Solo Review – Eine Liebesgeschichte, keine Star Wars Story

Disclaimer #1: Dieses Review hat nichts mit dem bald erscheinenden „Star Wars“-Film zu tun.
Disclaimer #2: Wenn ihr von Begriffen wie „Gender“ oder „non-binary“ getriggert werdet, wenn ihr Angst vor Gefühlen habt, oder wenn ihr den Begriff „SJW“ ironiefrei verwendet, solltet ihr dieses Review vielleicht nicht lesen.
Disclaimer #3: Ich glaube, ich beginne von nun an jedes meiner Reviews mit mindestens einem Disclaimer. Das wird jetzt mein Ding. Irgendwas gibt es doch immer zu disclaimen.

„Wonderful girl. Either I’m going to kill her or I’m beginning to like her.”

In Solo von Team Gotham geht es um Gefühle, um Beziehungen, um euch selbst und darum, Selfies mit knuffigen Tieren zu machen. Zu Beginn wählt ihr euer Geschlecht sowie das Geschlecht, zu dem ihr euch romantisch hingezogen fühlt. Hierbei freut, dass man auch „non-binary“ als Option hat (hab doch gesagt, ihr sollt das Review lieber skippen) und ihr grundsätzlich relativ queer sein dürft (Optionen und Inklusion, yay). Danach wählt ihr ein rudimentäres Erscheinungsbild (von jung bis alt) und zuletzt entscheidet ihr euch für einen Namen für die von euch geliebte Person. Ich rate dazu, ehrlich mit euch selbst zu sein; Solo schöpft sein volles Potenzial nur dann aus, wenn ihr dazu bereit seid, euer Selbst zu offenbaren. Nachdem ihr eure Entscheidungen getroffen habt, beginnt das Spiel auf einer einsamen Insel. Ausgerüstet mit Kamera und Gitarre steigt ihr in euer Boot und macht euch auf eine Reise ins Land der Fühls™.

„You like me because I’m a scoundrel. There aren’t enough scoundrels in your life.”

Solo nennt sich selbst einen „introspective puzzler“ und es ist diese Introspektion, die im Vordergrund der Narrative des Spiels steht. Die Geschichte (wenn man sie so nennen kann) beschäftigt sich mit euch selbst, eurer Konzeption von Beziehungen, von Liebe, von Romantik, von Sex. Wie sehr euch Solo anspricht hängt also stark von euren persönlichen Erfahrungen ab und von eurer Bereitschaft, euch selbst mit diesen Erfahrungen zu konfrontieren. In regelmäßigen Abständen stellt euch Solo Fragen zu einzelnen Aspekten von Liebe, bspw. ob ihr gerade in einer Beziehung seid, ob ihr monogam seid, ob ihr eine Fernbeziehung führen könntet. So ergibt sich nach und nach ein vollständigeres Bild davon, was und wie ihr eigentlich über die Liebe denkt, was euch wichtig ist, was in der Vergangenheit schief gegangen sein könnte, und vieles mehr. Es kann durchaus sein, dass euch das Ganze direkt ankotzt und ihr euch denkt: „Was für ein prätentiöser Scheiß!“ Oder ihr seid wie ich und denkt euch eher: „Woah, fuck, Zeit sich meinen inneren Dämonen zu stellen!“

„I have a bad feeling about this.”

Neben dem Kampf gegen eure eigene Gefühlswelt, fordert euch Solo zusätzlich mit einigen knackigen Puzzles heraus. Nachdem ich einen relativ seichten Walking Simulator erwartete, war ich angenehm überrascht, dass das Spiel darüber hinaus auch recht ansprechendes Gameplay bot. Euer Ziel bei der Reise durch die Archipels eures Herzens ist das Erreichen zahlreicher Totems, die euch die oben angesprochenen Fragen stellen und euch daraufhin Zugang zu neuen Gebieten gewähren. Um diese Totems zu erreichen müsst ihr verschiedene Blöcke manipulieren, die es euch erlauben, höheren Plattformen zu erreichen, oder durch die Luft zu schweben. Hier ist bei Solo ein wenig Potenzial verloren gegangen: Aufgrund des recht offenen Leveldesigns ist es oft nicht ersichtlich ob eine gefundene Lösung tatsächlich so vorgesehen war oder ob ihr aus Versehen das Spiel ausgetrickst habt. Des Weiteren springt der Schwierigkeitsgrad dieser Puzzles oft überall durch die Gegend, sodass sich selten eine kohärente Schwierigkeitskurve abmessen lässt. Schließlich hat man am Ende des Spieles das Gefühl, dass man mit den durchaus interessanten Mechaniken auch noch viel mehr hätte anstellen können.

Dennoch sei zu sagen, dass sich das Kombinieren der verschiedenen Blockarten, sowie das Lösen der Rätsel stets befriedigend anfühlt, und man in der Regel rasch genug vorankommt, um Frust zu vermeiden. Ausnahme: Es gibt ein einziges Rätsel, in dem einer der notwendigen Blöcke aus irgendeinem Grund hinter einem Hindernis versteckt ist, sodass ich 15 Minuten lang versuchte, etwas Unlösbares zu lösen. Ein letztes Feature von Solo ist die Fauna der Spielwelt, mit der ihr auf eurer Reise interagieren könnt. Einige knuffige Kreaturen warten darauf, von euch gefüttert und fotografiert zu werden und sich mit euch anzufreunden, wobei euch ein paar kleine optionale Bonus-Rätsel angeboten werden. Dies stellt eine eher belanglose aber angenehme Ablenkung vom Core-Gameplay dar, und tatsächlich habe ich unglaublich gerne meine Kamera rausgeholt, um mit den skurrilen Inselkreaturen zu posen.

„I love you.“ „I know.”

Meine liebsten Spiele sind oft diejenigen, bei denen es mir fast unmöglich erscheint, eine bewertende Zahl dranzuklatschen (siehe mein Minit-Review für ein ähnliches Problem). Solo ist ein solches Spiel. Es kann gut sein, dass mich das Spiel zu einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben absolut kalt gelassen hätte. Jetzt gerade denke ich jedoch oft über Liebe, über Beziehungen und mein Verhältnis zu diesem ganzen Gefühlschaos nach, und genau hier und jetzt schaffte es Solo, mich tief zu berühren. Solo stellt euch viele Fragen aber gibt keine Antworten. Solo hält euch einen Spiegel vor und lässt euch darüber nachdenken, wer ihr wart, wer ihr seid und wer ihr gerne sein wollt. Wenn ihr all dies gelesen habt und euch denkt „Würg, kotz, weg damit!“, dann solltet ihr vielleicht die Finger von Solo davonlassen. Allen anderen empfehle ich, einen Blick zu riskieren. Das Spiel strotzt vor Charme und Herz und ich bin mir sicher, dass ich ein paar Jahren nochmal das Bedürfnis haben werde, in diesen ganz speziellen Spiegel zu blicken.
Solo Wertung

Positiv

+ Fühls™, so viele Fühls™
+ Charmante Präsentation
+ Seichtes aber ansprechendes Puzzle-Gameplay
+ Man kann Gitarre spielen und Tiere streicheln

Negativ

– Definitiv nicht für alle Zielgruppen
– Rätsel-/Leveldesign nicht immer sinnstiftend

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Written by: Dominik Hellfritzsch