Mittlerweile sollten die meisten gut darüber Bescheid wissen, wie die Trails-Serie funktioniert. Aber für diejenigen, die noch nicht mit ihr vertraut sind: Diese Reihe erzählt eine einzige, fortlaufende Geschichte, die sich über mehrere Handlungsbögen erstreckt – jeder davon konzentriert sich auf ein anderes Land und führt eine neue spielbare Gruppe ein. Der aktuelle Calvard-Bogen begann in Japan Ende 2021 mit der Veröffentlichung von Kuro no Kiseki, das letztes Jahr im Westen als Trails through Daybreak erschien. Kuro no Kiseki II -Crimson SiN– wurde in Japan 2022 für Konsolen veröffentlicht und kommt jetzt endlich auch in den Westen. Wir haben uns das natürlich für euch angeschaut und sagen euch in unserem Test, was sich fürs Finale noch ändern sollte und wo der zweite Teil in Calvard wirklich punktet.
Zeitschleifen-Mechanik lässt es blutig werden
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber Ihr solltet Trails through Daybreak II erst spielen, wenn Ihr den Vorgänger abgeschlossen habt oder am besten gleich die gesamte Serie davor. Zudem sind aufgrund der frühen Wendungen in der Handlung einige kleinere Spoiler in dieser Review unvermeidlich. Einige Monate nach den Ereignissen von Trails through Daybreak arbeitet Van weiterhin als Leiter des Arkride Solutions Office, während wir ins Jahr 1209 übergehen. Im Februar bittet ihn die Bracerin und Kindheitsfreundin Elaine Auclair um Hilfe, um einen mysteriösen roten Grendel zu untersuchen, der auf Video dabei erwischt wurde, wie er eine Einheit der calvardischen Spezialeinheit Hercules massakriert. Wie es sich für eine direkte Fortsetzung gehört, stehen Van und seine Gefährten vor neuen Rätseln und Bedrohungen. Doch anders als in früheren Trails-Spielen gibt es diesmal Situationen, die schlicht zu viel für sie sind – und genau das bildet die Kernidee von Daybreak II. Im Laufe der Geschichte führen verschiedene Ereignisse und Krisen immer wieder zu (oft grausamen) Toden innerhalb der Gruppe oder unter unschuldigen Zivilisten. In solchen Fällen lösen die Genesis-Geräte, die das Solutions Office im ersten Daybreak gefunden hat, ein neues Phänomen aus: Die Zeit wird zurückgespult, wobei die Beteiligten vage Erinnerungen an das bevorstehende Desaster behalten, um es beim nächsten Mal zu verhindern.

Obwohl durch diese Zeitreisen viele potenzielle Todesfälle verhindert werden, bleibt Daybreak II tonal extrem düster. Das Spiel greift politische und gesellschaftliche Themen auf, die insbesondere für westliche Spieler und ganz besonders für jene in den USA ein wenig zu nah an der Realität sein könnten. Das Pacing ist zudem deutlich schneller als in den meisten früheren Teilen, sodass es sich manchmal so anfühlt, als kämen Van und seine Freunde kaum noch zum Durchatmen. Abseits dessen habe ich einige Kritikpunkte an der Handlung. Erstens wirken manche der durch Zeitreisen abgewendeten „Game Over“-Szenarien ein wenig gezwungen oder konstruiert. In einem Fall verlässt sich das Spiel darauf, dass die Charaktere plötzlich nicht mehr so kompetent oder vorausschauend handeln, wie es eigentlich von Profis wie Van zu erwarten wäre. Zudem sind die Rückspul-Mechaniken erzählerisch zwar sinnvoll, spielerisch jedoch eher oberflächlich. Daybreak II bleibt eine weitgehend lineare Geschichte, und die meisten Rücksprünge passieren an festgelegten Punkten – es gibt nur einen einzigen Zeitpunkt, zu dem man zurückspringen kann. Nur in wenigen Fällen hat man tatsächlich die Möglichkeit, durch proaktive Entscheidungen eine Katastrophe ganz zu vermeiden.

Spielerisch entwickeln sich besonders die Kämpfe gekonnt immer weiter
Ein weiterer Punkt ist der Hauptantagonist. Zwar kehrt Ellroy Harwood, der vierte Anguis von Ouroboros, als unterhaltsam diabolischer Gegner zurück, doch der eigentliche Hauptbösewicht von Daybreak II ist im Vergleich zu früheren Gegenspielern der Serie eher schwach. Davon abgesehen bekommt Ihr aber genau das, was Ihr von einem Trails-Spiel erwartet: großartiges Charakterwriting, eine fesselnde Geschichte voller Wendungen und emotionale Momente, die Euch ans Herz gehen. Und auch wenn der Calvard-Bogen (und Zemuria als Ganzes) hier kaum endgültige Antworten liefert – das bleibt wohl Kai no Kiseki vorbehalten – ist Daybreak II ein absolutes Muss, vor allem für die Weiterentwicklung etablierter Charaktere und der Lore, insbesondere im Hinblick auf Renne. Spielerisch baut Daybreak II auf dem Kampfsystem seines direkten Vorgängers auf. Kämpfe laufen weiterhin entweder in Echtzeit oder rundenbasiert ab, allerdings mit einigen Neuerungen. Die erste Kunst in jedem Arts Driver kann nun als Quick Art direkt auf dem Feld gewirkt werden, was neue Flächen- und Distanzoptionen bietet. Quick Arts werden außerdem genutzt, um manche Dungeon-Mechaniken zu aktivieren, wobei diese Funktion nicht besonders ausgeprägt ist. Perfekt getimte Ausweichmanöver ermöglichen einen direkten Wechsel zu einem anderen Charakter, der dann sofort einen aufgeladenen Angriff ausführen kann. Diese Neuerungen bringen nicht unbedingt mehr Tiefe ins Echtzeitkampfsystem, machen aber sehr viel Spaß und so habe ich manche Dungeons viel auch auf dem Feld mit den Echtzeitkämpfen verbracht, aber das rundenbasierte Kämpfen bleibt nach wie vor natürlich das Herzstück von Daybreak II. Hier gibt es vor allem Verbesserungen in der Bedienbarkeit und Balance, zum Beispielprofitieren Magier von Dual Arts, die zwei Elemente kombinieren und damit mehr Flexibilität bieten. Abseits der Kämpfe läuft das Erkunden und Erfüllen von Quests wie gewohnt ab.

Akt I und II sind jeweils in zwei Abschnitte aufgeteilt, die Ihr in beliebiger Reihenfolge angehen könnt, aber insgesamt bleibt das Spiel ziemlich linear. Interessanterweise übernimmt Daybreak II einige Mechaniken, die man sonst eher aus westlichen Spielen kennt: Schleichmissionen, in denen Ihr Personen unauffällig verfolgt – leider genauso sperrig und langweilig, wie man es erwarten würde. Hacking-Minispiele, die überraschenderweise ziemlich spaßig sind und für Türen und verschlossene Truhen genutzt werden und der „Detective Mode“, hier Shard Search genannt, mit dem Ihr Spuren aufdeckt, Shards findet, die dann für Kostüme und Items eingesetzt werden können oder Angelstellen findet. Eine weitere große Neuerung ist der Märchengarten, ein prozedural generierter Dungeon ähnlich dem True Reverie Corridor aus Reverie. Hier könnt Ihr Eure Charaktere trainieren, Ressourcen sammeln und sogar ihre Crafts direkt verbessern. An Charakteren bekommt man hier nach und nach eine wirklich umfangreiche Truppe und kann viel herumexperimentieren. Auf den Etagen des Gartens selbst gibt es immer wechselnde kleinere Aufgaben und am Ende immer einen Boss, die Flure selbst sind aber leider relativ durchwachsen gestaltet und bieten insgesamt wenig Abwechslung. Zum Austoben mit lauter verrückten Kombos an Gruppenmitgliedern taugt das aber sehr gut und macht auch immer wieder Spaß. Optisch und technisch bleibt Daybreak II auf dem Niveau des Vorgängers, solide Performance und hervorragende Synchronsprecher. Leider gibt es wie im ersten Teil immer wieder sie seltsamen Wechsel von vertonten Dialogen hin zu lediglich Textboxen, die mich immer wieder nerven. Trotz einiger Kritikpunkte ist Trails through Daybreak II für Fans der Reihe ein absolutes Muss und ein starkes zweites Kapitel des Calvard-Bogens rund um Van Arkride. Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, was die Zukunft für Falcoms fantastische Serie bereithält.

Ein bisschen Zeitvertreib für Nebenbei
Während bei Daybreak das Fehlen von Minispielen deutlich zu spüren war, scheint Daybreak II dies durch eine Vielzahl von Spielen auszugleichen: Angeln kehrt zurück, Basketball ist nun an mehreren Stellen als Aktivität verfügbar und es gibt ein neues Kartenspiel in Form des UNO-ähnlichen Seventh Hearts. Außerdem gibt es die bereits erwähnten speziellen Schatztruhen, die durch ein Hacking-Minispiel freigeschaltet werden können, bei dem der Spieler die Kontrolle über Mare oder Quatres Drohne FIO übernimmt und ein zeitlich begrenztes Rätsellabyrinth durchläuft, Punkte in der Geschichte, an denen ihr die Kontrolle über FIO übernehmt und durch Schächte gehen müsst, um Lasern auszuweichen, Verfolgungssequenzen in bestimmten Quests, bei denen man jemandem folgen muss, ohne bemerkt zu werden, und vieles mehr. Leider sind viele dieser Minispiele und Aktivitäten einfach nicht besonders gut. Angeln und Basketball können Spaß machen, aber Seventh Hearts ist eine extreme Enttäuschung, da viel zu viel Wert auf Glück gelegt wird und fast nichts auf Geschicklichkeit oder die Entscheidungen des Spielers: Ich hätte es vorgezogen, wenn sie einfach Vantage Masters oder sogar Blade zurückgebracht hätten. Es gibt Punkte in der Geschichte, an denen man an verschiedenen Aktivitäten teilnehmen kann, um die Verbindungspunkte der Charaktere zu erhöhen, aber viele davon sind extrem repetitiv und haben ihr Potential leider etwas verschenkt.

Fazit
Trails Through Daybreak II macht genau da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat, vergisst aber die Story etwas. Denn es stagniert in der übergeordneten Geschichte und konzentriert sich lieber auf die Charaktere, deren Schicksale und lässt diese auch schon einmal sterben. Doch neue Mechaniken und verbesserte Features machen auch diesen Mitteilteil vorm großen Finale zu einem absoluten Muss für Fans und an Content mangelt es euch definitiv auch nicht.

Positiv:
+ Kämpfe machen immer noch Spaß, jetzt mit Verbesserungen und Ergänzungen
+ Charaktere sind das Highlight des Spiels
+ tolle Vertonung
+ Storytelling und Welt sind weiterhin klasse,…
Negativ:
– …wenn diese auch etwas auf der Stelle tritt
– nicht immer alles vertont und generell sehr viele Textboxen (immer noch)
– Zeitschleifen, Minispiele und Märchengarten sind nur okay