Review: Pokémon-Legenden: Arceus – Der frische Wind, auf den langjährige Fans gewartet haben

Für die Pokémon-Franchise ist mit dem Release von Pokémon-Legenden: Arceus ein neues Kapitel aufgeschlagen worden! Nach so vielen Ablegern, welche die Pokémon in komplett andere Genre steckten, und im Gegensatz dazu die Haupttitel, die sich immer fest an die RPG-Konventionen von Edition Rot/Blau hielten, fühlt sich Arceus fast schon wie ein Befreiungsschlag an. Erfahrt in den nachstehenden Zeilen, wieso das für uns der Fall ist!

Ein Pokémon-Trainer im Auftrag von … Arceus?

Normalerweise beginnt eine klassische Pokémon-Reise stets bei dem benachbarten Professor, der euch den Auftrag erteilt, den Pokédex zu vervollständigen. Am Beginn des neuesten Teils redet allerdings das Gott-Pokémon Arceus mit euch – als schimmerndes Licht. Mit den ominösen Worten, man solle allen Pokémon begegnen, dann sehe man es wieder, wird man durch Raum und Zeit geschleudert und findet sich in der Hisui-Region wieder.

Hier wird die Szenerie schon klassischer: Ein Professor namens Laven findet euch am Strand und lässt euch in einer Art Tutorial drei Starterpokémon fangen, von denen ihr euch anschließend eines aussuchen dürft. Bei den Pokémon handelt es sich um Feurigel aus der zweiten Generation, Ottaro aus der fünften Generation und Bauz aus der siebten Spielegeneration. Also alles bekannte Gesichter! Weniger bekannt sind die Personen der Galaktik-Expedition, die dem äußerst gefährlichen Job nachgehen, Pokémon zu erforschen – denn zur Zeit der Hisui-Region (später Sinnoh) sind Pokémon noch unerforscht und werden als große Gefahr betrachtet.

Im weiteren Spielverlauf findet ihr euren Weg nach Jubeldorf, werdet Teil der Expedition, lernt von der Ginkgo-Gilde, dem Diamant- und Perl-Clan sowie von vielen Mechaniken wie zum Beispiel dem Herstellen von Pokébällen und anderen Items. Doch das A und O eines Pokémon-Spiels bleiben natürlich das Fangen und der Kampf mit den Taschenmonstern.

Gekämpft wurde schon immer!

Generell kann man in Arceus zwischen drei Typen von Pokémon unterscheiden: Diese, die sich nicht stören lassen (und damit am einfachsten zu fangen sind), solche, die beim Anblick des Spielers davonlaufen (hier ist es hilfreich, sich anzuschleichen) und Pokémon, die aggressiv werden und angreifen. Vor letzteren sollte man sich in Acht nehmen, sie attackieren nicht nur feindliche Pokémon, sondern auch den Trainer selbst. Wird man von einem wilden Pokémon bewusstlos geschlagen, verliert man Items und wacht in Jubeldorf wieder auf, also ist Vorsicht geboten. Das bedeutet, dass man immer Opfer von Pokémon-Attacken werden kann, egal, ob man unvorsichtig war oder einfach kein einsatzfähiges Pokémon mehr hat. Und wo wir gerade bei Kämpfen sind:

Die Gefechte in „Pokémon-Legenden: Arceus“ trotz 3D und offener Levelstruktur überwiegend weiterhin rundenbasiert. Allerdings gibt es keine separierten Kampfarenen, die Schlachten finden also direkt in der Welt statt. Die Bewegungsfreiheit der Kamera wird dabei zwar eingeschränkt, ihr könnt den Blickwinkel jedoch anpassen und in bestimmten Phasen des Kampfes sogar mit eurem Avatar herumlaufen. Das hat spielerisch zunächst keine Auswirkungen, gibt euch jedoch die Gelegenheit, die bisweilen nicht optimale Kameraperspektive beim Kampfstart zu korrigieren.

Ähnlich wie in den Vorgängern setzt ihr im Kampf bis zu sechs Pokémon ein, die maximal mitgeführt werden können. Jedes Gefecht spült euren Begleitern Erfahrungspunkte aufs Konto, wodurch entsprechend Stufenaufstiege und damit eine Erhöhung von Kraftpunkten, Angriffskraft, Verteidigung etc. erreicht werden. Etwas kleinere Mengen an Erfahrungspunkten gibt es auch durch das Fangen ohne Kampf und eher winzige bei jeder Sammelaktion, die das Werfen eines Pokémon erfordert – also etwa das Abbauen besagter Kristalle oder Pflücken von Baumfrüchten. Erreicht ihr bestimmte, bei bekannten Arten offenbar teils von den früheren Spielen abweichende Stufen mit dem jeweiligen Pokémon, erlernen sie automatisch neue Attacken oder können entwickelt werden. Die Betonung liegt auf „können“, denn wenn ihr nicht wollt, könnt ihr die Entwicklung auch auf später verschieben.

Elite-Pokémon, Königinnen & Könige und die Gefahr ums eigene Leben

Aufwerten könnt ihr die Pokémon abseits der temporären Boosts auch permanent durch Verbrauchsobjekte oder mithilfe bestimmter NPCs. Dabei gibt es die bekannten Sonderbonbons oder Items, die eine gewisse Anzahl Erfahrungspunkte geben. Auch Verbrauchsobjekte, mit denen ihr die Leistungsstufe bei Angriffskraft oder Initiative erhöht, sind mit von der Partie. Die Kämpfe selbst laufen noch recht ähnlich ab. Sobald ihr eine Attacke oft genug eingesetzt habt, gilt diese als gemeistert und kann dann entsprechend auch als Kraft- und Tempovariante eingesetzt werden. Erstere ist entsprechend etwas stärker, dafür ist euer Widersacher bei deren Nutzung schneller wieder am Zug – oder gar mehrfach hintereinander. Der Tempoangriff ist wiederum etwas schwächer, ihr kommt aber womöglich schneller wieder zum Zug als sonst.

Levelmäßig den anderen Pokémon in der Umgebung überlegen (und meist auch den Trainerpokémon) sind die sogenannten Elite-Pokémon, die auch um ein Eck größer sind, als ihre regulären Artgenossen. Dank der Weltstruktur müsst ihr euch mit ihnen allerdings nicht zwingend anlegen und könnt notfalls die praktisch immer mögliche Flucht einleiten. Neben den Elite-Pokémon gibt es auch noch die Königinnen und Könige, die im Prinzip die Bossgegner von Arceus sind. Diese sollen in den Hauptmissionen besänftigt werden, indem der Spieler „Ruhegaben“ auf sie wirft – Pokémon können hier nur eingesetzt werden, wenn König/Königin gerade verwirrt ist, da es z.B. während einer Attacke gegen die Wand gelaufen ist. Gewinnt man den darauf folgenden Kampf, wirkt die „Ruhegabe“ sogar noch besser!

Übrigens kämpft ihr in Arceus trotz Open World meist nur gegen einzelne Gegner. NPCs setzen später natürlich auch mehrere Pokémon ein, aber eben wie ihr nacheinander. Es gibt zwar Nebenmissionen, in denen euch mal zwei oder sogar drei Exemplare auf einmal gegenüberstehen, selbiges kann auch in der Wildnis passieren. Etwa, indem ihr mehrere Feinde auf einmal alarmiert und erst dann per Pokéball-Wurf den Kampf startet, statt erst mal das Weite zu suchen oder aber ihr findet euren Weg in spontan auftauchende Raum-Zeit-Verzerrungen, in denen es seltene Items und Pokémon zu finden gibt, diese sind aber auch entsprechend gefährlich und greifen zu mehrt an. Weit weniger gefährlich sind da die Trainerkämpfe – sie sind rar gesät, da sich ein Großteil der Menschen vor Pokémon fürchtet. Deshalb kämpft man weit öfter gegen wilde Pokémon, anstatt gegen menschliche Widersacher.

Upgrades für Mensch und Pokémon

Weiterhin beschränkt bleibt das Repertoire von Attacken, auf die ein Pokémon im Kampf zugreifen kann. Vier ist das Maximum, jedoch ist es im Menü nun jederzeit möglich, bereits erlernte Attacken mit den eingesetzten zu jedem Zeitpunkt auszutauschen. Es ist also kein Attacken-Erinnerer oder ähnlich Umständliches mehr aufzusuchen, damit man seine Pokémon mit den gewünschten Attacken ausstatten kann. Lediglich das Menü selbst ist mit den verschlungenen Untermenüs und den ständigen Bestätigungswünschen ein Krampf!

Abseits der Pokémon kann man auch den Trainer widerstandsfähiger machen – etwas, das Sinn macht, wo er doch so oft selbst in der Schusslinie steht! In Jubeldorf verkauft eine alte Frau namens Fumie drei verschiedene Arten von Talismanen: Der Wahrungstalisman sorgt dafür, dass man bei einem K.O. dafür, nur ihn, aber keine anderen Items zu verlieren, der Schutztalisman lässt den Träger mehr Attacken auf ihn aushalten und der Statustalisman vermeidet Statusprobleme.

Zu Fuß, per Wasser und in der Luft

Wer möchte, kann in Arceus die offenen Spiel- und Jagdgebiete komplett auf eigene Faust erkunden. Außerhalb von Kämpfen kann man bequem per Schnellreise zu den Basislagern zurückkehren, um etwa Professor Laven Bericht über eure neu entdeckten Pokémon und sonstige Forschungsfortschritte zu erstatten. Das spült Geld auf euer Konto und gibt spezielle Erfahrungspunkte, mit denen ihr im Hauptquartier der Galaktik-Expedition in Jubeldorf euren Forschungsrang erhöht. Mit jeder neuen Stufe ist es eurem Avatar möglich, höherstufige Pokémon im Kampf einzusetzen – ähnlich den Arena-Orden aus anderen Pokémon-Spielen. Besonders viele Punkte gibt es dabei für jede neu entdeckte Art und den jeweils relativ schnell erreichbaren Forschungsabschluss einer Entwicklungsstufe. Das geht über das Fangen von Pokémon, das Besiegen der jeweiligen Typen im Kampf und Ähnliches. Was euch noch fehlt, beziehungsweise mit was ihr den Forschungsabschluss schneller erzielt, könnt ihr jederzeit und per Knopfdruck auf ein anvisiertes Pokémon im Pokédex nachsehen.

Im Basislager ist es zudem möglich, eine Verschnaufpause im Zelt zu halten, um verletzte oder K.O.-geschlagene Pokémon wieder auf Vordermann zu bringen – wobei Effekte wie Schlaf oder Vergiftungen offenkundig nach einem Kampf schnell (meist sogar direkt) automatisch heilen, ihr sie also wirklich nur noch mitten in der Schlacht notfalls mit entsprechenden Verbrauchsobjekten behandeln müsst. Auch das bedeutet mehr Komfort und nervt nicht mehr so, wie es in den Vorgängern manchmal der Fall sein konnte. Schlafen könnt ihr bis mittags, abends oder nachts, wodurch ihr in den Gebieten zu unterschiedlichen Tageszeiten entsprechend regelmäßig auf andere Pokémon-Arten trefft. Die Zeit vergeht in Echtzeit aber auch automatisch, wenn ihr einen längeren Forschungsausflug ohne zwischenzeitliche Rast unternehmt.

Neben der besagten Schnellreise zwischen den Einsatzlagern und anderen, besonderen Orten, die den Reiseaufwand begrenzen, gibt es andere Wegzeit-verkürzende Mittel. Um schnell von A nach B zu kommen, bietet Arceus nämlich auch Reitpokémon. Jedes Reitpokémon besitzt dabei besondere Fähigkeiten und Fortbewegungsarten. Beispielsweise ist Ursaluna mit einer feinen Spürnase zum Auffinden vergrabener Schätze ausgestattet, während man auf Salmagnis durch Wasser schwimmen und nebenbei Pokébälle von dessen Rücken werfen kann. Die einzelnen Einsatzgebiete sind zwar tatsächlich nicht gigantisch groß, aber dennoch recht weitläufig und verzweigt. Wer sich genauer umsieht, findet zudem versteckte Höhlen und Ähnliches, in denen besonders seltene Pokémon darauf warten, im Pokédex einen möglichst vollständigen Eintrag zu erhalten. Gerade die Reitpokémon beschleunigen die Suche nach derartigen Geheimnissen massiv, zumal sie oft ohne sie gar nicht erreichbar sind.

Alles, was neben der Hauptstory noch so anfällt

Auch in den bisherigen Teilen der Pokémon-Reihe konnte man abseits der Story-Missionen und Kämpfe jede Menge Zeit totschlagen, dem eigenen Avatar neue Klamotten kaufen oder sich anderen, oft optionalen Nebenbeschäftigungen widmen. In Arceus ist die Auswahl dafür aber besonders vielfältig. So gibt es in Jubeldorf einen Fotografen, bei dem ihr euch mitsamt weitreichenderen Funktionen mit euren Pokémon ablichten lassen könnt. Ihr könnt dort natürlich auch zum Frisör und ins Kleidergeschäft oder auf einem Acker Nutzpflanzen anbauen sowie die Anbaufläche im Rahmen von Nebenmissionen vergrößern, wenn ihr möchtet. Zudem gibt es auch verschiedene Minispiele, wie Drifzepeli-Ballone per Reitpokémon oder mit Steinen zum Platzen zu bringen.

Das breit gefächerte, zunehmend größere Angebot an Nebenquests bietet zum Teil gewiss eher generische Aufgaben. Aber alle können parallel im Hintergrund aktiv sein, sodass man viele davon einfach nebenbei erfüllt und sie später für die Belohnungen einlöst. Umgekehrt betrachtet ist es schlicht so, dass praktisch sämtlicher Fortschritt zusammenhängt. Fast alles, was man macht oder eben sogar zufällig mitnimmt, lohnt sich, ob in Form von Erfahrungspunkten für den Rang von Pokémon oder für den Aufstieg bei der Galaktik-Expedition. Neue Items helfen im Kampf, können gewinnbringend verkauft werden oder bescheren einem eben sogar bei der Erfüllung einer Nebenquest ein neues Rezept, was auch langfristig Vorteile mitbringt. Oder sei es einfach nur das Gefühl, dem 100-Prozent-Abschluss noch ein Stückchen nähergekommen zu sein.

Fazit

Es war wirklich an der Zeit, dass Pokémon alte Strukturen aufbricht, und Pokémon-Legenden Arceus tut dies meisterlich – unterdurchschnittliche Grafik hin oder her. Der einzige Punkt, der wirklich zu bemängeln war, ist die verwirrende Menüführung, ansonsten liefert Arceus alles, was sich eingefleischte Fans schon lange gewünscht haben: ein dynamisches und flüssig in die Welt integriertes Kampfsystem, spontan austauschbare Attacken, offene Areale zum Erkunden und viele weitere, sinnvolle Neuerungen. Pokémon hat nun den Schritt zum vollwertigen JRPG gemacht!

Positiv:

+ flüssigeres Kampfsystem dank nahtloser Integration in die Spielewelt

+ höherer Schwierigkeitsgrad aufgrund Elite-Pokémon und asymmetrischer Kämpfe

+ manueller Austausch von Pokémon-Attacken

+ halboffene Welt gibt spielerische Freiheit und hält Geheimnisse plus seltene Pokémon parat

+ Reitpokémon mit verschiedenen Fähigkeiten helfen beim Erkunden

Negativ:

– kontraintuitive Menüführung

– kaum noch Trainerkämpfe

Teilt uns eure Meinung mit

Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

No comments yet.

Leave Your Reply