele geben. Cities Skylines 2 gibt nämlich nicht wirklich etwas vor, außer das höchste Level der Stadt zu erreichen.

Die hübsche Grafik hat einen Preis – Performancewarnung

Bereits vor Release hat der Entwickler öffentlich deutlich gemacht, dass man mit der Performance des Spiels noch nicht zufrieden ist und noch daran arbeiten wird. Das ist auch bitter nötig. Selbst mit einer Geforce RTX 3080 TI waren 60 FPS auf höheren Auflösungen schlicht nicht zu erreichen. Wir haben deshalb auch einen Work in Progress Patch bekommen, der an diesem Problem geschraubt hat. Von einer vollständigen Entwarnung, können wir daher zwar noch nicht sprechen, aber wir konnten definitiv deutlich flüssiger spielen und die ein oder andere grafische Einstellung hochschrauben, ohne direkt wieder im Frameskeller zu landen.

Cities Skylines 2 Nachbarschaf

Weiterhin sei gesagt, dass ein Spiel wie Cities Skylines 2 nicht zwingend 60+ FPS braucht, um gut spielbar zu sein. Da es keine Situationen gibt in denen präzise und schnelle Klicks notwendig sind und die Framerate zwar niedrig, jedoch stabil war, hatten wir zu keiner Zeit in Sachen Gameplay ein Problem. Wir möchten aber trotzdem eine Warnung aussprechen, dass man die Systemvoraussetzungen wirklich ernst nehmen sollte. Das Versprechen von Colossal Order hier noch nachzubessern, ist aus unserer Sicht jedoch vollkommen glaubwürdig und selbst der noch nicht fertige Performance Patch hat die Situation bereits spürbar entspannt.

Fazit

Cities Skylines 2 ist das Spiel, das uns Sim City nie wirklich geliefert hat. Von der ersten Minute an, macht es Spaß sich seine eigene Stadt zu bauen. Im Vergleich zum Vorgänger machen Komfortfunktionen (z.B. in Sachen Straßenbau) die Bedienung angenehmer, wenngleich die Mods des Vorgängers nun natürlich nicht mehr verfügbar sind. Man wird sich aber auf die Community verlassen können, hier wieder abzuliefern. Das Grundspiel motiviert aber bereits jetzt genug und unsere Kritikpunkte sind hauptsächlich darin begründet, dass es kein vollständiges Tutorial, Missionsvorgaben, Szenarien oder Zufallsevents gibt. Spieler, die ein klares Ziel vor Augen haben wollen, könnten hier den Faden verlieren. Als reiner do-it-yourself Sandkasten ist Cities Skylines 2 aber ein absoluter Volltreffer, der zum Release aber noch mit schlechter Performance kämpft. Colossal Order hat allerdings bereits proaktiv Besserung gelobt und arbeitet bereits daran. Wir hoffen, dass den Worten Taten folgen werden, denn es wäre schade um diesen hervorragenden City Builder.

Positiv

  • Realistisch wirkender Stadtbau möglich
  • Offenes Gameplay mit vielen Wegen zum Ziel
  • Hoher Grad an Komplexität
  • Sandbox Gameplay lädt zum Ausprobieren ein
  • Hochgradig motivierend, da es immer etwas zum Verbessern gibt
  • Riesiges Potential für die Zukunft durch Modsupport

Negativ

  • Die Performance war zu Beginn unterirdisch, aber ein vorab Work in Progress Patch konnte bereits eine deutliche Verbesserung liefern
  • Tutorial nur durch Textboxen
  • Ausschließlich Start von 0 möglich und keine Szenarien
  • Bis auf die Katastrophen keine nennenswerten Zufallsevents
  • Die ingame Radiosender sind reine Fahrstuhlmusik und nicht sehr hörenswert.
  • Manchmal ist nicht ganz klar, warum bestimmte Probleme entstehen
Teilt uns eure Meinung mit

Written by: Steve Brieller

No comments yet.

Leave Your Reply