Sekiro Shadows Die Twice Review – Einfach gnadenlos gut

Als Kultentwickler From Software auf den Game Awards 2017 mittels eines mysteriösen Teasers mit dem Namen „Shadows Die Twice“ ihren neuen Titel angekündigt haben, rankten sich viele Gerüchte um einen zweiten Teil von Bloodborne. Doch auf der E3 2018 enthüllten die Japaner schlussendlich ihr neues Werk samt feudalem japanischen Setting und überraschender Zusammenarbeit mit Publisher Activision als Sekiro: Shadows Die Twice. Ursprünglich als neuer Ableger im Tenchu Universum konzipiert, dessen Lizenzinhaber From Software selbst ist, hat Sekiro letzten Endes doch soviel Eigenleben entwickelt, dass ein eigenständiges Spiel daraus entstanden ist. Seit dem 22.März können Shinobis sich nun der neuen Herausforderung von From Software auf PS4, Xbox One und PC stellen. Lest nach, warum Sekiro mehr als ein weiteres Dark Souls und vermutlich jetzt schon einer der Titel des Jahres geworden ist.

Kompakter, aber nicht nicht weniger umfangreich

Storytechnisch setzt Sekiro im feudalen Japan der Sengoku Ära an und kombiniert historische Elemente mit viel Mythos: Als verwaister Junge nimmt euch ein gnadenloser Samurai als seinen Ziehsohn auf und bildet euch in den Kampfkünsten der Shinobi aus. Jahre später als Okami – der Wolf – bekannt, seid ihr Beschützer des jungen Kaisers Kuro, letzter Erbe der Drachenblutlinie. Als der Junge in eurer Abwesenheit gefangengenommen wurde, schafft ihr es zwar ihn zu retten, werdet dabei aber vom Anführer des Ashina Clans gestellt und verliert im Kampf euren Arm sowie Kuro selbst. Als ihr dann in einem verkommenen Tempel samt einer hölzernen Prothese auf eurem Arm aufwacht, beginnt die entwicklertypische Reise in eine mysteriöse Welt, die selbst der Erzähler der Geschichte ist und allerhand verrückte sowie interessante NPCs bietet. Doch anders als in den geistigen Vorgänger Dark Souls und Bloodborne werdet ihr dieses Mal auch von einer Rahmenhandlung samt fixem Charakter und Zwischensequenzen begleitet, was durchaus angenehm rüberkommt und einen gewissen Spannungsbogen aufkommen lässt.

Doch wer jetzt aufgrund der Mitwirkung von Publisher Activision die Befürchtung hat, dass Sekiro hier von From Software typischen Pfaden abkommen würde kann gleich wieder beruhigt aufatmen, denn gewiss ist der Spielverlauf durch die oben genannten Punkte etwas kompakter gehalten, als es vielleicht noch bei den geistigen Vorgängern der Fall war, dennoch ist Sekiro zu keiner Sekunde im Kern anders aufgebaut oder gar weichgespülter als die erwähnten modernen Klassiker. Im Gegenteil: Veteranen werden vermutlich in rund 30 Stunden mit dem ersten Run fertig sein, um sich dann in das New Game+ stürzen zu können, alle Durchschnittsspieler und Neulinge können vermutlich die doppelte Anzahl für den ersten Durchgang darauflegen, was in einer hohen Langzeitmotivation mündet. Kurz gesagt: ihr bekommt was für euer Geld und habt mit Sekiro lange zum Tun.

Shadows don`t die twice only – seriously!

Denn Sekiro bleibt im Kern eines: gnadenlos! Der Schwierigkeitsgrad ist wie in jedem anderen Titel des Soulsborne Genres schlicht und einfach Hardcore, verzeiht keine Fehler und lehrt euch auf die harte Tour die Geduld und Achtsamkeit eines Shinobis. Wolf bekommt jedoch dieses Mal anstatt eines frei verwaltbaren Punktesystems eigene Talentbäume, welche aktive und passive Skills und Spezialmanöver freischalten. Erfahrungspunkte sammelt ihr hierbei wie gewohnt durch das Töten und looten der Gegner, die durch eine Rast bei einem der Checkpoints mit dem Namen „Figur des Bildhauers“, die der namensgebende Bildhauer, der auch für die Wartung eurer Prothese verantwortlich ist, bei seinen Reisen in der Welt hinterlassen hat, wiederbelebt werden. Um mehr Leben oder Stärkung in eurer Haltung zu bekommen müsst ihr die überall in den Gebieten verstreuten Minibosse erledigen, um die benötigten Gebetsperlen für ein Upgrade zu erhalten.

Ganz klassisch werdet ihr vor allem in Sekiro ebenfalls wieder eine Sache sehr oft schaffen: sterben. Ihr werdet nicht nur einen, sondern gefühlte tausend Tode im Spiel sterben, doch hat sich From Software hier dieses Mal ein besonderes System für die Bestrafung ausgedacht: Zwar könnt ihr euch in einem Kampf einmal aufgrund des speziellen Blutes von Kuros Familie einmal wiederbeleben, doch verfällt die Welt nach eurem Tod aufgrund dieser Bindung in eine Starre, die eine schleichend-tödliche Seuche mit dem Namen Drachenfäulnis herbeirruft und NPC`s infiziert. Zwar ist die Heilung möglich und viel mehr mehr möchten wir an dieser Stelle nicht verraten, da die Spielmechanik unweigerlich mit der Story verwoben ist, doch kostet euch dies einige Mühen und nebenbei gehen mit jedem Tod die Hälfte eures Golds und die Fundrate desselbigen, namentlich „Göttliche Hilfe“, dauerhaft verloren.  

Auch im Kampf geht Sekiro neue Wege und hier werden sich auch Veteranen von Dark Souls und Bloodborne wohl komplett neu einstellen müssen, denn der Titel legt seinen Fokus akribisch genau auf eine Kombination der Erzeugung von Druck, zeitgenauer Parade, dem durchbrechen der Haltung des Gegners und richtigen Ausweichmanövern, die den Schlüssel zum Sieg darstellen. Hierbei könnt ihr allerdings auf verschiedene Arten vorgehen und auch die Gegner der Reihe nach mittels Schleichtaktiken oder Angriffen von Dächern heraus, welche ihr Dank der Shinobi Prothese erreichen könnt, eliminieren. Anfängern sei vor allem die erwähnte Hit and Run Taktik zu empfehlen, da ihr hier schnell erste Erfolge erreichen werdet und vor allem den Minibossen gleich für den Beginn des eigentlichen Kampfes einen wichtigen Lebenspunkt abziehen könnt. So gnadenlos hart das Spiel auch wieder jeden Fehltritt bestraft, so ist jeder Kampf aufgrund seiner Intensität und Spannung einfach nur genial und die typische emotionale Achterbahnfahrt, welche man von From Software und ihren Spielen der Soulsborne-Machart gewohnt ist, einfach nur befriedigend und hochmotivierend. Übrigens: Gabriel, unser Häuptling und Soulsborne Veteran stellt aktuell gerade fleißig Videos zu Bosskämpfen auf unserem YouTube Kanal, also schaut vorbei für die eine oder andere Hilfestellung.

Doch bei allem Lob gibt es auch etwas Kritik: Warum man für das looten der Gegner im näheren Umfeld eine Taste gedrückt halten muss, anstatt hier auf Autlootmechanik zu setzen, erscheint auf den ersten und auch zweiten Blick nicht wirklich logisch. Und auch wenn die Mechanik mit dem Seilsprung gelungen ist, so macht euch beim Anvisieren an manchen Stellen die Kamera einen Strich durch die Rechnung, was unweigerlich zu möglichen Bildschirmtod führen kann, denn hier hat From Software auch nach Jahren noch ein kleines Problem, dass zwar unter Fans Kultstatus genießt, aber dennoch vielleicht auch einmal berücksichtigt werden sollte. Mehr dazu im Technikbereich.

Technisch größtenteils gelungen, aber die Kamera…

Grafisch baut Sekiro auf dem Gerüst von Dark Souls III aus dem Jahr 2016 auf. Zwar waren die Spiele von From Software grafisch nie das Maß aller Dinge, konnten aber in Kombination mit ihrem traumhaften Artwork, den ab Bloodborne gelungenen Bewegunsabläufen sowie den hübschen Lichtspielen überzeugen und hier stellt Sekiro keine Ausnahme dar: Das Spiel sieht einfach unglaublich hübsch aus und ist schön anzuschauen. Auch die Technik leistet sich auf der von uns getesteten Version für die Playstation 4 auf der Pro keine Aussetzer und läuft in hochskaliertem 4K bei 30 bis 40 FPS. Einzig die Kamera stellt wie in jedem Soulsborne Spiel einen Frustfaktor dar, da diese nicht verfeinert wurde und für viele unnötige Bildschirmtode sorgt, welche mit der zusätzlichen Seilmechanik nur noch mehr wurden. Zwar kann man damit leben, dennoch sollte From Software hier einmal nachbessern, um technische Probleme nicht irrtümlich als Feature durchgehen zu lassen.

Beim Sound hingegen haben die Japaner wieder ganze Arbeit geleistet: Der Soundtrack orientiert sich klar an seinem Setting und bietet wunderschöne fernöstliche, aber auch spannende sowie epische Klänge, die in Kombination mit den wuchtigen Effekten bei den Kämpfen für unglaublich viel Spannung sorgen. Bei der Synchronisation habt ihr zwar die Möglichkeit auch das japanische Original oder die englische Fassung zu wählen, allerdings ist die deutsche Tonspur in großen Stücken aufgrund markanter Synchronsprecher gelungen und alles andere als unangenehm. Ansonsten hat Sekiro auch in Sachen Steuerung keine Aussetzer und liefert eine überzeugende Arbeit ab: Kämpfe gehen nach der Einarbeitungszeit flüssig von der Hand und jegliche Fehler, Verletzungen oder Bildschirmtode sind der Eigenverschuldung zu verdanken.

Fazit

Zwar geht Sekiro: Shadows Die Twice in Sachen Storytelling  und bei den RPG-Mechaniken kompaktere Pfade als seine geistigen Vorgänger, dreht aber in Sachen Anspruch an den Skill dafür gewaltig auf und bietet euch eine komplett neue, spannende und herausfordernde Erfahrung, die euch alles abverlangen wird und von keinem Freund gepflegter Hardcorespiele ausgelassen werden sollte. Mit Ausnahme der üblichen Kameraprobleme und einer eigenwilligen Lootmechanik definitiv ein Must-Have und einer der Anwärter zum Spiel des Jahres.

Positiv

+ hochmotivierende Spielerfahrung

+ spannende Kämpfe

+ grandioses Artwork

+ über weite Strecken gute Synchronisation

+ hohe Langzeitmotivation

Negativ

– entwicklertypische Kameraprobleme

– etwas eigenwillige Lootmechanik

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Written by: Patrice Naderi

Multikonsolero, Film- und Seriennerd aus Leidenschaft, Technikjunkie, Comicsammler, Sportfan und Müslivernichtungsmaschinerie.