Review: Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster – Tolle Neuerungen für eine ohnehin grandiose, aber knallharte Rollenspiel-Perle

Nachdem die ziemlich erfolgreichen Spin-Offs der Persona-Serie bereits für große Bekanntheit, auch außerhalb Japans, gesorgt haben, wagt Atlus nun den Schritt einen Klassiker der Shin Megami Tensei-Hauptserie in die Neuzeit zu holen – Nocturne. Für Fans und welche, die es noch werden wollen gibt es nun also die Möglichkeit das 2003 erschienene knallharte JRPG auf aktuellen Plattformen inklusive einiger neuen Features zu erleben. Ob dies gelungen ist oder man durch aktuelle Genre-Veränderungen bereits an zu viel gewohnt wurde, zeigt euch nun unser Test.

Das Dark Souls unter den JRPGs und ein Pokémon für Erwachsene

Das seltsame Pärchen gibt Fragen auf, liefert aber gleichzeitig auch Antworten zum Spielgeschehen

Ein bisschen Wahrheit steckt in beiden Aussagen, denn der Einstieg ist wahrlich nicht einfach. Das Spiel gibt euch nicht allzu viel Hilfe und lässt euch häufig selbst den Weg wählen, auch wenn dieser vielleicht in eine Richtung führt, die eigentlich erst viel später und mit mehr Erfahrung bestritten werden sollte. Speichern ist nur manuell an festgelegten Punkten möglich und sobald euer Haupcharakter im Kampf fällt, ist das Spiel vorbei. Obwohl so ganz stimmt das nicht, denn das Remaster gibt euch die Möglichkeit jederzeit abzuspeichern, allerdings hat das Ganze einen Haken: Sobald ihr diesen Spielstand ladet, wird dieser gelöscht, sodass euch dies keinen zweiten Versuch lässt (Außer natürlich ihr seid ein Fuchs und ladet diesen Save dann in eure Cloud, aber das habt ihr nicht von uns). Aber ähnlich zu den Souls-Spielen hat diese knallharte Mechanik einen ganz besonderen Reiz und jeder bezwungene Boss gibt einem ein Gefühl von Erleichterung und Triumph, besonders wenn man es danach noch zu einem Speicherpunkt schafft.

Die neue Sprachausgabe trägt super zur Atmosphäre bei

Nocturne spielt im heutigen Tokio nach einem Ereignis namens “Empfängis”, bei dem die normale Welt durch die Handlungen eines Kults zerstört wird, um die Stagnation und den endgültigen Untergang der Welt zu verhindern, wie es der “Große Wille” vorschreibt, der das Dasein regiert. Tokio verwandelt sich in ein Ödland im Inneren einer Sphäre, in der die Geister der Menschen leben, die bei der Empfängnis gestorben sind. In dieser Welt leben Dämonen, die miteinander Krieg führen, und gottähnliche Wesen, die sich aus der Versammlung von einer Kraft namens Magatsuhi durch Menschen mit einem Gottheits- oder Dämonenwirt gebildet haben. Der namenlose Protagonist ist der Spielercharakter: Er ist ein gewöhnlicher Junge, der neben mehreren anderen Charakteren die Ereignisse am Anfang des Spiels überlebt und sich in der neuen Welt wiederfindet, ohne zu wissen was mit seinen Freunden oder der Lehrerin passiert ist, welche man anfangs noch trifft.

Mit jedem neuen Level gibt es neben neuen Skills auch einen Punkt zu verteilen

Viele von ihnen repräsentieren verschiedenen Routen, die der Spieler wählen kann, wobei nicht immer klar ist welche Handlung welcher Ideologie zugutekommt und ihr somit keine klare Verteilung zwischen gut und böse habt. Jeder der Weltanschauungen hat irgendwie verständliche Argumente und letzlich ist keines der sechs verschiedenen Enden ein wirklich schlechtes, wenn auch ein einzelnes sehr hervorsticht, doch dazu wollen wir euch nicht zu viel verraten.

Spannende Kämpfe sind garantiert

Der erste Boss kann auch schon der letzte gewesen sein.

Das Gameplay ist klassisch rundenbasiert und erfolgt über Zufallskämpfe. Ihr kämpft in einer Party mit drei eurer gefangenen oder fusionierten Dämonen und agiert nacheinander ähnlich wie in den Persona-Spielen, aber mit einem besonderem Feature: dem “Press Turn”-System. Jeder Charakter, der am Kampf teilnimmt, Freund und Feind, steht eine oder mehrere Runden zur Verfügung, die in der oberen rechten Ecke des Bildschirms als Symbole dargestellt werden. Die Regel hinter diesem System ist, dass jede Aktion (Angreifen, Verwenden von Fertigkeiten, Gegenständen) normalerweise eine volle Runde kostet. Wenn ihr aber einen kritischen Treffer erzielt, die Schwäche seines Gegners ausnutzt oder eure Runde aussetzt, erhaltet ihr einen zusätzlichen Zug, der durch ein pulsierendes Symbol gekennzeichnet ist. Damit bleibt eine Konfrontation immer spannend und man kämpft um jeden Zug, versucht die Schwäche jedes Dämons herauszufinden oder betet um einen kritischen Treffer für diesen einen Extrazug. Zusätzlich könnt ihr fast alle Dämonen im Spiel überreden, sodass sich diese euch anschließen und somit euer Kompendium, eine Art Pokédex, füllen, diese miteinander fusionieren oder opfern, um noch stärkere Dämonen zu erschaffen.

Für so viel Schaden mit einem einzigen Hieb gibt es direkt eine Trophäe.

Nach jedem erfolgreichen Kampf gibt es wie in jedem guten Rollenspiel Erfahrungspunkte und Level-Ups. Dämonen erlenen dabei pro Level eine festgelegte Anzahl an neuen Fertigkeiten, fragen euch ob sie eine Fähigkeiten verändern dürfen, was dazu führt, dass zufallsgeneriert ein Skill verbessert oder ausgetauscht wird, oder entwickeln sich sogar weiter. Doch wie lernt eurer Hauptcharakter neue Fertigkeiten? Dafür gibt es im Spiel Magatama, kleine Parasiten die ihr euch nach belieben injizieren könnt, um so verschiedenste Resistenzen sowie Schwächen inne zu haben und neue Zauber, passive Fertigkeiten und Angriffe zu erlernen. Halte also immer Ausschaue nach neuen Exemplaren, denn die Fundorte der insgesamt 25 Stück sind häufig nicht gerade einfach zu finden. Und da wir gerade dabei sind: Packt euch immer genügend Vorrat an MP-Items ein, denn die oft sehr verwinkelten und mit Fallen und Täuschungen gefüllten Dungeons kosten nicht nur eurer Party häufig alle Manapunkte, sondern auch dem Spieler einiges an Nerven.

Über die Magatama gibt es nicht nur Resistenzen, sondern auch neue Fähigkeiten.

Rockige Gitarren und dämonische Gesänge

Wer bereits die großartigen Soundtracks der Persona-Serie mochte, wird auch hier seine wahre Freude finden. Denn der Verantwortliche ist ebenfalls Shoji Meguro, anders zu Persona gibt es in Nocturne aber keine wirklichen Lyrics. Hauptsächlich werden euch rockige Gitarren, Synthesizer und Gesänge, die von Lucifer selbst stammen könnten, begleiten. Dabei immer passend zur Situation und insgesamt stimmig. Als Beispiel nehme man nur einmal den Song für die Konfrontationen mit kleineren Bossen, der euch direkt in eine Grundstimmung versetzt, dass es sich gerade um eine weltenverändernde Auseinandersetzung mit etwas Urbösen dreht:

“I’m the Lord and Savior; I have you back to the wall; Strike without grace; Drink of the wine of the wrath of God; When the thousand years have expired; Satan will be released; Judgement has come to you!”

Die neuen schärferen Texturen hübschen so manchen Dämon gut auf.

Ihr bekommt aber auch auditive Pausen, denn die Musik hält sich häufiger im Hintergrund, wirkt bedrohlich, begleitet euch und bekräftig die generelle Atmosphäre, kann diese mit einzelnen lustigen Tracks aber auch gekonnt auflockern. Besonders die neuen vertonten Dialoge, wahlweise in japanisch oder englisch, wurden sehr gut umgesetzt und passen super ins Spiel, auch wenn es für Kenner des Originals zunächst ungewohnt wirken wird, wenn statt nur der Musik auf einmal fast alles durch Synchronsprecher*innen begleitet wird. Dabei wird euch die eine oder andere Stimme aus anderen Atlus-Titeln sicherlich bekannt vorkommen. Doch damit nicht genug, auch alle Dämonen haben neue Sounds bekommen, welche teils besser, häufig aber auch weniger passend sind als die aus dem Original. Doch das ist natürlich Geschmackssache.

Neuerungen, Veränderungen und DLCs

Nun fragt ihr euch sicherlich was neben der bereits erwähnten neuen Möglichkeit euren Spielstand jederzeit zu speichern, der umfangreichen Vertonung und den Sounds der Dämonen noch alles für das Remaster verändert bzw. hinzugefügt wurde. Das offensichtlichste sind dabei die hochauflösenden Texte und Grafiken sowie die überarbeiteten 3D-Modelle und Hintergründe. Natürlich haut einen die Grafik dadurch nicht aus den Socken, aber die sehr abwechslungsreichen Areale, Gegnertypen und Animationen sehen in der aufgehübschten Optik doch noch einmal um einiges ansehnlicher aus als damals und einige Partikeleffekte wie zum Beispiel das herumfliegende Magatsuhi im Amala-Netzwerk wissen zu begeistern.

In der Kathedrale der Schatten darf natürlich fleißig fusioniert werden.

Sollte euch übrigens der berühmt-berüchtigte Schwierigkeitsgrad vor dem Kauf abschrecken, gibt es einen neuen einfacheren Schwierigkeitsgrad, der auf Wunsch jederzeit im Spiel geändert werden kann. Ist euch ein Dungeon zu nervig und ihr wollt diesen nur schnell hinter euch bringen, euch aber nicht das tolle Erlebnis eines kniffligen Boss-Kampfes entgehen lassen? Dann stellt einfach kurz davor wieder auf Normal oder Schwer und seht ob ihr gut genug gewappnet seid. Ein weiteres sehr wichtiges Feature dreht sich um die Fusionen, bei denen ihr im Original nie die Skills auswählen konnten, die der neue Dämon übernehmen sollte und man somit gezwungen war die Fusion immer wieder von Neuen zu starten, bis die korrekten Fähigkeiten ausgewählt wurden. Doch dies wurde nun abgeschafft und ihr könnt wie in Persona alles manuell nach euren Wünschen auswählen – was für eine Erleichterung.

Raidou ist eh viel cooler als Dante.

Nun zu den etwas kontroverseren neuen Inhalten, nämlich den konstenpflichtigen. Hier erwartet euch ein BGM-Pack mit Tracks aus Shin Megami Tensei I – Shin Megami Tensei IV: Apocalypse, welche die vorhandene Musik beim Bewegen und Kämpfen auf der Oberwelt ersetzen. Daneben gibt es ein Paket mit zwei zuätzlichen Arealen, die es euch ermöglichen besondere Mitama zu bekämpfen und Items zu erhalten, mit denen ihr entweder euren Level sofort steigern könnt oder die ihr für sehr viel Geld im hiesigen Shop verkauft, um euch das Leben ein wenig einfacher zu machen. Ähnliches gab es bereits bei Shin Megami Tensei IV als kostenpflichtiges Extra und jeder muss für sich entscheiden, ob man diese Möglichkeit nutzen möchte oder nicht. Zu guter Letzt bleibt da noch das Maniax Pack, mit dem ein euch über das gesamte Spiel begleitender Antagonist, Raidou Kuzunoha, mit dem aus Devil May Cry bekannten Dante ersetzt wird. Da es für uns westliche Spieler im Original bereits standardmäßig Dante war, empfehle ich euch bei dem aus Devil Summoner bekannten Protagonisten und seiner Katze Gouto zu bleiben.

Fazit

Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster macht enorm viel richtig, um Neulingen den Einstieg in die Hauptreihe zu erleichtern, ohne dabei die Fans zu vergraulen. Im Kern ist es immer noch das schwere, atmosphärische und unverzeihbare Rollenspiel von damals, was wir so lieben, und die neue Sprachausgabe, die „Quality of Life“-Verbesserungen und der neue Schwierigkeitsgrad machen den Einstieg so einfach wie noch nie – und es lohnt sich. Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster ist ein großartiges Spiel, mit einer hervorragenden Story, tollem Charakterdesign und herausforderndem Gameplay. Es ist definitiv nicht für jeden geeignet, aber wenn ihr Rollenspiel-Fans seid und eine gute Geschichte zu schätzen wisst, solltet ihr es auf jeden Fall einmal ausprobieren.

Shin Megami Tensei III Nocturne HD Remaster erscheint am 25. Mai 2021 für Playstation 4, Nintendo Switch und PC. Vorbesteller der Digital Deluxe Edition können bereits vier Tage früher, also am 21. Mai 2021, loslegen.

Positiv:

+ hochwertige neue Vertonung

+ taktisch spannende Kämpfe dank „Press Turn“-System

+ einzigartige Story mit gut geschriebenen Charakteren

+ klasse Soundtrack

+ grafische Aufbesserung und gelungene neue Features

Negativ:

– Wegfindung in Dungeons teilweise irreführend

– sehr hohe Frequenz an Zufallskämpfen

– kleinere Slowdowns bei manchen Animationen

Danke für eure Aufmerksamkeit, hee-ho!
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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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