Review: Xenoblade Chronicles 3 – Das Rollenspielepos geht in die dritte Runde

Ich hatte bisher noch keinen wirklichen Kontakt mit Xenoblade Chronicles und habe selbst nur den spirituellen Vorgänger Xenosaga gespielt. Und ein Glück, dass ich hier den Einstieg gefunden habe! Denn eins vorab: Xenoblade Chronicles 3 ist ein Fest für Rollenspielfans, egal ob man 1 & 2 gespielt hat oder nicht. Doch lasst uns da etwas weiter ausholen und genießt gerne unsere Review.

Das Spiel vergeudet keine Zeit, euch in seinen Bann zu ziehen

Xenoblade Chronicles 3 spielt nach den Ereignissen von Xenoblade Chronicles und Xenoblade Chronicles 2 in der Welt von Aionios, in der die mechanisch begabte Nation Keves und die ätherisch orientierte Nation Agnus in ständigem Krieg miteinander stehen. Die Kriege werden von hochtechnisierten Soldaten mit einer künstlich begrenzten Lebenszeit von zehn Jahren geführt. Unter den beiden Streitkräften gibt es sogenannte Wegweiser. Soldaten, die spezielle Flöten spielen, um die Toten zu betrauern. Im Spiel selbst gibt es insgesamt sechs Hauptcharaktere. Noah, ein Wegweiser aus Keves, der von seinen Kindheitsfreunden Lanz und Eunie begleitet wird. Und Mio, ein Wegweiser aus Agnus, die von ihren Kameraden Taion und Sena begleitet wird. Beie Fraktionen werden anfangs sehr imposant präsentiert und das in einer sehr militärisch orientierten Art und Weise, welche das Geschehen aber gut einzufangen weiß. Mit der nötigen Härte, sei noch erwähnt!

Die Moebius bergen alle ein interessantes Geheimnis.

Generell hat mich mein Ersteindruck getäuscht. Ich habe das übliche bunte, und mit Klischees bediente JRPG-Setting erwartet, wonach es nach den ersten Trailern aussah. Aber das Spiel nimmt sich Ernst und weiß die Story auch dementsprechend zu erzählen. Sicher sind einige Rassen, die als Mensch mit Flügeln auf dem Kopf dargestellt werden, etwas gewöhnungsbedürftig. Und die kleinen Manan, die ein bisschen wie ein betrunkener Yoda reden, sollen etwas Comic-Relief bieten, wirken aber einfach albern. Die Hauptgeschichte ist dabei aber jederzeit spannend erzählt, bietet Twists, viele Schauplätze und Überraschungen und beleuchtet auch noch die Hauptcharaktere sehr gut. Eure Gegenspieler, die Moebius, sind ebenfalls recht einfallsreich umgesetzt. Diese nur mit Buchstaben benannten Antagonisten sind alle etwas schwarzhumorig und tragen imposanten rote Rüstungen, deren Anführer ausgenommen. Alle haben immer einen lockeren Spruch auf den Lippen und werden euch auf dem langen Weg durch das Abenteuer häufiger dazwischenfunken. Doch warum eigentlich?

Auch die Art, wie sich eure Charaktere im Menü präsentieren, könnt ihr wählen.

Alle neuen Infos und Funktionen werden schön dosiert

Natürlich wollen wir euch über die eigentliche Geschichte nicht zu viel verraten, denn diese ist wirklich sehr gut erzählt, mit vielen vertonten und gut animierten Sequenzen und bietet einige Überraschungen. Leider sind diese mit etwas Genre-Erfahrung aber auch ziemlich vorhersehbar, das wird aber nicht jedem so gehen. Auch die englischen Sprecher haben mir gut gefallen, wenn auch deren tiefer britischer oder schottischer Akzent es manchmal schwierig gemacht hat, nur zuzuhören und dafür dann doch Untertitel nötig waren. Doch auf Wunsch könnt ihr auch die japanischen Stimmen auswählen und beide Versionen haben uns gefallen. Nachdem Noah, Mio und deren jeweiliger Trupp durch einen Zwischenfall zusammenarbeiten müssen, entdecken diese neu gewonnene Fähigkeiten und sind fortan Ouroboros. Dies ermöglicht es den Figuren, sich zu Mechs zu transformieren, und verändert nicht nur das Kampfgeschehen, sondern auch den Lauf der Geschichte.

Tutorials gibt es auf jeden Fall genug.
An Rastpunkten könnt ihr euch jederzeit verstärken oder Gesprächen lauschen.

Die ersten Stunden von Xenoblade Chronicles 3 sind angemessen vollgestopft mit Einführungen und Erklärungen für ein Spiel, das sowohl in Bezug auf die Geschichte, als auch auf die Systeme wirklich dicht ist. Dennoch gelingt es dem Spiel bemerkenswert gut, die Dinge in einem flotten Tempo voranzutreiben und jeder neu eingeführten Mechanik ausreichend Zeit zum Atmen und Verinnerlichen zu geben. Mit genügend Zeit, um die Dinge in die Praxis umzusetzen und die Feinheiten zu verstehen, hatte ich immer das Gefühl, dass ich bereit war, mich auf die nächste Herausforderung oder Story zu konzentrieren, ohne zu sehr verhätschelt zu werden.

Die Kettenkommandos funktionieren rundenbasiert.

Nach und nach entwickeln sich Story und Kämpfe gleichermaßen

Die Kämpfe in Xenoblade Chronicles 3 sind etwas unüblicher und wohl am ehesten mit Final Fantasy XII oder eben den Vorgängern zu vergleichen. Sie werden oft als Offline-MMO beschrieben. Und auch wenn ich da zustimmen würde, so ist es sehr viel mehr und spaßiger als das. Denn, ob es nun die Grundprinzipien sind, die Einführung eines neuen Kettenangriffssystems oder die aufregende Fähigkeit, Paare von Gruppenmitgliedern zu mächtigen Ouroboros-Formen zu verschmelzen, eines ist mir von Anfang an aufgefallen: Wie natürlich sich alles anfühlt! Im Laufe des Spiels kann man eine gewisse Grenze an Fähigkeiten erreichen, aber auf dem Weg dahin wird es durch immer wieder erfrischende neue Funktionen so schnell nicht langweilig. Die Schlüssel zum Erfolg werden von Anfang an so effektiv und gründlich vermittelt, dass ich selbst dann, wenn ich den Überblick verloren habe, wie ein bestimmtes System funktioniert, immer genau wusste, wie das Ergebnis aussehen sollte.

Techniken, passive Effekte und Ausrüstung will gut gewählt sein.
Bonus-EP könnt ihr an Rastpunkten in Level umwandeln, wenn ihr wollt.

Auch wenn die Benutzeroberfläche im Kampf (und eigentlich überall) auf den ersten Blick überladen wirkt, so ist sie doch viel besser in der Lage, wichtige Informationen zu vermitteln als man denkt. Es ist unglaublich hilfreich, auf einen Blick zu sehen, ob deine Verteidiger effektiv Aufmerksamkeit von deinen Heilern auf sich selbst lenken oder welche deiner Künste einen bestimmten Feindzustand hervorrufen oder davon profitieren werden. Es ist besonders befriedigend, eine Vielzahl von sich kreuzenden Ringen auf dem Boden zu sehen, die anzeigen, wo man stehen sollte, um das volle Ausmaß der Stärkungszauber zu erhalten, die von den Unterstützern verteilt werden. Nachdem ich die ersten Gameplay-Enthüllungen gesehen hatte, befürchtete ich, dass ich meine Augen überanstrengen würde, wenn ich versuche, den Überblick über bis zu sieben Charaktere zu behalten, die alle leuchtende Linien und Zahlen über das Schlachtfeld werfen, aber es war es einfach nur eine Freude. Die Angriffsketten sind dabei mein Favorit, da sie das Geschehen anhalten und euch rundenbasiert nacheinander Aktionen wählen lassen, die nicht nur cool animiert wurden, sondern auch hilfreiche Boni für den Kampf bilden. Und wenn man es dann noch schafft, dass diese Kette mit einem Ouroboros-Angriff abgeschlossen wird, sieht das einfach klasse aus.

Die Fortbewegung wird immer wieder durch kleinere Funktionen aufgewertet.

Neue Mechaniken und Klassen bringen stets frischen Wind ins Spiel

Abwechslung im Kampf ist immer wichtig und auch wenn ihr nicht aktiv jeden Angriff steuern könnt, so habt ihr stets die Möglichkeit, zwischendurch komplett gelernte Techniken einer Klasse in einer neuen mit einzusetzen und so euer Portfolio zu erweitern. Ihr sammelt Zutaten, um Ausrüstung zu erstellen oder euch eine Mahlzeit für Boni zu kochen. Generell gibt es massig zu tun. Ihr erkundet abseits der Hauptgeschichte immer wieder offene Areale, in denen ihr Nebenmissionen erledigen oder euch in optionale Kampfgetümmel stürzen könnt, bei denen ihr vorab eine zu unterstützende Seite wählen dürft. Es gibt Heldenmissionen, nach denen ihr neue Fähigkeiten und Klassen freischalten könnt oder ihr lauscht in einer Basis Gesprächen, um so mehr über die Welt oder von einer Mission zu erfahren. An Rastplätzen könnt ihr Bonus-Erfahrung in Level investieren oder eure Klamotten waschen, welche ihr zu jederzeit aus vorgefertigten Outfits wählt. Neue Funktionen, um in der Oberwelt schneller voranzukommen kommen später ebenfalls hinzu und lassen euch zum Beispiel verwachsene Wände hochklettern. Kein wirklicher Gamechanger, aber so stagniert auch die Fortbewegung beim Erreichen eures Ziels nicht.

Ein gutes Beispiel für die Grafik sowie das tolle Design.

Aber all das wird euch nicht direkt zur Verfügung gestellt, sondern immer wieder hinzugefügt, damit es nie zu viel wird und man die Möglichkeiten hat, sich mit jedem Feature zurechtzufinden. Das hat besonders für mich das Reinkommen in den dritten Teil sehr angenehm gemacht. Ein paar Tutorials sind vielleicht etwas zu genau mit den Erklärungen, wie alles funktioniert. Aber lieber so, als eine Funktion oder einen Menüpunkt komplett zu verpassen. Denn bei einem so umfangreichen und langen Titel sollte nichts essentielles verpasst werden. Und da wir gerade bei der Länge sind, muss auch etwas gemeckert werden. Denn ab der Hälfte ca. wird in späteren Parts die doch recht spannende Story immer wieder durch gezwungene Nebenmissionen oder Sammelquests unterbrochen, was leider dazu führt, dass die Geschichte etwas an Fahrt verliert. Einmal hatte ich sogar als Hauptmission das Ziel eine Nebenmission abzuschließen, in welcher es wiederum das Ziel war, eine Heldenmission abzuschließen. Nicht nur unübersichtlich, sondern auch etwas verworren. Aber das stört das Gesamtfazit nur bedingt und die Geschichte wird am Ende nach ca. 50 Stunden zu einem sehr schönen Abschluss gebracht.

Besonders die Weitsicht ist häufig beeindruckend.

Die Switch holt noch einmal einiges aus sich heraus

Technisch ist besonders das musikalische hervorzuheben. Die Musik ist sehr schön integriert und bringt neben klassisch angehauchten Titeln auch etwas rock-lastigere Songs daher und birgt im zweiten Drittel des Spiels sogar noch eine Überraschung, welche ich hier nicht vorwegnehmen will. Grafisch dreht die Switch noch einmal richtig auf und präsentiert uns eine wunderschöne Welt mit allerlei herumlaufenden oder -fliegenden Gegnern, ohne dabei auch nur einmal Framerate-Einbrüche zugestehen zu müssen. Die Zwischensequenzen sehen toll, die Charakterdesigns sehen viel besser als noch in den Vorgängern aus und das alles kann auch ohne große Einschränkungen im Docked-Modus genossen werden. Ich war zeitweise wirklich begeistert wie schön Xenoblade Chronicles 3 aussieht, auch wenn nicht jedes Areal so atemberaubend wie das andere ist. Vielfalt und tolle Designs sind da umso wichtiger. Und das trifft hier auf jeden Fall zu.

Pflegt ihr eure Partnerschaften, so seht ihr dies im Harmoniediagramm oder lest ein paar Infos zu Charakteren.

Fazit

Xenoblade Chronicles 3 ist imposant, nimmt sich Ernst und macht einfach Spaß. Die Geschichte steht für sich und ist somit auch für Neulinge super geeignet. Die Charaktere wachsen einem ans Herz und sind überraschend realistisch dargestellt. Es gibt Unmengen an Aktivitäten und Leute, die auf 100% spielen, werden hier wieder über 100 Stunden zu tun haben. Alle anderen genießen das vielleicht beste Rollenspiel für die Switch dieses Jahr.

Positiv:

+ toll geschriebene Charaktere

+ nimmt sich ernst und lässt einige Klischees liegen

+ wunderschön designte Welt

+ stetig hinzukommende Features sorgen für Motivation

+ viele Klassen & Helden, die unter anderem durch Missionen erlangt werden

+ läuft ohne jegliche Framerate-Einbrüche

+ sehr gutes Pacing,…

Negativ:

– … bis auf zwei längere Passagen später im Spiel, die gehörig ausbremsen

– viele Sammel-Items, die nur bedingt etwas bringen

– vorhersehbare Story und Twists

– übertrieben viele Gegner im finalen Areal

Xenoblade Chronicles 3 erscheint am 29. Juli 2022 für Nintendo Switch.

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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