Review: System Shock – Willkommen in der düsteren, aufpolierten Zukunft von 1994

Es kommt nicht oft vor, dass 30 Jahre verstreichen, bevor ein PC-Titel auch auf Heimkonsolen erscheint! Dass es dennoch möglich ist, hat nun ein Shooter-Klassiker gezeigt, dessen Gameplay-Einflüsse bis in das aktuelle Videospiel-Umfeld reichen. Die Rede ist natürlich von System Shock, ursprünglich von Looking Glass Technologies entwickelt, und 1994 veröffentlicht. Auf PC erschien der Titel 2023 schließlich das eigens entwickelte Remake von Nightdive Studios – einem Studio, das sich schon lange davor einen Namen mit exzellenten Neuauflagen von Videospielen gemacht hat. Was sollte da also groß schiefgehen? Nachstehend könnt ihr direkt von unseren Ersteindrücken lesen!

Willkommen im Reich von SHODAN, KI und Göttin gleichermaßen

Cyber-Kriminalität zahlt sich nicht aus, Kinder!

Schöne neue Welt – wir surfen im Internet und wollen „illegal“ ein militärisches Neuro-Implantat runterladen – ein paar Momente später stürmen Einsatzkräfte auch schon unsere im Cyberpunk-Stil eingerichtete Wohnung. Pech gehabt! Doch das Glück im Unglück folgt wenig später – der Vizepräsident von TriOptimum, Edward Diego, gewährt uns Amnestie bei einer Unterredung auf der Citadel Station, wenn wir uns für ihn in das Heimnetzwerk namens Sentient Hyper-Optimized Data Access Network – kurz SHODAN – hacken und jegliche ethische Parameter deaktivieren. Gesagt, getan – was könnte denn schon Schlimmes geschehen? Im Gegenzug erhalten wir ja auch das gewünschte, Implantat! Sechs Monate im Koma nach der Operation werden die Dinge allerdings ganz anders stehen…

Der Vize hat ein unmoralisches – und unethisches – Angebot in petto

SHODAN hat in der Zwischenzeit die Station im Weltraum komplett an sich gerissen: alle Roboter stehen unter ihrer Kontrolle und verletzte Menschen werden auf der Krankenstation, anstatt geheilt zu werden, direkt zu unterwürfigen Cyborgs umgebaut. Doch damit nicht genug: die KI mit Gott-Komplexen möchte jetzt die gesamte Erdbevölkerung auslöschen und so mit ihren Untertanen zur unbestreitbaren Alleinherrscherin aufsteigen. Spätestens jetzt würde sich jeder Mensch mit den Worten: „Halt! Stopp! So nicht!“ einschalten und genau das macht der namenlose Hacker unter unsere Kontrolle auch.

Wenn wirklich alles gegen einen scheint, gibt es wenigstens Sprachnachrichten von Rebecca Lansing als Silberstreif am Horizont

Und so beginnt die Reise über die vielen Ebenen der Raumstation tief im Weltall, gefüllt mit Cyborgs, Mutanten, Robotern, die alle durch das eine Ziel geeint werden: SHODAN zu ihren Zielen verhelfen und jeglichen Widerstand erbarmungslos vernichten. Zu allem Überfluss gibt es auch mehrere Wiedersehen mit Edward Diego, der sich nach seinen illegalen Machenschaften nun SHODAN komplett verschrieben hat und dafür entsprechende körperliche Aufrüstungen erhalten hat. Einzig durch Nachrichten von Rebecca Lansing, einer auf der Erde ansässigen Konter-Terroristen, spürt man ein wenig Rückhalt. Man merkt, es gibt jede Menge Dinge, dich sich in den Ecken und Winkeln der labyrinthischen Station verstecken, Langeweile gehört aber definitiv nicht dazu…

Gameplay-Elemente eines Shooters aus den frühen 90ern, die später zu Maßstäben des Genres wurden

Der TB-05 Sparqbeam kann per Tastendruck zwischen schwachem und starkem Modus wechseln. Für die kräftigsten Gegner besteht auch noch die Möglichkeit, sie zu überladen. Bei anderen Waffen lässt sich zudem die Muntion wechseln.

Ganz klassisch für Shooter beginnt man mit einem sehr überschaubarem Arsenal an Waffen zu Beginn: Ein Bleirohr und eine Laser-Pistole, die TB-05 Sparqbeam, stehen innerhalb der ersten Spieleminuten zur Verfügung. Natürlich wird man aber im Spieleverlauf auch Waffen wie Gewehre und Schrotflinten erhalten. Grob unterschieden können dabei zwischen den Waffen, die Standard-Munition verwenden und solchen, die mit Energie aufgeladen werden, wie den Sparqbeam oder auch das Laser-Rapier. Energie kann an den dafür vorgesehenen Aufladestationen, die überall auf der Station verteilt sind, ganz einfach wieder regeneriert werden. Generell sollte man ebenso darauf achten, nicht zu viel mit sich zu tragen, da man ansonsten nichts mehr aufnehmen kann. Also am besten von jeder Waffe nur ein Exemplar – in diese könnten man dann auch die entsprechenden Mods, die von Mod-Kit-Stationen gekauft werden können, installieren.

Hier haben wir eine zweite Schrotflinte aufgenommen, da sich noch Schrot-Munition in ihr befand. Über den Menüpunkt „Leeren“ erhalten wir diese und legen sie danach wieder ab.

Doch nicht nur Waffen können Mods ausrüsten, auch der Charakter selbst ist mit weiteren Implantaten ausrüstbar, was dem Spiel einen gewissen RPG-Aspekt gibt: beispielsweise kann man sich durch auffindbare Upgrades mit einem Schild ausrüsten (das allerdings auch Energie verbraucht) oder aber die Gegner auf ihre HP analysieren. Einige der Implantate können zudem bis zu Version 3 installiert werden. Darüber hinaus steigert sich mit manchen auch die Größe des Inventars, die Geschwindigkeit beim Laufen oder die Höhe beim Springen. Dies vermag erstmals ziemlich unnütz zu sein, doch wer sich die Karten der verschiedenen, durch Lifte verbunden Ebenen von System Shock ansieht, wird merken, dass sie verdammt komplex aufgebaut sind.

Bereits die allererste Ebene, genannt „Medizin“, hat es in sich!

Dazu kommt, dass euch das Spiel, das im Herzen ja drei Jahrzehnte alt ist, in keinster Weise an der Hand nimmt! Es sind zwar zu Beginn grob die vier Parameter (Kampf, Mission, Cyber und Rätsel) in drei Schwierigkeitsstufen einstellbar, aber selbst als wir „Mission“ auf Stufe 1 gestellt haben, wird uns nur ein simpler Textmarker für das jeweils nächste Ziel spendiert. Normalerweise muss man sich mit den spärlichen Hinweise durch Audio-Logs und USB-Sticks selbt einen Reim darauf machen, wie weiter zu verfahren ist.

Auf Stufe 3 hat man sogar nur 10 Stunden Zeit, um SHODAN das Handwerk zu legen

Hilfreich ist es auch, wenn man jegliche Automaten nutzt, die man auf der Citadel so findet: Wir sprechen von der Recycling-Anlage, die auch in Prey zu finden ist, bis zu den Hacking-Minispielen, bei denen BioShock-Spieler ein Déjà-vu haben werden. Allerdings sind auch diese um ein ganzes Eck knackiger als in ihren geistigen Nachfolgern. So reicht es nicht nur, die Energie vom Ausgangspunkt zum Ziel zu befördern, es muss nun auch die korrekte Menge an Energie sein, und obendrauf haben die verschiedenen, einzusteckenden Kabel noch zumeist unterschiedliche Energie-Level.

Im abgebildeten Beispiel haben wir Schalter und Leitungen bereits einigermaßen richtig gestellt, aber nun ist die zugeführte Energie zu hoch – sie müsste eigentlich genau zwischen den beiden blauen Lichtern am oberen Rand liegen.

Die Nostalgie des Cyberspace – und die Tücken von SHODAN

Die Cyberspace-Level erinnern noch am ehesten an die technologischen Vorstellungen Mitte der 90er

Das Gameplay wandelt dreht sich um 180 Grad sobald man sich für den weiteren Spieleverlauf an den Ports in den Cyberspace einklinkt: denn dann wird System Shock für einen kurzen Abschnitt zu einer Art 3D-Space-Shooter, in dem man frei durch den Raum fliegt, auf unterschiedliche Gegnertypen schießt und Upgrades aufsammelt. Beispielsweise werden im Laufe des Spiels auch Widersacher mit Eis-Schilden auftauchen – besiegt können sie nur mit einem davor aufgesammelten Bohrer werden. Am Ende erreicht man schließlich einen Knotenpunkt, der im Cyberspace leuchtet und pulsiert. Durch dessen Beschuss erreicht man das Ziel – meist eine Türe zu öffnen – und kann über ein Portal flüchten. Sollte das nicht gelingen und man verliert im Cyberspace die gesamte Gesundheit, trägt man auch außerhalb der digitalen Welt einen Teilschaden.

SHODAN ist immer und überall – zumindest mit einem bösen Spruch, am schlimmsten aber mit aktiven Fallen oder bösen Überraschungen.

Es ist leicht erkennbar, dass System Shock eines von den Spielen ist, die einem kaum etwas schenken. Und selbst wenn man oft speichert, genügend Heil-Items bei sich trägt und sich insgesamt gut ausgerüstet fühlt, kann sich die Situation sehr schnell wieder ändern, wenn SHODAN direkt ins Geschehen eingreift. Diese Interventionen reichen von dem Abschalten einer Laser-Brücke, auf der man sich gerade befindet, bis zum Freilassen von radioaktiven Mutanten aus ihren Behältern.

Und plötzlich stehen ein einem Raum, den wir schon einige Male durchquert haben, ein völlig neuer Gegnertyp am Start. Danke, SHODAN!

Das Geniale an System Shock ist – damals wie heute -, dass man sich stets von der bösartigen K.I. beobachtet fühlt, außer man schießt alle Kameras einer Ebene nieder und senkt so das „Sicherheitslevel“ auf null. Dies ist aber erst möglich, wenn man überhaupt die gesamten Korridore der verschlungenen Levels erst erkundet hat. In der Zwischenzeit kann SHODAN Gegner einfach aus dem Boden heraus absetzen – jegliche von Feinden gesäuberte Räumlichkeit bleibt also trotzdem ein Risiko. Die besten Interventionen bleiben aber die von der Art, wo SHODAN hinterhältig unseren Spieleverlauf zu sabotieren versucht!

Auch einfache Mutanten – von den Tiermutanten in den späteren Leveln wollen wir gar nicht erst reden -, können in größerer Zahl gefährlich werden. Zum Glück kann man auch Granaten werfen!

Mit genug Vorbereitung, also Patches, sowohl Medi- als auch Berserker-Bosstern, und Verbandskästen auf Vorrat, – sowie manuellen Speicherpunkten -, ist das Remake des SF-Klassikers auch auf dem klassischen Schwierigkeitsgrad bestehbar. Profis probieren sich natürlich an dem Schwierigkeitsgrad der von der Community „3333“ genannt wird – also mit allen vier Reglern auf höchstem Niveau! Hierbei kann man mit ca. 30 Stunden Spielzeit rechnen, bei einem Speedrun auf den niedrigeren Level mit weit unter 10 Stunden.

Fazit

Nightdive Studios hat System Shock neues Leben eingehaucht, und das wohl auf die beste mögliche Weise! Die antagonistische SHODAN ist mir ihrer kleinen Armee, welche die klaustrophobischen Gänge der Citadel Station bevölkern, so bedrohlich wie eh und je. Mit dem individuellen Schwierigkeitsgrad lassen sich manche Faktoren des Spiels entschärfen, man merkt aber in jedem Fall die Erbarmungslosigkeit der Vorlage – so wie ihr richtungsweisendes Gameplay, dessen Elemente auch in aktuellen Spieletiteln auffindbar sind! Das Remake meistert die Anforderung, schlecht gealterte Aspekte zu auf den neusten Stand zu bringen, ohne auch nur ein Stück der Atmosphäre des Originals von 1994 zu verlieren.

Positiv:

+ Klaustrophobisches Setting mit der ständigen Präsenz von SHODAN hat nichts an seiner Atmosphäre verloren

+ dem Remake gelingt es, alle Komponenten zu aktualisieren und der Vorlage äußerst getreu zu bleiben

+ individuell einstellbarer Schwierigkeitsgrad macht die Spiele-Erfahrug zugänglicher

Negativ:

– der Konsolen-Port weist noch einige Text-Bugs auf

– nicht abgerundetete Gameplay-Elemente werden Neulingen aufstoßen

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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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