Undisputed ist das Paradebeispiel für ein leidenschaftliches Videospiel, bei dem ein Branchen-Außenseiter, der einfach eine bestimmte Sache, in diesem Fall Profi-Boxen, liebt, sich entschließt, selbst ein Spiel dazu zu machen, und dabei all die Elemente integriert, die er für wichtig hält, egal was die gängige Game-Design-Weisheit sagt. Doch kommt dabei auch etwas spaßiges heraus? Wir finden es heraus.
Box-Simulation für Puristen
Das Ergebnis ist in jedem Fall ein Boxspiel mit brutalen, komplexen Steuerungen, das – wie echte Boxkämpfe – genauso gut langweilig wie aufregend sein kann. Selbst wenn die Zeit im Spiel beschleunigt ist, zieht sich ein 12-Runden-Kampf zum Ende hin ziemlich. Körpertreffer reduzieren die maximale Ausdauer eines Boxers, sodass er im Laufe des Kampfes immer weniger Schläge hintereinander ausführen kann. Irgendwann bleibt einem nur noch, hin und wieder ein paar Schläge loszulassen, sich zurückzuziehen, um sich zu erholen, und verzweifelt auf eine Konterchance zu warten, um den Gegner zu Boden zu schicken. In den meisten Kampfspielen endet ein Match damit, dass ein Kämpfer 24 Meter in die Luft springt und den Verlierer mit einem Suplex auf den Boden wirft. Beim Boxen gibt’s solche Sprünge oder Suplexe natürlich nicht, und nicht mal ein dramatischer Knockout ist garantiert. Manchmal geht man die ganze anstrengende Distanz und das Ergebnis wird durch Punkte entschieden oder es endet sogar unentschieden. Undisputed erinnert an die Skateboard-Simulation Session: Wahrscheinlich für viele mühsam, aber ein Genuss für eine bestimmte Gruppe von Leuten, die es lieben, ein Element der realen Welt digital detailgetreu nachgebildet zu sehen. Es führt nicht immer zu Nervenkitzel, aber diese Kompromisslosigkeit macht das Spiel trotzdem auf seine Weise faszinierend.

Oft werden Spiele für ihre „Reaktionsfähigkeit“ gelobt, als sei das eine Eigenschaft, die immer von Vorteil ist. Doch Undisputed ist oft absichtlich nicht reaktionsschnell. Wenn euch die Ausdauer ausgeht, könnt ihr nicht mehr aus der Gefahrenzone flüchten und eure Schläge verlieren an Wucht. Die realistische Simulation des Boxens bedeutet auch, dass ein Knopfdruck nicht immer garantiert, dass der Schlag trifft, selbst wenn ihr in Reichweite seid. Haken können hinter dem Gegner vorbei schwingen, wobei euer Arm sich unbeholfen um seinen Nacken wickelt. Es kann frustrierend sein, Knöpfe zu drücken, ohne dass immer das passiert, was man will, aber das kennen auch Boxer, deren Arme und Beine nicht immer das tun, was sie wollen. Natürlich kann Undisputed auch sehr aufregend sein, besonders wenn man online gegen echte Spieler antritt. Als Tyson Fury habe ich einen anderen Spieler, der Muhammad Ali spielte, nach 10 Runden K.O. geschlagen, obwohl ich selbst zweimal niedergeschlagen wurde. All die mühsamen Runden, in denen ich nur überleben wollte, wurden im Nachhinein zur Grundlage für einen großartigen Sieg. Und das ist es, was das Spiel ausmacht, wenn man denn die Geduld und den Spaß am Sport mit sich bringt.

Taktiken im und außerhalb des Ringes
Doch einmal kurz von vorne. Anfangs fühlt sich das Gameplay für Euch wahrscheinlich vertraut an, gerade wenn Ihr schon Erfahrungen mit Boxspielen habt. Es dauert nicht lange, bis Ihr Euch beim Ausweichen, Jabben und dem Werfen von kraftvollen Schlägen im Rhythmus der Bewegungen Eurer Gegner wohlfühlt. Doch je länger der Kampf andauert, desto mehr fallen kleine Details auf, die zeigen, wie wichtig es dem Entwicklungsteam war, die Matches so realistisch wie möglich zu gestalten. Jede Kleinigkeit zählt in Undisputed – von den Bewegungen der Charaktere bis hin zu ihrer Größe und ihren Attributen. All das führt zu unterschiedlichen Strategien, die beeinflussen, wie Ihr jeden Kampf angehen könnt. Neben den 60 verschiedenen Schlägen und Abwehrmechaniken spielen auch Fußarbeit und Positionierung eine entscheidende Rolle, um den Kampfverlauf zu kontrollieren. Dank einer Kombination aus Geschwindigkeit und Agilität können Charaktere wie Muhammad Ali sich in eine Ecke zurückziehen, dann die Bob-and-Weave-Mechanik nutzen, um den Spieß umzudrehen und eine Serie von Körpertreffern zu landen, die sowohl Gesundheit als auch Ausdauer stark schädigen. Genau wie im echten Leben gibt es Taktiken, um Ausdauer zu regenerieren, wenn Ihr auf die lange Distanz gehen wollt. Hört auf, Schläge zu werfen, geht in den Clinch oder nehmt sogar strategisch ein Knie, und am Ende der Runde werdet Ihr mit erhöhter Gesundheit und Ausdauer belohnt. Doch diese Taktiken sind keine Erfolgsgarantie, denn ein einziger gezielter Schlag kann selbst den stärksten Boxer zu Boden schicken.

Wenn Ihr dann am Boden seid, nutzt Undisputed ein Desorientierungssystem, bei dem Ihr versuchen müsst, beide Trigger gleichzeitig in einen grünen Bereich zu steuern. Das imitiert, wie es sich für einen Boxer anfühlt, nach einem Niederschlag wieder aufzustehen. Auch wenn es einfach klingt, bewegen sich die grünen Bereiche auf jeder Seite unterschiedlich, sodass es sich anfühlt, als müsstet Ihr gleichzeitig Euren Bauch reiben und Euren Kopf in verschiedene Richtungen drehen. Kurz nach Beginn der zweiten Runde erlitt Eddie Hall eine harte Niederlage gegen Muhammad Ali, was das Ende meines ersten Kampfes in Undisputed markierte. Nach dem Showkampf habe ich mir den detaillierten Karrieremodus angeschaut und war beeindruckt, wie viel Liebe zum Detail hineingeflossen ist. Die Entscheidungen, die Ihr außerhalb des Rings trefft, sind genauso wichtig wie die im Ring, und viele Faktoren bestimmen Euren Weg. Bleibt Ihr während Eurer gesamten Karriere bei demselben Manager, wachsen seine Attribute mit Euch. Der Nachteil dieser Treue ist, dass er nur drei Attribut-Slots hat, während bekanntere Betreuer bis zu fünf haben. Wenn Ihr jedoch den „kaltherzigen“ Weg geht und Euren Mickey Goldmill gegen einen Don King eintauscht, mag das einige einzigartige Vorteile haben, doch es gibt auch Nachteile. Jedes Mal, wenn Ihr einen neuen Manager oder sogar einen Cutman anheuert, müsst Ihr von vorne anfangen, wenn Ihr neue Leute in Euer Team aufnehmt. Das bedeutet, dass einige der freigeschalteten Fähigkeiten, die als Buffs für Eure Attribute fungieren, durch das Absolvieren neuer Herausforderungen erneut freigeschaltet werden müssen. Andere Entscheidungen, wie über Eurem Können zu kämpfen, Ruhm über Training zu stellen oder auf Ruhepausen zu verzichten, haben Konsequenzen, die zu einem frühen Karriereende führen können. Selbst wenn Ihr nur wenig Erfahrung mit dem Boxsport habt, wird schnell klar, dass Undisputed von Menschen entwickelt wurde, die Boxen verstehen und lieben.

Fazit
Undisputed kann nicht jeden Box-Fan nach all den Jahren abholen, schafft es aber definitiv den Sport wieder aufleben zu lassen. Eine ordentliche Präsentation, sehr viel taktische Tiefe und wuchtige Kämpfe bringen ordentlich Spaß, das Spiel fühlt sich aber noch nicht ganz rund an, da Karrieremodus und der Charaktereditor noch Feinschliff benötigen.

Positiv:
+ detailreiche Charaktermodelle
+ tolles Box-Feeling
+ taktische Tiefe im und außerhalb des Ringes
+ Genre lag lange Zeit brach
Negativ:
– wenig arcadig, daher nur für Puristen
– Karrieremodus verliert schnell an Reiz
– grafisch durchwachsen