Nachdem für viele Ion Fury durchaus ein Hit war und wir damals auf der Gamescom sogar die erste Bekanntgabe von Phantom Fury miterleben durften, waren wir eigentlich recht angetan vom Konzept. Old-School Shooter im Retro-Look und einer toughen Shelly als Protagonistin, macht Bock. Doch warum uns das fertige Spiel nun eher wieder zurück zum Duke schickt, könnt ihr gerne nachlesen.
Ein Trip durch Amerika und jedes Militärgelände
In Phantom Fury schlüpfen wir wieder einmal in die Stiefel von Shelly „Bombshell“ Harrison, dem Duke Nukem-Äquivalent. Sie wacht mit einem neuen Roboterarm aus dem Koma auf und wird sofort auf eine Mission geschickt, um den „Dämonenkern“ zu bergen, bevor ein Maulwurf in der GDF dies tut. Dem Ankündigungsvideo zufolge soll sie auf eine Reise quer durch die USA geschickt werden, aber wir sehen meist nur Militärgelände im amerikanischen Südwesten, bevor wir in Chicago landen. Denn Phantom Fury ist einfach so verdammt voll mit Militärgeländen. Wenn man nicht in einem ist, ist man normalerweise in der Nähe eines. Es gibt so viele graue Gänge während der gesamten Spielzeit, dass mir die Luft wegblieb. Doch irgendwie schaffen sie es auch, einen Abwasserkanal-Level unterzubringen, ganz toll.
Das soll nicht heißen, dass Phantom Fury farblos ist, aber seine Levels sind es sicherlich. Während Ion Fury vielleicht eine etwas restriktivere Version der 90er-Jahre-„Shooter“ war, ist Phantom Fury viel näher an Half-Life und den nachfolgenden Ablegern. Es gibt eine Menge gerader Korridore. Es wird zwar manchmal kreativ und hat mehr erkundbare Level, die sich in einer Schleife drehen und offener sind, aber ständige unsichtbare Wände und unklare Ziele sorgen dafür, dass man immer eingeengt ist. Das ist schade, denn Shellys Waffenarsenal ist beeindruckend. Während Shellys dreiläufiger Revolver, der Loverboy, nie weit von mir entfernt war, kommen mit der Zeit immer mehr exotische Waffen hinzu, die wirklich Spaß machen. Ebenso gibt es ein Upgrade-System für Shellys Arm und Waffen. Diese Funktion ist jedoch so unausgereift, dass ich sie hauptsächlich dazu benutzt habe, alle gesammelten Nanitenkerne loszuwerden. Waffen-Upgrades habe ich nur selten angewandt, da sie oft Änderungen mit sich brachten, die ich nicht wollte. Auch hier ist es beeindruckend, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, in Phantom Fury den Tod herbeizuführen, nur fehlt ein gutes Gerüst drumherum, in dem man dies auch ausprobieren kann und will.
Shelly wird wie eine Handgranate in alles reingeworfen
Die Geschichte wird auch nicht gut durch das Gameplay unterstützt, und das Gameplay wird nicht gut durch die Geschichte unterstützt. Es versucht, die Hintergrundgeschichte von Shelly zu erzählen und Ion Fury und Bombshell miteinander zu verbinden, kann aber nicht viel mehr tun, als einen Haufen Klischees in den Weg zu legen. Sie bleibt irgendwo zwischen ernst und übertrieben stecken, und man hat sogar das Gefühl, dass die Synchronsprecher nicht wussten, wie sie es spielen sollten. Die Handlungsstränge sind so vorhersehbar, dass man die Zwischensequenzen praktisch überspringen und die Lücken selbst füllen könnte. In der Zwischenzeit kann man sich leicht in der Hintergrundgeschichte verirren. Immer wieder ist von „Tempest“ die Rede, was meiner Meinung nach eine Anspielung auf das kommende RTS von 3D Realms, Tempest Rising, ist. Dieses Spiel ist jedoch noch nicht erschienen, und Tempest hat nicht wirklich etwas mit der übergreifenden Handlung zu tun. Es wird nur als Kontext für die laufende Mission erwähnt. Die Charaktere und die E-Mails im Spiel erwähnen ständig einen Krieg, und ich weiß nicht, ob sie über den Zweiten Weltkrieg oder einen bisher unsichtbaren Krieg zwischen der GDF und der Tempest sprechen. Wenn er erklärt wird, ist er unter dem Stapel von E-Mails im Spiel begraben, die ich nur überflogen habe.
Es ist vielleicht nicht so wichtig, da die Geschichte hauptsächlich als Unterbrechung der Action fungiert, aber einiges davon ist so lahm, dass ich wirklich nicht weiterspielen wollte. Was an Phantom Fury am meisten schmerzt, ist, dass man merkt, dass es mit einem bewundernswerten Ehrgeiz entwickelt wurde, eine interessante Richtung hatte und von der Leidenschaft bei der Entwicklung profitierte. Zwischen all den Fehltritten, Frustrationen und halbgaren Ideen gibt es aber auch Stellen, an denen es richtig gut läuft. Kleine Details in der Umgebung, Stellen, an denen das Leveldesign plötzlich die Enttäuschung um sich herum übertrifft, und sogar das Gefühl der Kämpfe lässt auf ein Maß an Spannung und Sorgfalt schließen, das an anderen Stellen völlig fehlt. Es ist ein Sammelsurium von 00er-Jahre-FPS-Klischees ohne Pause. Ich habe die meiste Zeit damit verbracht, mir zu wünschen, es wäre vorbei. Oder zumindest wünschte ich, es wäre das, was es zu sein versprach. Seine allgemeine Fadheit hat das Unmögliche möglich gemacht und mich Duke Nukem Forever noch ein bisschen mehr schätzen lassen.
Fazit
Phantom Fury funktioniert leider nicht wie es soll. Die Level sind unbeeindruckend, verwirrend und mit inflationär vielen Gegnern gespickt. Die Waffen machen zwar wirklich Spaß und es gibt viele kleine nette Gimmicks und Ansätze etwas Abwechslung ins Spiel zu bekommen, aber es bleibt ein durchschnittlicher Shooter, der deutlich hinter seinen Möglichkeiten bleibt.
Positiv:
+ kreatives Waffenarsenal
+ coole Gimmicks wie Bowling oder Dart zwischen den Leveln
+ Abwechslung durch verschiedene Fahrzeuge
+ simple und brutal
Negativ:
– aktuelles Ziel nie ganz klar
– Upgrades alle recht enttäuschend
– Leveldesign recht anstrengend
– fehlende Bombast-Musik
– wirre und öde Story