Review: Scarlet Nexus – Mit neuer IP direkt in die Herzen von Anime-Fans

In der Videospielbranche ist Bandai Namco dafür bekannt, zahlreiche Animes für den Konsolenmarkt umzusetzen. Umso überraschender war es, als man im Mai 2020 mit Scarlet Nexus eine hauseigene, brandneue IP ankündigte. Verantwortlich dafür zeichnet sich das Entwicklerteam hinter Tales of Vesperia, die damals die Tales of-Reihe maßgeblich bereicherten. Es ist also alles angerichtet für ein japanisches Rollenspiel der Extraklasse. Ob Scarlet Nexus aber auch diesen Vorschusslorbeeren gerecht wurde, das verraten wir euch in unserem Review.

Die Macht der Gedanken in der Endzeit

Die Welt veränderte sich für immer, als in den menschlichen Gehirnen das Psioniker-Hormon entdeckt wurde. Dieses verlieh seinem Träger übersinnliche Kräfte, was die Zukunft der Menschen fortan bestimmte. Doch mit diesen Fähigkeiten kamen auch die Anderen. Monster, die aus dem Himmel gen Erde stürzten mit einem Hunger nach menschlichen Gehirnen. Herkömmliche Mittel waren zwecklos, um diese mysteriöse Bedrohung zu bekämpfen. Deswegen gründeten die Menschen eine geeinte Verteidigungsfront, die Anderen-Abwehrstreitkraft (AAS). Die Mitglieder: Allesamt Psioniker mit übersinnlichen Kräften. Darunter befinden sich auch unsere beiden Helden, Kasande Randall und Yuito Sumeragi. Zwei Vergangenheiten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, führen sie im Kampf gegen die Anderen zusammen. Doch sind das wirklich ihre einzigen Feinde?

Darf ich vorstellen: Die Anderen!

All das, was wir euch eben erklärt haben, verabsäumt das Spiel, es gleich zu tun. Denn wer sich im Vorfeld nicht mit den diversen Story-Trailern auseinandergesetzt hat, wird zunächst ratlos stehen gelassen. Selbiges gilt auch für die Nebencharaktere, die auf der offiziellen Website genau beschrieben werden, im Videospiel selbst aber kaum. So gesehen erwartet man vom Spieler, sich selbst Informationen anzueignen, ehe man zum Pad greift. Und selbst dann wird man seine liebe Müh und Not haben, sich zurecht zu finden. Vom mysteriösen Samurai der uns in einen der ersten Trailern rätseln ließ, fehlt sogar jegliche Spur. Wer also in diesem Punkt eine komplexe Handlung wie in Tales of Vesperia erwartet, den müssen wir leider enttäuschen. Selbiges gilt bedauerlicherweise auch für die Präsentation.  

Videosequenzen Fehlanzeige – Standbilder sind die Zukunft

Man möchte meinen, Bandai Namco hätte aus den Fehlern diverser Anime-Umsetzungen gelernt. Dem ist aber leider nicht so! Denn auch Scarlet Nexus ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr eine spannende Handlung unter einer schwachen Erzählweise leidet. Denn bis auf ein typisches Anime-Opening und verschwind geringen Zwischensequenzen, spielt sich alles via Standbildern ab. Je nachdem, ob ihr eine Englische oder Japanische Sprachausgabe gewählt habt, erwarten euch stundenlange Leseaufgaben.  Obwohl die Charaktere allesamt interessant ausgearbeitet sind, fällt es dadurch unheimlich schwer, eine tiefe Bindung aufzubauen.

Ein Standbild jagt das nächste im Rahmen der Story

Da schaffen selbst die sogenannten Vertrauensepisoden kaum Abhilfe. Diese können in den Standby-Phasen der zwölfteiligen Story freigeschalten werden, sofern ihr euch mit euren Freunden beschäftigt. Mittels Geschenken, die im Laden gegen Materialien ertauscht werden, erkauft ihr euch quasi deren Gunst. Dabei ist auch das Antworten auf deren Hirnnachrichten, dem Kurznachrichtendienst der Zukunft, ratsam. Zwar ist dieses Gimmick ganz nett, wirkt aber kaum ausgereift. Bis zu sechs Vertrauensstufen gilt es zu erreichen, die besondere Boni im Kampf gewähren. Das ist im Grunde der einzige Mehrwert den diese bieten, denn oftmals handelt es sich hierbei um belanglosen Smalltalk. Doch wenn wir bereits das Kampfsystem ansprechen, kommen wir nun zum Prunkstück von Scarlet Nexus.

Das Kampfsystem ist das Herz von Scarlet Nexus

Kampfsystem Marke: Exzellent!

Um eines vorweg zu nehmen: Das Kampfsystem von Scarlet Nexus ist hervorragend! Obwohl sich die beiden Protagonisten Yuito und Kasane in ihrer Spielweise nicht unterscheiden, schadet es dem Spiel in keiner Weise. Per Knopfdruck führt ihr leichte und schwere Angriffe aus oder springt und weicht zur Seite. Mittels den Schultertasten hingegen setzt ihr dank Psychokinese leichte oder schwere Objekte in Bewegung. Das funktioniert im Kampf einwandfrei und derart homogen, dass ein richtiger Flow entsteht. Dieser ist auch euren Verbündeten zu verdanken, wovon euch zwei aktiv in der Gruppe begleiten. Diese können mit einer Taktik zugewiesen werden oder ihr überlässt ihnen freie Wahl.

Bei der Erstellung eures 3er-Squads habt ihr freie Wahl

Dennoch will man die zehnköpfige Truppe nicht nur auf drei Personen beschränken. So dürft ihr während euren Reisen auf die Fähigkeit aller Charaktere jederzeit zurückgreifen. Entweder ihr borgt euch deren Kräfte oder lässt sie selbst kurz erscheinen mit einem mächtigen Angriff. Das alles dauert zwar immer nur einige Sekunden, hat aber eine relativ kurze Abklingzeit. So gesehen steht euch in jedem Kampf ein breites Repertoire an Kräften zur Verfügung. Ganz egal ob Unsichtbarkeit, Hyperbeschleunigung, Duplikation, Elektrokinese, Teleportation, Hellsicht, Sklerokinese oder Pyrokinese. All diese Fähigkeiten braucht ihr, denn die Anderen sind nicht immer mit denselben Mitteln zu besiegen.

Alle Charaktere können ausgerüstet und angepasst werden

Besiegt die Anderen mit eurem Gehirn

Zunächst sei hier das Design der Anderen hervorzuheben, die dank ihren grotesken Erscheinungen direkt aus Horrorfilmen stammen könnten. Leider lässt man hier einiges an Potenzial liegen, da es schlichtweg zu wenige Variationen gibt. Jeder eurer Gegner verfügt über zwei Lebensbalken. Einen davon leert ihr mit Direktangriffen, den anderen mit den Psioniker-Kräften. Ist Zweitere zuerst leer, dann könnt ihr zum Hirnschmettern greifen. Für normale Monster bedeutet das den sofortigen Tod, für Bosse hingegen einen hohen Energieverlust. Leider wird Scarlet Nexus in puncto Bosskampf sehr repetitiv, da man in Sachen Story die Weichen schon sehr früh stellt.

Je höher die Vertrauensstufe, desto hilfreicher sind die Mitglieder im Kampf

Doch noch sind wir nicht fertig mit dem Kampfsystem, das noch zwei weitere wesentliche Punkte beinhaltet. Wer fleißig Monster ins Jenseits befördert, verdient nicht nur Erfahrungspunkte sondern auch Hirnpunkte. Diese lassen sich am Gehirnfeld in fünf unterschiedlichen Skilltrees investieren. Zwei davon stoßen erst im Verlauf der Handlung hinzu und umfassen den Gehirnantrieb und das Gehirnfeld. Beides sind Fähigkeiten, die sich mit fortschreitender Anzahl der Kämpfe aktivieren und die Kräfte maßgeblich steigern. Vor allem im Gehirnfeld entführt ihr Feinde auf eine andere Ebene und setzt ihnen mit verheerenden Angriffen zu. All das macht das Kampfsystem von Scarlet Nexus aus und trägt das Spiel auch in seinen schwächeren Phasen.

Es gibt zahlreiche Fähigkeiten freizuschalten

Gähnende Leere abseits der Handlung

Apropos schwächere Phasen. Diese nennen sich Standby-Phasen und erwarten euch stets zwischen den einzelnen Handlungsabschnitten. Diesen Zeitpunkt könnt ihr nutzen, um die Spielwelt frei zu erkunden und Nebenmissionen anzunehmen. Leider trügt hier der Schein, denn hier handelt es sich ausschließlich um Aufgaben. Besiege Monster XY mit der Kraft von Z, nicht mehr und nicht weniger. Auch die leblose Spielwelt und die detailarmen Gebiete bieten kaum einen Mehrwert, sich mit ihnen intensiver zu befassen. Auch die Suche nach der besten Ausrüstung wird euch abgenommen. Jeder Charakter kann eine Waffe und drei Accessoires tragen. Die bestmögliche Variante davon ist jedes Mal direkt im Shop erhältlich, sei es zu kaufen oder zu tauschen.

Leider sind die Gebiete relativ überschaubar …

Da sorgen selbst die Kostüme für keine Motivation, die rein kosmetischer Natur sind. Sich für eine rote Sonnenbrille noch einmal in Feindesgebiet begeben, klingt da wenig verlockend. Zumindest lässt euch Scarlet Nexus jedoch von Beginn an den Schwierigkeitsgrad wählen. Je nachdem, ob auf Einfach, Normal oder Schwer, macht das in Bezug auf Erfolge und Trophäen keinen Unterschied. Auch ein zeitaufwendiger Grind ist zu keinem Zeitpunkt notwendig, denn ihr werdet stets großzügig mit Erfahrungspunkten belohnt. Das tut dem Fortschritt unheimlich gut und ihr könnt euch somit problemlos auf die Hauptstory fokussieren.

… und darüber hinaus nicht wirklich atemberaubend

Fazit

Der Versuch einer neuen IP mit Scarlet Nexus ist geglückt. Das hat man zum Großteil aber seinem exzellenten Kampfsystem zu verdanken, welches das Spiel über weite Strecken trägt. Selbiges kann man aber leider nicht von seiner Story behaupten. Dessen Komplexität leidet arg unter der schwachen Erzählweise via Standbildern und den leblosen und detailarmen Gebieten.   

Positiv:

+ Exzellentes Kampfsystem

+ Story kann aus zwei unterschiedlichen Sichtweisen gespielt werden

+ Alle Dialoge sind Japanisch und Englisch vertont

+ Erfrischende neue IP mit interessanten Charakteren …

Negativ:

– … die leider unter der schwachen Erzählweise stark leiden

– Die Story wirkt an vielen Stellen konfus und erklärt besonders zu Beginn kaum etwas

– Leblose und ideenarme Gebiete, die zudem viel zu gering ausfallen

– Keine Nebenmissionen sondern nur belanglose Aufgaben abseits der Handlung

– Kaum Zwischensequenzen mit Ausnahme des klassischen Anime-Openings

– Soundtrack kaum einprägsam und wenig abwechslungsreich

– Monster sind sehr kreativ aber in der Anzahl ebenfalls sehr gering

Scarlet Nexus ist am 25.Juni 2021 für PC, Playstation 4, Playstation 5, Xbox One und Xbox Series erschienen.

Während unserem Review sind keinerlei Bugs aufgetreten, die das Spielerlebnis beeinträchtigt hätten. Gespielt wurde auf Xbox Series X.

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Written by: Manuel Barthes

Ehemaliger freier Redakteur bei Cerealkillerz

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