Review: Saints Row – Eine Open World wie vor 10 Jahren, im Guten wie im Schlechten

Volitions neuester Titel versucht, ein Franchise neu zu starten, das für eine Art von Albernheit bekannt ist, die in modernen Spielen praktisch ausgestorben ist. Doch das Saints Row-Reboot hat keine Dildoschläger oder Dubstep-Kanonen mehr und bringt eine neue Besetzung junger Millennials, die verzweifelt versuchen, Verbrecher zu werden, ohne ihren CO2-Fußabdruck zu vergrößern. Aber genügend Quatsch gibt es immer noch. Wie gut oder schlecht das funktioniert, lest ihr bei uns im Test.

Eine Schnapsidee von einem lila Imperium entfernt

Die Geschichte beginnt mit einem Flashback. Denn anfangs gibt es das riesige Imperium der Saints bereits. Doch nach einem merkwürdigen Zwischenfall, werdet ihr wieder an die Anfänge eures Charakters, der einfach nur „Boss“ genannt wird, zurückgesetzt. Somit kommt auch schnell die Charaktererstellung zum Einsatz, welche ja bereits vorab als eigenständige App verfügbar war. Und diese kann sich wirklich sehen lassen, denn damit sind einige gleichermaßen akkurate und auch verrückte Ergebnisse möglich. Wenn mir auch viele Optionen zu bescheuert waren, so kann man dem Spiel nicht vorwerfen, dass man sich nicht genügend individualisieren könne. Doch zurück zu den bereits vorliegenden Figuren, die mit euch in einer WG wohnen. Warum dies so ist und wie die Truppe zu so guten Freunden geworden ist, erfährt man übrigens nicht wirklich. Aber man bekommt direkt einen Eindruck vom Ton des Spiels und was einen erwartet.

Zu jedem guten Imperium gehört auch eine Katze. Genau wie bei uns also.
Neue Gebäude bringen immer auch neue Aktivitäten und Freischaltbares mit.

Das wird durch die Tatsache, dass die Mitbewohner alle mit den verschiedenen Fraktionen in der Stadt verbunden sind, noch zusätzlich unterstrichen. Euer Mitbewohner Kevin steckt mit den Idols unter einer Decke, während Neenah mit den Panteros zusammenarbeitet. Die Tatsache, dass keiner von ihnen seinen Bossen gegenüber eifrig loyal ist, und es sogar einen „Mitbewohner-Kodex“ gibt, der regelt, was passiert, wenn man einer anderen Gang in die Quere kommt, macht das Ganze noch authentischer für die Erfahrung. Und auch ein bisschen bekloppt. Doch anders sollte eine Gang wohl auch nicht hochgezogen werden und so ist es auch hier der Fall. Und für eine Serie, die für Superkräfte, Hoverjets und Fledermäuse in Form von Sexutensilien bekannt ist, ist eine Geschichte wie diese ziemlich erwachsen. Nicht in dem Sinne, dass es Inhaltswarnungen gibt, die einen glauben lassen, man sähe Game of Thrones, sondern eher, dass sie sich nicht scheut, mit ernsten Ideen zu spielen: Der Idee, dass das Arbeitsleben an sich scheiße ist. Und somit sind die Gründe durchaus nachvollziehbar und ziehen sich auch so durch die Missionen. Wenn auch viele Aktionen, Geschehnisse und die Folgen dieser mehr als hanebüchen sind. Doch was anderes erwartet man bei der Reihe ja auch nicht.

Auch eure Crew lässt sich äußerlich etwas anpassen.

Für Deckungen und Taktik bleibt keine Zeit

Das Gameplay und insbesondere die Schussgefechte fühlen sich sehr arcade-lastig und kurzweilig an. Es wird sich nicht hinter Deckungen versteckt, taktiert oder vorsichtig vorangeschritten. Stattdessen wird geballert, was das Zeug hält. Ähnlich ist es bei den Fahrzeugen. Denn diese Aggressivität erstreckt sich auch auf das Fahrverhalten, das anscheinend von der Burnout-Serie übernommen wurde. Mit einer speziellen Ramm-Taste kann man in Feinde hineinfahren und sie bei ausreichender Geschwindigkeit brutal niederstrecken. Die teils sehr schwammige Steuerung ist dabei wohl sogar berücksichtigt worden, denn ihr könnt fast in alles hinein- oder durchfahren, ohne größere Konsequenzen zu tragen. Selbst mit einem Motorrad durch einen Pfeiler ist kein Hindernis, was andernfalls auch nur zu Frust geführt hätte.

Der praktische Wingsuit kann jederzeit per Knopfdruck aktiviert werden.
Neue Skills werden pro Level freigeschalten und bis zu vier können einer Taste zugewiesen werden.

Euer Charakter bewegt sich ziemlich schnell und hat eine Anzeige, die sich mit der Zeit füllt. Sobald sie voll ist, kann man eine Exekution ausführen und die Gesundheit des Charakters wiederherstellen, ähnlich wie bei den Glory Kills von Doom. Außerdem habt ihr vier Skills, die ihr auf Knopfdruck aktivieren könnt. Diese reichen von einer werfbaren Mine über eine Flammenfaust bis hin zu passiven Gesundheitsboosts. Diese bekommt ihr automatisch pro Level freigeschaltet und könnt diese nach Belieben ausrüsten. Außerdem sind da noch Perks, welche durch Abschluss verschiedener übers Spiel hinaus gegebener Herausforderungen erlangt werden. Sei es 5.000 Schritte zu Fuß zu gehen, Kopfschüsse zu verteilen oder Stunts mit dem Auto zu vollführen. Ihr habt auf jeden Fall genug zu tun, um das Spiel auf 100% zu bringen, alleine was die Aktivitäten auf eurer Map angeht.

Die kaufbaren Kleidungsstücke kommen alle recht albern daher.

Paint the Town Purple

Zunächst habt ihr eure Missionen, die die Story voranbringen oder euch näher an eure Freunde binden und nette Features für diese freischalten. Als Beispiel gibt es da eine LARP-Mission mit Eli, nach der dieser nun immer eine SMG ausgerüstet dabei hat, um euch besser zu unterstützen. Doch das Imperium will natürlich auch ausgebaut werden und da kommt der Taktik-Tisch zum Einsatz. Hier habt ihr eine Übersicht der Stadt und könnt euren Einfluss über Gebäude ausbauen. Die Möglichkeit diese zu bauen, bekommt ihr über Missionen und das nötige Kleingeld. Der Bau dieser eröffnet euch dann Nebenmissionen wie der beliebte Versicherungsbetrug, bei dem ihr euch vor fahrende Autos werft, um möglichst hohe Summen bei der Versicherung rauszuschlagen. Andere wiederum eröffnen längere narrative Missionen, die sich über das Hauptspiel erstrecken.

Man hat es als „Boss“ aber auch nicht immer leicht.
Im Müll zu wühlen lohnt sich, denn da gibt es Geld oder Items.

Aber auch so gibt es bei der Erkundung immer wieder etwas zu tun. Ihr könnt im Müll nach Items oder Geld suchen, euch an Stunts versuchen, mit dem Wingsuit durch die Lüfte fliegen oder feindliche Gangs vertreiben. Ihr habt dazu immer eurer Handy zur Hand mit dem ihr Gefährten eurer Gang zur Verstärkung holt oder ihr sucht euch ein Ziel in der Wanted-Liste, um dieses auszuschalten. Der fortschreitende Ausbau eurer Gang und die immer absurder werdenden Aufträge sind dabei definitiv das Highlight des neuen Saints Row. Denn es ist nicht so stupide bekloppt wie die letzten Teile, aber versteht sich natürlich dennoch jederzeit als Klamauk und ist nicht so ernsthaft wie beispielsweise Saints Row 2.

Auf der Map gibt es genügend Aktivitäten zum Abarbeiten.

Ziemlich „Old School“, aber noch cool?

So neu sich Saints Row 2022 auch zeigen will, gibt es leider auch viele Momente, die sich seltsam veraltet anfühlen. Vor allem, wenn es um das Leveldesign geht. Die Missionen des Spiels verlassen sich teilweise auf Turmabschnitte und Eskortmissionwn, wobei ihr in der ersten Story-Mission buchstäblich einen gepanzerten LKW eskortieren müsst, bevor ihr auf die Ladefläche klettert, um den Geschützturm zu bemannen. Nicht sehr spannend leider, da es zu einem Rail-Shooter verkommt. Dennoch hilft die tatsächliche Dauer dieser Abschnitte, das schreckliche Trauma zu mildern. Jedes Mal, wenn ein Geschützturm-Abschnitt auftaucht, ist er zum Glück nicht zu lang. Doch auch abseits davon fühlt sich Vieles merkwürdig altbacken an. Generell sind die Ideen und die Geschichten hinter den Missionen oft recht spaßig, das letztendliche Gameplay verkommt aber immer wieder zum Durchballern, Wellen abwehren, Zielen verteidigen etc… Eben jene Ziele, wie sie in aktuellen Spielen zumindest nicht mehr so häufig anzutreffen sind.

Die Weitsicht und Lichtstimmung kann sich durchaus sehen lassen.

Leider schwankt auch die Grafik sehr. Während die Weitsicht, die designte Stadt und Umgebung wirklich sehr schön aussehen kann, so unschön sind die Figuren. Steife Animationen, tote Gesichter, sehr plastisch wirkende Optik. Alles schreit nach altbacken. Dazu kommen technische Probleme. Die Weitsicht wird durch Screen Tearing und auftauchende Gegenstände getrübt. Ich musste mehrere Missionen neu starten, da die Ziele nicht richtig geladen haben oder ich auf einmal meinen Charakter nicht mehr steuern konnte. Reicht hier der letzte Kontrollpunkt, mag das noch gehen. Aber ich musste auch mehr als einmal die Mission abbrechen, was bis zu 20 Minuten Zeitverlust führen kann und sehr frustriert. Das kann und wird sicherlich durch einen Patch teilweise behoben werden – aktuell wirkt es aber, dass das Spiel noch etwas Feinschliff hätte vertragen können.

Fazit

Saints Row will zurück zu alten Open-World-Tagen, vergisst dabei aber aktuelle Gepflogenheiten wie Missionsdesign oder Optik mitzunehmen. Kurzweilig, albern und charmant kann es ein wenig besetztes Feld im Genre abstecken. Doch ein wirkliches Reboot ist es dabei nicht. Eher ein Zurückfahren der Verrücktheit und Auffahren von alten Tugenden. Wer dem aber etwas abgewinnen kann, wird lange Spaß in Santo Ileso haben.

Saints Row erscheint am 23. August 2022 für Xbox Series, Xbox One, PlayStation 4 & 5 und PC.

Positiv:

+ abgedrehter, kurzweiliger Spaß

+ weniger infantiler Humor als noch in den Vorgänger

+ Map mit allerhand Abwechslung an Aktivitäten

+ umfangreicher Charaktereditor

+ häufig toll aussehende Umgebung und Weitsicht,…

Negativ:

-…wenn die Texturen schnell genug laden und es kein Screen Tearing gibt

– altbackene Grafik bei den Figuren

– Missionsdesign und Gameplay nicht mehr zeitgemäß

– Bugs führen zu kompletten Neustarts von Missionen

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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