Nachdem wir bereits eines der größten Level im Spiel exklusiv als einziges Medium aus Österreich in Hamburg anspielen konnten, haben wir endlich die finale Version von Callisto Protocol ausgiebig auf einer PlayStation 5 testen können. Ob der Titel wirklich den extrem hohen Erwartungen gerecht wird, und ob sich vor allem ein Kauf lohnt, könnt ihr wie immer hier im Review nachlesen.
Solide Geschichte ohne große Überraschungen
Wie bereits in unserer Vorschau angedeutet, sah es bereits damals so aus, als würde man sich auch bei der Geschichte stark an Dead Space anlehnen. The Callisto Protocol spielt im Jahr 2320 auf Jupiters totem Mond Callisto und startet im Hochsicherheitsgefängnis mit dem Titel „Schwarzstahlgefängnis“, wo ihr als Jacob Lee die geheimen Machenschaften der United Jupiter Company aufdecken müsst. Neben dem Protagonisten liefert auch Karen Fukuhara als Dani Nakamura im Spiel eine großartige Leistung ab. Die Atmosphäre und vor allem das Motion Capture braucht sich absolut nicht hinter aktuellen AAA-Projekten verstecken und übertrifft manche Titel sogar bei weitem in diesem Bereich. Callisto lebt von seiner Atmosphäre und dem gelungenen Sounddesign.
Was sich leider durch alle Bereiche im Spiel zieht, ist das ständige Gefühl, dass der Titel einfach nur einige Monate mehr an Entwicklungszeit benötigt hätte. Man verfolgt zwar einen roten Faden durch die Geschichte und kann hin und wieder ein paar Abzweigungen nehmen, um den linearen Ablauf zu entkommen und sich mit ein paar extra Ressourcen zu versorgen, aber ansonsten schreibt euch das Spiel einen genauen Pfad vor, von jeder Bewegung bis hin zu den einzelnen Kämpfen dazwischen. Besonders ärgerlich ist dabei, dass viele optionale Pfade eher wie mühsames Backtracking wirken, da ihr immer wieder Sicherungen und andere Elemente von einem Ort zum anderen mitnehmen müsst, um Türen zu öffnen, was den Spielverlauf unnötig stört. Die Spielzeit von gerade einmal 7-9 Stunden wird eigentlich nur durch ein paar verteilte Audio-Logs und langwierige Kletteranimationen in die Länge gestreckt. Das Universum hinter dem Spiel hat definitiv Potenzial für weitere Titel, DLCs und vieles mehr, weil jeder Bereich im Spiel logisch erklärt wird und durchdacht wirkt. Diese Liebe zum Detail hätten man hier im ersten Spiel etwas mehr darauf legen sollen, zuerst diesen ersten Eintrag im Buch von Callisto zu perfektionieren, bevor man sich eine Basis für spätere Inhalte schafft.
Beim Gameplay scheiden sich die Geister
Schon beim Vorschau-Event hatten wir den Eindruck, dass der neue Fokus auf Nahkampf und schnelle Reaktionen die Spielerschaft fordern wird, und viele an ihre Grenzen bringen könnte. An sich kennt man diese Art von Gameplay bereits aus aktuellen Spielen, wie beispielsweise The Last of Us Part 2, aber dort ist es wesentlich besser in die Situationen implementiert und hat gerade beim Kampf gegen mehrere Gegner schnell seine Grenzen. In Callisto Protocol ist es zu einem großen Teil im Spiel essentiell und wird vor allem im letzten Drittel des Spiels dem Spieler zwanghaft aufgedrückt. Natürlich liefert das System ein großartiges Level an Immersion, weil man komplett ohne Hinweise an den Spieler auskommt. Ihr habt keinen großen Button am Screen, den ihr drücken müsst, sondern reagiert intuitiv mit dem Analog Stick nach links oder rechts. Das Spiel sagt einem auch im ersten Tutorial, dass hier kein besonderes Timing relevant ist, nur wird es im späteren Spielverlauf in Kombination mit dem schnelle Einsatz von Waffen zu einem Krampf. Bosskämpfe erfordern ein schnelles Wechseln zwischen diversen Waffen und ihr dürft kein einziges Mal unabsichtlich nur R2 drücken, sonst ist der Kampf sofort vorbei. Man kennt solche Stresselemente, gelöst über eine hackelige Steuerung bereits aus anderen Survival Horror Spielen, aber da würde es meistens durch ein mühseliges Inventar oder langsames Bewegen/Zielen gelöst. Callisto Protocol macht so ziemlich jeden Gameplaybereich zu einer Qual, nur um seine sehr simplen Kämpfe etwas fordernder zu gestalten. Man stirbt nicht unbedingt, weil einen der Gegner besonders ausgetrickst oder überfordert hat, sondern eher weil mal wieder die Animation vom Waffenwechsel zu lange dauert, das Heilen zu lange braucht, man einen Gegner im Dunkeln nicht gut genug am Boden sieht oder man eben nach 20 mal gekonntem Ausweichen, einmal unbeabsichtigt R2 gedrückt hat. Optisch war die Idee wirklich gelungen, um mehr Immersion zu erzeugen, aber in der Praxis endet das System gerade im späteren Spielverlauf eher nur in Frust und Langeweile.
Um nicht komplett von Dead Space abzuweichen, gibt es natürlich auch Fernkampf-Waffen. Hier kann man kaum etwas bemängeln. Die Upgrades der einzelnen Waffen sind wie auch schon im spirituellen Vorgänger gut positioniert und bepreist. Die stärksten Fernkampf-Waffen kommen im späteren Spielverlauf und sind auch für zumindest zwei der finalen Bosse absolut notwendig. Jedes einzelne Upgrade wird euch per 3D-Drucker auf den Gegenstand aufgesetzt und bleibt weiterhin eines der großen Highlights des Spiels. Optisch bietet Callisto laufend viel Liebe zum Detail und man merkt, wo die meiste Energie in der Entwicklung geflossen ist. Wer vor allem die beste Performance inklusive den besten Features erleben will, sollte aber definitiv zur PS5-Version greifen. Die Entwickler halten ihre Fans aktuell seit dem Launch ständig am Laufenden, wie sie mit Patches für die PC-Version vorankommen und erste Vergleiche mit der Xbox-Fassung sehen auch nicht sehr vielversprechend aus. Man merkt, dass hier primär auf PS5-Features geachtet wurde, und die Optimierung fast ausschließlich darauf stattgefunden hat.
Der letzte Feinschliff fehlt
Die vielen gemischten Eindrücke zu Callisto Protocol lassen sich neben der schlechten Performance außerhalb der PS5-Version definitiv auf viele merkwürdige Designentscheidungen und dem letzten fehlenden Feinschliff herunterbrechen. Wie auch schon CD Projekt RED mit Cyberpunk 2077 lernen musste, ist es selbst bei so einer Studiogröße nicht einfach, die Performance bei allen Plattformen zu optimieren. Bei Callisto gehen diese Ungereimtheiten leider etwas weiter ins Kern-Gameplay und Leveldesign, wodurch das eigentlich recht innovative Gameplay und ein paar andere Ideen der Entwickler leider nie voll aufgehen. Trotz der relativen kurzen Spielzeit bekommt man ein ordentliches Survival Horror Erlebnis serviert und genügend abwechslungsreiche Schauplätze, mit einem sehr soliden Cast an Schauspielern. Mit etwas mehr Zeit, um ein paar Fehler auszubügeln, hätte Callisto Protocol das beste Horrorspiel des Jahres werden können. So endet es leider in einem viel zu oft unnötig frustrierenden und uninspierten Spieleerlebnis, welches ständig von gelungenen Momenten zu fragwürdigen Situationen springt. Man will den Titel als Fan von Survival Horror Spielen und gerade Dead Space lieben, wird aber immer wieder dazwischen enttäuscht, was die Entwickler definitiv verhindern hätten können. Dadurch kann man dem Projekt eigentlich allgemein viel vorwerfen, findet aber vor allem laufend kleine Situationen in den einzelnen Levels und Kämpfen, in denen laufend zu viele Unstimmigkeiten zusammen kommen, die den Spielfluss zu stark stören.
Wer dennoch das beste Spielerlebnis genießen will, muss aktuell zur PS5-Version greifen. Wir hatten keinen einzigen Ruckler, Absturz oder Framerate-Einbruch in der gesamten Spielzeit. Es gab nur eine Situation, wo wir den letzten Checkpoint laden mussten, um aus einer Wand zu kommen, und bei einer der unzähligen Todesanimationen geriet Jacobs Kopf unter den Boden. Nachdem die Checkpoints sehr fair gesetzt sind bzw. euch teilweise sogar hin und wieder Gegner skippen lassen, sind solche Kleinigkeiten nicht wirklich erwähnenswert.
Fazit
The Callisto Protocol scheitert trotz einer soliden Gesamtleistung an seinen zu hohen Ambitionen. Man muss dem Studio auf jeden Fall viel zusprechen für die vielen kreativen Ansätze, die hier vor allem im Gameplay versucht wurden umzusetzen, aber leider fehlt es in vielen Bereichen immer wieder am letzten Feinschliff, wodurch gerade das Gameplay zu oft nur in Frust und wiederholenden Abläufen endet. Horror-Fans mit viel Durchhaltevermögen können trotz allem problemlos zur PS5-Version des Titels greifen.
Positiv
+ Atmosphäre und Sounddesign sind absolut großartig
+ Viel Liebe zum Detail in den Uprades und Monsterdesigns
+ Solide Leistung des Casts, trotz fehlender Überraschungen innerhalb der Geschichte
Negativ
– Solide Performance leider nur auf die PlayStation 5 mit aktuellen Patches beschränkt
– Trotz des Fokus auf Nahkampf hebt man sich vor allem bei der Geschichte zu wenig von Dead Space ab
– Ambitionierte Ansätze im Gameplay und Design scheitern laufend am letzten Feinschliff
– Steuerung und Waffenwechsel immens mühselig gestaltet