Review: Tempest Rising – Back to the roots im RTS Genre

Eines der leicht in Vergessenheit geratenen Genres ist die Echtzeitstrategie oder auch Real-Time-Strategy (RTS). Während Aufbaustrategen immer noch regelmäßig mit neuen qualitativ hochwertigen Spielen versorgt werden, gab es bei RTS in letzter Zeit eher einen Fokus auf Remakes/HD Versionen wie zum Beispiel Age of Mythology (unseren Test findet ihr hier). Slipgate Ironworks und 2B Games möchten diese Lücke und vor allem auch die Nostalgiker mit Tempest Rising bedienen und greifen dabei die Command & Conquer Formel auf wie soviele vor ihnen.

Wenn die Kuba Krise eskaliert

Die Story von Tempest Rising setzt bei einer Eskalation der Kuba Krise an, die im dritten Weltkrieg unter massivem Einsatz von Atomwaffen mündete. Die Strahlung hatte dabei einen unerwarteten Nebeneffekt. Das Wachstum von pflanzenähnlichem Tempest. Tempest steht unter Strom und in den Knospen dieser Pseudopflanze findet sich ein wertvoller Stoff, der vor Energie nur so knistert. Gleichzeitig reduziert Tempest auch die Strahlenbelastung und hat die Gründung der sog. Tempest Dynasty befeuert, die im Spiel den politischen Osten (Russischer Prägung) vertreten. Der Erzfeind die GDF, die, wenig überraschend, das westliche Bündnis darstellen, bilden die zweite spielbare Fraktion.

Der entbrannte Kampf, um die neue Ressource bildet somit die Grundlage für die Kampagne, die man sowohl aufseiten der Tempest Dynasty, als auch aus dem Blickwinkel der GDF spielen kann. Beide Seiten bekommen aber jeweils eigene Missionen und sind kein Dupletten. Außerdem gibt es in der Kampagne sogar ein paar Plottwists, die uns zum Weiterspielen motiviert haben. Das Ganze wird mit 3D animierten Briefings an den Spieler gebracht. Dabei gibt es auch die Möglichkeit Fragen für mehr Backgroundinfos zu stellen. Das beschränkt sich leider auf ein reines Frage-Antwort Schema und hat keinen Einfluss auf die Missionen. Weiterhin gibt es kleine extra gerenderte Introvideos bei jeder Mission, die das Setting und einige der Einheiten zeigen. Das sorgt für Stimmung und ist eine nette Dreingabe.

Tiberiu…Tempest!

Tempest Rising macht zu keinem Zeitpunkt auch nur den leisesten Versuch zu verheimlichen, welche Spielereihe die geistige Vorlage darstellt. Alles schreit vom ersten Moment an Command & Conquer. Ob es nun Tempest statt Tiberium, GDF statt GDI und Tempest Dynasty statt Bruderschaft von NOD heißt ist dabei zweitrangig. Auch die allgemeine Charakterisierung beider Fraktionen ist zu großen Teilen ähnlich. Hier nur von Inspiration zu sprechen, ist fast schon eine Untertreibung.

Fairerweise muss man aber sagen, dass Tempest Rising keine plumpe Kopie ist. Man hätte sich zwar gerne ab und an etwas weiter vom großen Vorbild entfernen dürfen, aber der Nostalgienerv wird dermaßen stark stimuliert, das dieser Gedanke schnell wieder verfliegt. Das führt dann auch dazu, dass man im Optionsmenü danach sucht, ob man Links- und Rechtsklick nicht vertauschen kann, um das old school Feeling noch zu verstärken. Und ja, das kann man.

Veteranen fühlen sich schnell heimisch

Nach der Auswahl der Fraktion in der Kampagne und dem ersten Briefing geht es dann ans Eingemachte. Erste Einheiten werden in den Kampf geschickt, Tempest gesammelt, Gebäude gebaut und neue Soldaten trainiert. Hier hilft es massiv, wenn man bereits RTS gespielt hat. Ohne Wissen über Strg+X Gruppen würden wir das nämlich erst in der dritten Tempest Dynasty Mission lernen. Und auch in den ersten zwei Missionen ist es schon sehr praktisch seine Einheitentypen zu gruppieren. Ein klassisches Schere Stein Papier Prinzip bestimmt nämlich die eigene Effektivität und wer mit Maschinengewehre auf Panzer schießt, wird wenig Erfolg haben. Auch A+Linksklick für Attack Move oder Shift für aneinandergehängte Befehle sind essentiell, um seine Armee effektiv zu befehligen.

Tempest Rising GDF

Wer ohne dieses Wissen startet, wird dementsprechend auch stärker gefordert und sollte auf den ersten beiden Schwierigkeitsgraden verweilen. Veteranen können aber auch schon einen Blick auf die harte Variante werfen, könnten dort aber an ein paar Stellen auch ins Straucheln geraten. In jedem Fall sind wir als ehemalige RTS Spieler auf Normal in ca. 11h durch jeweils eine der Kampagnen gekommen, was einen ordentlichen Wert darstellt. Die Missionen waren dabei abwechslungsreich, da zwischen „unerkannt im Feindesland“, klassischem Basisaufbau sowie Eskort- und Verteidigungsmissionen variiert wurde. Es gab keine großen Überraschungselemente wie zum Beispiel steigende Lava wie bei Starcraft II o.Ä., aber uns wurde definitiv auch nicht langweilig. Geärgert haben wir uns nur manchmal über das Pathfinding der Einheiten, das in seltenen Situationen Totalausfälle hatte. An Engstellen kann soetwas tödlich sein.

Wer sich davon nicht abhalten lässt in den Missionen fleissig Nebenziele zu erfüllen, bekommt zudem noch die Möglichkeit passive Upgrades freizuschalten, die dauerhaft die Kampagne erleichtern. Das geschieht einerseits durch sogenannte Doctrins, die am ehesten wie ein sehr simpler linearer Skilltree zu verstehen sind und andererseits durch Armory Upgrades, die man mit einem Punktebudget auswählen und austauschen kann.

Eine Wundertüte an Einheiten

Und da bekommt man alles geboten, was man sich so von einem semi sci-fi RTS wünscht. Neben Standard Maschinengewehr- und Flammenwerferinfanterie, gibt es z.B. bei der GDF auch Drohnenoperateure, die man mit Micromanagement bis zu einer gewissen Reichweite auch von ihren Drohnen trennen können. Auch Spezialeinheiten mit Sniperwaffen oder AoE Fähigkeiten sind mit von der Partie. Im Schlachtengetümmel mit vielen Einheiten sind diese Fähigkeiten aber sehr schwer effektiv zu verwenden. Im Kampagnensetting gibt es aber genug Stellen, an denen man mit sehr wenig Einheiten, sehr viel erreichen kann.

Wer eher auf schwerere Geschütze steht, findet auch Einiges an Spielzeug auf beiden Seiten. Panzer mit verschiedenen Bewaffnungen, leichte und schnelle Buggies sowie Flugeinheiten für verschiedene Einsatzzwecke. Und wer mit Ingenieuren gegnerische Gebäude übernimmt, der kann auch die Einheiten der Gegenseite verwenden. Unsere Lieblingseinheit war aber mit Abstand die Tempest Sphere: Eine Kugel, die man bei der Tempest Dynasty findet, die schlicht und ergreifend über Feinde rollt und für massiven Schaden sorgt.

Multiplayer muss natürlich sein

Die neun Multiplayermaps für bis zu vier Spieler bieten geographische Abwechslung und sind auch mit neutralen Gebäuden gespickt, die von Ingenieuren eingenommen werden können. Dadurch kann man z.B. Passagen absichern oder sich Zusatzeinkommen besorgen. Die Unterschiede zwischen GDF und Tempest Dynasty, machen das Ganze auch recht interessant. Wo die Tempest Dynasty Gebäude quasi auflädt und sie dann fixfertig hinstellt, muss die GDF auch den Rohbau schon auf der Karte platzieren. Dafür kann die GDF die Gebäude direkt platzieren, während die Tempest Dynasty jedes fertige Gebäude erneut selektieren und den Bauort wählen muss, bevor das nächste drankommt.

Ein weiterer Unterschied ist, dass die Dynasty mit dem Gebäude zum Vehikelbau beginnt, während ihre Gegenspieler zunächst auf Infanterie setzen. Weitere Foki der GDF sind auch das Markieren von Gegnern für Bonusschaden sowie das Sammeln von Intel, einer Zusatzressource, die für Spezialfähigkeiten notwendig ist. Die Dynasty dagegen kann ihre Generatoren überladen, was danebenstehende Gebäude in einen Overdrivemodus versetzt. Und auch ihre Pläne, die z.B. passiv Kosten reduzieren sind eine Spezialität, die der Fraktion vorbehalten bleibt.

Ob das dann schlussendlich alles auch gut gebalanced ist, wagen wir derzeit nicht zu sagen. Der Anspruch scheint aber da zu sein, denn die ranked online Partien werden mit einem Glicko-2 Rating System ausgestattet. Das lässt sich am besten mit dem aus dem Schach bekannten ELO System vergleichen. Genauere Infos könnt ihr hier auf Wikipedia finden. In jedem Fall soll dieses System sicherstellen, dass gleich starke Spieler zueinander finden.

Darfs ein bisschen Schwermetall sein?

In Sachen Grafik und Sound liefert Tempest Rising solide ab. Die Alleskönner Unreal 3 Engine bietet hübsche Modelle, Landschaften und natürlich Explosionen. Die Briefings sind gut animiert, auch wenn die Mimik der Figuren manchmal ein bisschen seltsam wirkt. Da das Spiel in einer relativ nahen Zukunft auf der Erde spielt, gibt es erst zum Ende der Kampagne optisch auffällige Elemente. Stattdessen herrschen sehr natürliche Farben vor, was dem ein oder anderen vielleicht etwas fad vorkommen könnte.

Auf jeden Fall nicht fad ist der Soundtrack, der besonders während Kämpfen von schweren E-Gitarren dominiert wird. Auch hier wurde sich am Metal Soundtrack Command & Conquers orientiert. Und auch hier war das kein Fehler. Eine Weisheit, die sich quer durch das ganze Spiel zieht.

Fazit

Alles in Allem hat Slipgate Ironworks mit 2B Games eine gelungene Mixtur aus modern und sehr klassischem Echtzeitstrategiespiel geliefert. Tempest Rising ist damit wohl der legitime Nachfolger der legendären Command & Conquer Reihe, die leider stark nachgelassen hat. An der ein oder anderen Stelle hätten sich die Entwickler zwar durchaus auch mehr trauen und den C&C Trampelpfad verlassen dürfen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Die Kampagne unterhält und Potential für spannende Multiplayerschlachten ist auf jeden Fall gegeben, wenn das Balancing stimmt bzw. laufend verbessert wird. Eine Revolution ist Tempest Rising nicht, aber wir würden uns definitiv über ein Addon und ggf. eine dritte spielbare Fraktion freuen.

  • Endlich wieder Echtzeitstrategie
  • Klassische Kampagne mit diversen Missionszielen
  • Abwechslungsreiche Auswahl an Einheiten
  • Potential für spannende Multiplayerschlachten und auf dem Papier ein gutes Rankingsystem
  • Die solide Grafik und der Metalsoundtrack sorgen für die richtige Atmosphäre
  • Ost vs West bzw. NOD vs GDI ist ziemlich ausgelutscht
  • Selten aber doch: Pathfinding Totalausfälle
  • Micromanagement in großen Schlachten sehr schwierig
  • Mehr Mut den Command&Conquer Pfad weiter zu verlassen hätte dem Spiel sicherlich gut getan
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Written by: Steve Brieller

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