Das Indie-Spiel Tunic von Entwickler Finji bewirbt sich selbst als „ein isometrisches Actionspiel mit einem kleinen Fuchs, der ein großes Abenteuer erlebt und ein Land voller verlorener Legenden, uralter Mächte und grausamer Monster erkundet. So weit, so gut! Doch bevor ihr beginnt, den nachstehenden Review zu lesen, sollte euch klar sein, dass wir zur besseren Erklärung um ein paar kleine Spoiler nicht umher kommen. Tunic ist ein Spiel, dass von selbst entdeckt werden will, wir versuchen also, eine gute Balance zwischen Einblick und Geheimniswahrung zu finden, In diesem Sinne, viel Spaß beim Lesen!
Die Handlung – drei große Fragezeichen!
Ihr wacht als anthropomorpher Fuchs am Strand auf, wenig später findet ihr einen Stock, mit dem ihr euch gegen Feinde wie grünen Schleim verteidigen könnt. Das ist alles. Keine Einführung, keine erklärenden Dialoge, kein Garnichts. Und diesen Kurs behält Tunic auch für die meiste Zeit bei. Man bereist verschiedene Areale, erweitert sein Item-Arsenal, aber die Handlung wird nur tröpfchenweise preisgegeben. Einzig das größte Alleinstellungsmerkmal des Spiels, eine Anleitung, deren Seiten überall in der Welt verstreut sind, dient als erklärendes Medium.
Das Problem? Die Anleitung ist in einer Fantasie-Sprache des Entwicklers geschrieben und kann nur äußerst kompliziert übersetzt werden. In unserer Testphase gelang es nur einem Kollegen eines anderen Review-Mediums die Sprache (die ins Englische übersetzt werden kann) zu entschlüsseln. Somit bleibt den meisten anderen Spielern nichts anderes übrig, als sich an den Bildern und Darstellungen der Anleitung zu orientieren. Bei manchen Items ist das natürlich selbsterklärend: Schwert und Bombe dienen dem Kampf, doch was hinter der Goldmünze und den quadratförmigen Karten steckt, muss man erst auf Seite 20 nachlesen. Wer diese allerdings noch nicht gefunden hat, wird keine andere Möglichkeit bleiben, danach zu suchen.
Großer Hau-Drauf- und Rätselspaß
Es wird also bereits klar, dass Tunic den Grips anstrengen will. Doch auch die Kämpfe stellen eine knackige Herausforderung dar. Wird nicht ausgewichen, fällt man schnell einem stärkeren Gegner zum Opfer. Noch dazu treten diese oft in größeren Gruppen auf und wenn dann der nächste Altar zum Aufheilen zu weit entfernt ist, geht das Abenteuer meist schlecht aus. Dort werden nicht nur die Leisten für HP und Magie wieder aufgefüllt, sondern auch die Tränke, die ihr bei auch tragt. Trankflaschen können beim Händler gekauft (welcher ein riesiges Skelett in einem völlig schwarzen Raum ist) oder drei Bruchteile in Truhen gefunden werden. Ähnlich wie sich bei The Legend of Zelda Herzteile gesammelt und kombiniert lassen, geschieht dies hier mit Glasflaschen.
Die dritte Leiste zwischen HP und Magie stellt die Ausdauer dar. Genau wie vollwertige Soulsborne-Titel kann man nicht unendlich oft zur Seite rollen, da sich die entsprechende Leiste leert. Diese füllt sich zwar eigenständig wieder, doch während dieser noch regenerieren ist, ist man anfälliger für Schaden. Eine weitere Parallele zu Dark Souls und Konsorten ist der Fakt, dass man einen Teil seiner Punkte bei Tod verliert, aber wiedererhalten kann, sollte man an denselben Ort zurückgelangen.
Für alle denen Tunic dann doch ein wenig zu schwer ist, hat der Entwickler sogenannten Zugänglichkeitsoptionen (Accessibility) eingebaut: Im Menü lässt sich zwar nicht der Schwierigkeitsgrad herunterschrauben, dafür kann den „Kein-Scheitern-Modus“ anstellen und ist quasi unbesiegbar oder auch die Ausdauer-Limitierung abschalten. Eine gute Alternative für alle Casual-Gamer, die nur an den Rästeln, nicht aber am Kampf interessiert sind.
Geheimnisse über Geheimnisse über Geheimnisse
Für das Auffinden von versteckten Passagen und öffnen geheimer Truhen winken Items, die generell in drei Kategorien fallen können: Gebrauchsgegenstände wie Bomben und Beeren oder Upgrade-Items, welche die Statusleisten erweitern, wenn man sie an einem Altar opfert. Die dritte sind ausrüstbare Gegenstände wie Schwert, Schild, später ein Enterhaken nebst anderen Sachen.
Wir haben es eingangs schon besprochen, aber Tunic bietet dem Spieler jede Menge Geheimnisse an. Und diese Geheimnisse führen zu weiteren Geheimnissen. Und diese zu weiteren. Je weiter man in den Kern des Adventures vordringt, desto komplexer und ausgefallener werden die Rätsel. Ab einem gewissen Punkt tritt das Action-Geschehen in den Hintergrund und bietet im Prinzip fast nur noch Puzzles für den Spielfortschritt an. An diesem Punkt können die zu lösbaren Geheimnisse aber bereits so knifflig werden, dass sie den einzelnen Spieler überfordern.
Fazit
Man sollte sich von der süßen Aufmachung von Tunic nicht täuschen lassen: das Spiel verlangt einem im Bezug auf Kämpfe einiges ab. Geht es um die Qualität der Rätsel, ist das Spiel auf derselben Ebene wie der Platform-Klassiker FEZ. Doch der größte Verkaufspunkt bleiben die Mysterien, die immer und immer wieder motivieren, noch ein Puzzle zu lösen oder einen Sammelgegenstand zu finden. Für ein Indie-Game ein absolutes Erfolgsrezept.
Positiv:
+ Gutes Leveldesign, Gameplay und niedliche Grafik
+ digitale Spieleanleitung als Funktion kann überzeugen
+ Optionen der Zugänglichkeit können das Spiel vereinfachen
+ fordernde Umgebungsrätsel, die den Kern des Spiels ausmachen,…
Negativ:
-… aber welche gegen Ende fast schon zu schwierig für den Einzelnen ausfallen