Videospiel-Marketing ist manchmal… na ja, sagen wir freundlich: leicht irreführend. Nicht unbedingt komplett daneben, aber oft bekommt Ihr im Trailer eine Vision verkauft, die das eigentliche Spielgefühl am Ende nicht widerspiegelt. Steel Seed, das neue Stealth-Abenteuer von Storm in a Teacup, ist da ein gutes Beispiel. Nach dem ersten Trailer war unsere Neugier geweckt, Action, Exploration, Drama. Doch nach ein paar Stunden mit dem Spiel blieb vor allem eines hängen: Ernüchterung. Doch Teile vom Spiel haben uns auch durchaus überzeugen können. Mehr dazu in unserem Test.
Falls ihr im Genre noch neu seid, fangt hier an
Steel Seed spielt in einer Zukunft, in der die Erde unbewohnbar geworden ist. Maschinen regeln den Rest, Menschen vegetieren in unterirdischen Anlagen. Ihr schlüpft in die Rolle von Zoe, begleitet von einer fliegenden Drohne namens Koby, auf der Suche nach der Wahrheit über den Untergang der Menschheit. Klingt dramatisch? Joa, leider eher auf dem Papier. Die Story ist weder besonders mitreißend noch gut erzählt. Der Einstieg kommt gehetzt daher und lässt einen emotional kalt zurück. Wir mussten tatsächlich ein paar Cutscenes doppelt ansehen, nur um wieder auf dem Stand zu sein. Die Dialoge zwischen Zoe und Koby? Meh. Zoe ist ständig am Sprüche klopfen, Koby antwortet, aber irgendwie wirkt das Ganze eher wie ein Monolog mit Soundeffekten. Kein echtes Band zwischen den Figuren und das ist schade.

Aber hey, wenigstens das Gameplay macht größtenteils wirklich Spaß. Steel Seed verlässt sich ganz auf Stealth und das funktioniert auch ganz gut. Zoe bewegt sich schnell und präzise, das Klettern und Parkour-Elemente erinnern leicht an Uncharted oder Assassin’s Creed, nur eben deutlich simpler. Kein großes Kopfzerbrechen, aber kleine Erfolgsmomente gibt’s trotzdem. Das Herzstück des Spiels: schleichen, verstecken, zuschlagen. Ihr duckt Euch, schleicht an Gegner ran, schaltet sie aus, alles wie man’s kennt. Dazu gibt’s Köder zum Ablenken und ein Alarmsystem, das Euch immer zeigt, wie aufgeregt die Gegner gerade sind. Wer Stealth kennt, weiß also sofort, wie der Hase läuft, Überraschungen sind eher Mangelware. Aber: Das muss kein Nachteil sein. Wer eine entspannte Runde Schleichen sucht, bekommt hier genau das.

Solides Gesamtpaket, das leider hinter seinen Erwartungen bleibt
Ein spannender Aspekt: der Skilltree. Gegner lassen beim Ausschalten eine Ressource namens „Glitch“ fallen, die Ihr dann zum Freischalten neuer Fähigkeiten nutzen könnt. Manche Skills bekommt Ihr aber nur, wenn Ihr bestimmte Aufgaben erfüllt – also Gegner auf bestimmte Arten erledigt, etc. Das ist clever und motivierend. Schade nur, dass viele dieser Fähigkeiten nicht einfach zur Standardausrüstung gehören. Man hat das Gefühl, dass hier Potenzial verschenkt wurde. Warum nicht gleich als Belohnung im Storyverlauf? So wirkt es ein wenig wie ein optionaler Bonus statt einem essenziellen Bestandteil des Spiels.

Etwas überraschend ist der Versuch, Action-Kampf ins Spiel zu integrieren. Zoe kann Kombos, Ausweichrollen und fette Schläge austeilen, sogar Koby mischt mit. Das Kampfsystem ist halbwegs flüssig und okay umgesetzt, aber: Warum überhaupt? Steel Seed schreit an jeder Ecke „Stealth“, und sobald Zoe entdeckt wird, kippt die Balance, denn viel steckt sie nicht ein. Trotzdem ist es ein ganz nettes Feature für die Momente, in denen einem das Schleichen auf die Nerven geht. Macht das Spiel nicht besser, aber immerhin abwechslungsreicher. Visuell macht Steel Seed vieles richtig, aber auch ein bisschen falsch. Die Welt ist düster, manchmal fast zu düster. Selbst mit erhöhter Helligkeit sind manche Abschnitte schwer zu erkennen. Ob das Stilmittel oder Bug ist? Schwer zu sagen. Ansonsten lief alles rund, keine Abstürze, keine gravierenden Bugs. Technisch solide. Unterm Strich ist Steel Seed ein funktionierendes Schleich-Abenteuer mit guten Ansätzen, aber wenig Persönlichkeit. Wer Bock auf ein solides, stressfreies Stealth-Erlebnis hat, wird hier bedient, sollte aber keine großen Emotionen oder spielerischen Offenbarungen erwarten. Für ein Wochenende auf der Couch okay. Mehr aber auch nicht.

Fazit
Steel Seed hat sich die Messlatte selbst vielleicht etwas zu hoch gelegt. Denn ein Action-Feuerwerk ist es nicht, sondern es glänzt eher aus dem Dunklen heraus. Stealth ist hier klar der Fokus und gepaart mit einer soliden Sci-Fi-Geschichte kommt da auch immer wieder Spaß auf. Doch das Ganze lehnt sich eher an Spielende, die mit dem Genre noch nicht vertraut sind.

Positiv:
+ einladende Stealth-Mechanik
+ interessantes Setting
+ flüssige und reaktionsschnelles Movement und Parkour
Negativ:
– fehlende Dynamik zwischen den Charakteren
– Gameplay entwickelt sich nicht weiter