Review: Octopath Traveler II – Das Schönste, was das RPG-Genre zu bieten hat

Der Kunststil von Square Enix, bekannt als HD-2D, ist einer meinen Lieblingsinnovationen in der modernen Gaming-Welt. Als eine Mischung aus pixeligen Charakteren und 3D-Umgebungen erinnert er an den Geist klassischer JRPGs wie Chrono Trigger und Final Fantasy VI und ermöglicht es Square Enix dennoch wunderschöne Welten zu erschaffen, die das grafische Potenzial der Nintendo Switch nutzen. Der ursprüngliche Vorbote dieses Stils ist Octopath Traveler, ein traditionelles JRPG in jeder Hinsicht. Das Original folgt den Geschichten von acht verschiedenen Charakteren und bietet ineinandergreifende Geschichten, die sich über einen großen Fantasy-Kontinent überspanne. Es bietet außerdem rundenbasierten Kampf mit einer interessanten „Pausen“-Mechanik, die es erlaubt, Angriffe zu speichern oder zu verstärken. Nun, wir alle wissen, dass Square Enix Fortsetzungen liebt, und hier sind wir nun, nach dem letztjährigen Triangle Strategy und dem brillanten Live A Live-Remake, mit der Veröffentlichung von Octopath Traveller II. Ring frei für Runde 2!

Willkommen in der Welt von Solista

Octopath Traveler II spielt in der riesigen Welt von Solistia und ermöglicht die Erkundung einer wunderschönen und detaillierten Welt mit einer Vielfalt an Ausblicken. Wir haben uns entschieden, mit Hikari zu starten, einem junger Krieger aus dem Land Ku, der mutig ist und über beneidenswerte Fähigkeiten im Kampf verfügt. Ebenfalls beginnen können hätten wir mit dem Händler Partitio, einem Mann, der von Geschäften besessen ist und der Welt seine Fähigkeiten beweisen will. Da ist auch die Diebin Throné, die in einer Welt von Kriminellen und niederen Lebensstandards festsitzt und ausbrechen will. Ein weiteres Aushängeschild ist Temenos, ein frecher Kleriker mit einem Auge für Details, der ein Geheimnis lösen und seinen Namen reinwaschen will. Wer das Original gespielt haben, wird feststellen, dass die gleichen Jobs/Rollen angeboten werden, aber jeder hat dieses Mal andere Fähigkeiten, was die Sache frisch und interessant hält.

Welcher Charakter auch gewählt wird, er/sie beginnt die Geschichte, und beim Antreffen weitere Gruppenmitglieder ist es möglich, ihre bisherige Geschichte sofort oder später in einer Taverne nachzuspielen. Diese Geschichten besitzen eine schöne Mischung aus Gefahren, epischen Auseinandersetzungen und einigen skurrilen Momenten, welche die Besetzung gut abrunden. Jede Geschichte bietet denselben rundenbasierten Kampf wie die anderen, aber die Vielfalt der Jobs, Fähigkeiten und Waffen reichen aus, um die nötige Abwechslung zu bieten und die vielen Spielmechaniken zu lernen.

Hier eine kurze Liste der Charaktere, ihre Rolle und die Fähigkeiten, die sie bei Tag und bei Nacht in Bezug auf NPCs besitzen:

  • Ochette (Jägerin): Provozieren / Anfreunden
  • Castti (Apothekerin): Erkundigen / Behandeln
  • Partitio (Händler): Kaufen / Anheuern
  • Agnea (Tänzerin): Verführen / Abschwatzen
  • Hikari (Krieger): Herausfordern / Bestechen
  • Throné (Diebin): Stehlen / Auflauern
  • Temenos (Kleriker): Führen / Verhören
  • Osvald (Gelehrter): Studieren / Rauben

Ebenso besitzt jeder von der Tageszeit abhängig unterschiedliche Talente im Kampf, doch wir wollen nicht zu viel verraten…

Während die Grafik und die Geschichte die entscheidenden Merkmale sind, bietet Octopath Traveler II auch einige fesselnde rundenbasierte Kämpfe und die Schlachten sind dank des herrlichen Pixelstils und der schönen Partikeleffekte ein wahrer Augenschmaus. Jeder Gegner hat eine Reihe von physischen und elementaren Schwächen, und ein Treffer mit der passende Attacke entblößt diese Schwäche für jedes weitere Aufeinandertreffen in einer Box unter dem jeweiligen Gegnertyp. Wiederholter Angriffe, gegenüber die ein Gegner schwach ist, reduzieren seine Schildpunkte. Wenn dieser Schild durchbrochen ist, ist er kurzzeitig betäubt und dadurch verwundbarer als normalerweise – ein fantastischer Zeitpunkt, um angesparte GP zu nutzen, die sich mit jeder Runde ansammeln, für mehrere Angriffe hintereinander zu nutzen.

Der Boost-Modus vervielfacht die Angriffskraft quasi bis zum Vierfachen, daher bleibt es eine heikle Entscheidung, wann man diese Punkte am besten sammelt und wann man sie einsetzt. Für alle, die mit dem Originaltitel vertraut sind, ist das aber alles nichts Neues. Ebenfalls dürfen sich Veteranen auch wieder auf spektakuläre Kämpfe einstellen, allerdings bleibt auch der lästige Grind-Faktor bei normalen Zufallskämpfen erhalten – und erst recht der Frustfaktor wenn man nach viel investierter Zeit innerhalb eines Bosskampfes einen Fehler macht und dann von vorne anfangen muss!

Was alles in den Party-Mitgliedern steckt

Mit zunehmender Erfahrung sammeln die Figuren auch JP, um neue Berufe und unterstützende Fähigkeiten zu erlernen. Das bedeutet, dass die Charaktere nicht nur stärker werden, sondern auch eine größere Vielfalt an Kampftaktiken beherrschen. So ist es beispielsweise möglich Osvald, den Gelehrten, als Händler auszubilden, ihn Fähigkeiten aus diesem Talentbaum erlernen zu lassen und diese auch einzusetzen, auch wenn Partitio – der eigentliche Händler -, nicht Teil der Gruppe ist.

Neu hinzugekommen sind die „verborgenen Kräfte“: eine einzigartige latente Kampffähigkeiten, über die jeder Charakter verfügt. Diese Fähigkeiten laden sich auf, wenn die Charaktere Schaden erleiden, so dass sie im Kampf entfesselt werden können. Thronés Kraft erlaubt es ihr zum Beispiel, im Kampf ein zweites Mal zum Zug zu kommen, während Temenos‘ Kraft ihm erlaubt, die Schildpunkte des Gegners zu senken, unabhängig von der verwendeten Waffe. Außerdem bleibt die Aufladung der latenten Kraft zwischen den Kämpfen erhalten, so dass man sie beispielsweise vor einem Bosskampf aufladen kannst, was wiederum einen netten Vorteil verschafft. So erhöht sich der Spielspaß gegenüber dem ersten Teil ein wenig, sich durch eine größere Menge an Gegnerwellen zu arbeiten – wenn auch nur ein bisschen.

HD-2D in Perfektion und auf Hochtouren

Die Kämpfe selbst sehen – wie bereits erwähnt – fantastisch aus, denn der HD-2D-Stil ist diesmal noch schöner. Dynamischere Kameraperspektiven, eine größere Auswahl an Posen der Charaktere und ein ständiger Strom von Partikeleffekten sorgen dafür, dass sich die pixelige Welt lebendiger anfühlt als so manches 3D-Abenteuer. Square Enix hat auch die Stadterkundung verbessert, denn die bereits erwähnten Kamerawinkel sind ein ein Fortschritt gegenüber den manchmal starren Blickwinkeln des ursprünglichen Octopath Traveler.

Apropos Erkundung von Städten: Jedes Mitglied der Party ist in der Lage sogenannte Pfad-Aktionen auszuführen, die die Interaktion mit den NPCs in jedem Gebiet verändern. Throné ist eine Diebin, kann also Gegenstände von Leuten stehlen, obwohl ein Fehlschlag dazu führt, dass der Ruf der Gruppe in der Stadt sinkt. Hikari ist ein Krieger und kann hartnäckige Stadtbewohner zu einem Duell herausfordern, wobei ein Sieg möglicherweise einen zusätzlichen Weg offenbart, aber zumindest eine neue Technik ins Hikaris Arsenal aufgenommen werden kann. Oder Partitio heuert die Einwohner einfach an:

Anders als im ersten Octopath Traveler hat jeder Charakter eigene Aktionsmöglichkeiten, die in der Nacht eingesetzt werden können, wodurch eine riesiger Spielraum an Interaktionen gegeben ist. Es ist zudem möglich, einfach per Knopfdruck zwischen Tag und Nacht zu wechseln – in der Nacht erscheinen übrigens stärkere Gegner außerhalb der Siedlungen – perfekt zum Trainieren! Ebenfalls gegenüber dem ersten Teil erwähnt werden muss, dass die die englische Sprachausgabe authentischer wirkt. Natürlich gibt es deutschen Text für alle, die lieber auf diese Weise spielen – doch hier muss leider angemerkt werden, dass es zu Unstimmigkeiten zwischen den Übersetzungen kommt.

Fazit

Und ewig lockt der Grind – oder eben auch nicht! Octopath Traveler II ist wahnsinnig schön anzusehen, die Story um die acht Charaktere besser umgesetzt und das rundenbasierte Kampfsystem ist eine wahre Freude, erinnert es doch an die glorreichen Tage der 16bit-RPGs. Wenn sich manche Boss-Kämpfe ewig ziehen und auch Zufallskämpfe ihren Anteil an Spielzeit einfordern, zeigt sich, dass auch das Sequel größtenteils die eingefleischten Fans anspricht. Nichtsdestotrotz merkt man die Verbesserungen gegenüber dem ersten Teil allen Ecken und Enden – Octopath Traveler II zeigt sich 2023 als Rollenspiel auf höchstem Niveau.

Positiv:

+ 2D-Grafik als wahrer Augenschmaus

+ Kampfsystem wie im ersten Teil absolut solide

+ Latente Fähigkeiten runden das Kampfgeschehen ab

+ mehr Fokus auf den Handlungssträngen

+ Interaktionsmöglichkeiten mit NPCs wesentlich vielfältiger

+ Kämpfe fordern auch Veteranen…

Negativ:

– … doch manche sind sie nach wie vor zu lange gestaltet

– zu viele Zufallskämpfe

– englische Synchronisation und deutscher Text spießen sich

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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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