Besser als Stellar Blade kann ein Debüt nicht ausfallen. Der koreanische Entwickler Shift Up, der durch den Erfolg seines frechen Smartphone-Gachas NIKKE: Goddess of Victory bereits finanziell gut dasteht, hat sich für den Weg des größten Widerstands entschieden und wendet sich mit diesem wilden Action-Adventure dem AAA-Bereich zu. Trotz der damit verbundenen Risiken hat es die Landung wie eine akrobatische Anime-Heldin gemeistert, die sich zwischen tödlichen Laserstrahlen hindurchwindet. Das heißt, es ist ein PS5-Konsolenexklusivtitel, der es wert ist, gespielt zu werden. Mehr dazu in unserem Test.
Nackte Tatsachen sollen wohl vom Plot ablenken
Ihr seid Eve, eine dralle Supersoldatin mit einer unerschütterlichen Entschlossenheit. Die Erde wurde von einer außerirdischen Rasse von Cthulhu-ähnlichen Abnormitäten namens Naytibas besiedelt und es liegt an euch und einer Notbesatzung von Verbündeten, den Kampf gegen die außerirdischen Eindringlinge aufzunehmen. Die Geschichte rund um die künstliche Intelligenz ist weitgehend banal, während das Studio bekannte Themen wie die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, abhandelt. Auch wenn die Geschichte nicht wirklich die emotionalen Töne trifft, die sie anschlägt, was vor allem an der miserablen englischen Synchronisation liegt, ist das Skript zumindest sehr engagiert und es gibt viel zu entdecken, wenn man die Geduld hat, sich durch die Hunderte von Textprotokollen zu lesen, die man im Laufe der etwa 20-stündigen Kampagne entdeckt. Somit gehen wir schnell zum eigentlichen Hauptteil über, dem Gameplay.
Der Kampf bewegt sich auf einem Mittelweg zwischen Dark Souls und Devil May Cry und kann vielleicht am ehesten mit Sekiro: Shadows Die Twice und God of War Ragnarok verglichen werden, wo das rhythmische Parieren eine zentrale Rolle in der Spielmechanik einnimmt. Feinde können ins Wanken gebracht werden, indem man ihre Angriffe erfolgreich abwehrt, was zu einem Gegenangriffsstil führt, der viel erfüllender ist, als es auf den ersten Blick scheint. Auch wenn die Action in Eins-gegen-Eins-Szenarien zweifellos am besten ist, sorgt ein enormer Fertigkeitenbaum, der eure Kampffähigkeiten nach und nach erweitert, dafür, dass die Dinge von Anfang bis Ende frisch bleiben, und gibt euch jede Menge Werkzeuge an die Hand, mit denen ihr eure Widersacher ausschalten könnt. Besagte Angreifer sind sowohl künstlerisch als auch mechanisch großartig gestaltet. Die Feinde nehmen verschiedene groteske Formen an, und obwohl das Gameplay im Großen und Ganzen seinem Kampfkonzept treu bleibt, werdet ihr ständig aufgefordert, euren Kampfstil zu verfeinern, um weiterzukommen. Das wird besonders bei den vielen Bosskämpfen deutlich, bei denen ihr in mehreren Phasen des Kampfes überlegt vorgehen müsst. Während die Action auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll sein kann, gibt es im clever implementierten Story-Modus Assistenten, die euch dabei helfen, das richtige Timing für defensive Konter zu finden, ohne dabei den äußerst befriedigenden Akt des perfekten Ausweichens oder Parierens völlig zu automatisieren.
Unglaublich befriedigende Konter- und Kampfmechaniken
Im Spiel gibt es natürlich mehr als nur den Kampf, und Shift Up hat ein gutes Gespür für das Tempo, denn der Spielfluss wird verlangsamt, wenn ihr eine Pause braucht. Einige leichte Jump’n’Run-Aspekte können aufgrund mangelnder Präzision frustrieren, aber die Rätsel sind größtenteils unterhaltsam und das Studio hat sogar eine Handvoll verschiedener Hacking-Minispiele eingebaut, um für Abwechslung zu sorgen. Während der größte Teil der Kampagne einem linearen Format folgt, bei dem ihr zwar in eine bestimmte Richtung gelenkt werdet, aber auch die Möglichkeit habt, abseits der ausgetretenen Pfade zu spielen, bieten euch ein paar größere Level die Freiheit einer kleinen Sandbox. Es gibt sogar einige Shooter-Abschnitte im Stil von Resident Evil.
Diese Open-World-Gebiete sind in der Regel klein genug, um die begrenzten Bewegungsmöglichkeiten eures Arsenals zu berücksichtigen, und obwohl sie nur wenige bedeutsame Orientierungspunkte haben, geben sie dem Abenteuer ein wenig Raum zum Atmen. Die Nebenquests beschränken sich größtenteils darauf, Wegpunkten zu folgen und mit Questmarkern zu interagieren, aber es gibt immer einen Kontext zu dem, was man tut, auch wenn die meisten Nebenhandlungen eher düstere und deprimierende Wendungen nehmen. Wie sehr ihr euch auf die optionalen Inhalte einlasst, bleibt euch überlassen, aber wenn ihr alles abschließt, kann sich die Gesamtlänge des Abenteuers verdoppeln und es lohnt sich, alternative Enden zu finden. Die Art und Weise, wie Shift Up mit dem Post-Game umgeht, zeugt allerdings von einem Mangel an Erfahrung. Während Titel wie God of War Ragnarok es euch erlauben, euer Abenteuer nach dem Abspann fortzusetzen, unabhängig davon, welche weltverändernden Ereignisse stattgefunden haben, gibt es hier einen festen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt – und wenn der Titel euch unmissverständlich auffordert, eure Sache zu beenden, dann meint er das auch wirklich so, denn es gibt kein Zurück mehr. Das ist eine Schande, denn trotz des düsteren Zustands der Erde macht es Spaß, dort herumzulaufen.
Audiovisuell wirklich eine Wucht
Ein absolut großartiger Soundtrack, der mühelos von K-Pop über elektronische Klänge bis hin zu Hair Metal reicht, ist eines der herausragenden Merkmale des Spiels und verliert auch nach stundenlangem Hören der gleichen Musik nicht an Glanz. Die visuelle Identität ist ebenfalls stark: Das Spiel ist zwar keine technische Meisterleistung, aber die künstlerische Gestaltung ist hervorragend und die angestrebten 60 Bilder pro Sekunde bleiben auch in den intensivsten Momenten im Modus „Balanced“ relativ stabil. Das Spiel hat auch einiges an Qualität zu bieten. Eve kann alle möglichen kosmetischen Optionen freischalten, von kompletten Outfits bis hin zu Ohrringen und sie ist ein Charakter, der euch ans Herz wachsen wird, wenn sie auch durchweg ein bisschen zu schlicht ist und der viele Fanservice mitunter auch von der eigentlichen Qualität des Spiels ablenken kann. Ein obligatorisches Angel-Minispiel bringt Abwechslung in die Aktivitäten des Titels, während Sammelobjekte ihre eigenen, einzigartigen Belohnungsschleifen haben. Einige Quests enden mit Erinnerungsstücken, die ihr in eurer Heimatbasis ausstellen könnt, eine nette Idee, die euren Charakter unterstreicht.
Fazit
Stellar Blade ist ein großartiger Action-Titel, der neben massig Content auch unheimlich motivierende Kämpfe und sich weiterentwickelnde Fähigkeiten bietet. Es sieht super aus, hört sich wie eine Cousine vom Nier-OST an und macht durch die stetigen Abwechslungen auch durchweg Spaß. Nur eine ausgearbeitete Geschichte mit guten Charakteren sollte man nicht erwarten, da sollen wahrscheinlich auch die vielen freischaltbaren Outfits von ablenken.
Positiv:
+ imposante Optik
+ tolles Gegnerdesign
+ sehr guter Soundtrack
+ motivierendes, sich weiterentwickelndes Kampfsystem
+ super Pacing
Negativ:
– etwas lahme Story und Charaktere
– Nebenquests recht standard
– der viele Fanservice bleibt Geschmackssache