Review: Miasma Chronicles – Nach Mutant Year Zero der nächste Taktik-Hit für XCOM-Fans?

Die schwedischen Entwickler The Bearded Ladies haben zweifellos einen Typus. Wenn ihr das unvergessliche Mutant Year Zero oder das größtenteils vergessenswerte Corruption 2029 gespielt habt, werdet ihr es schon kennen – eine Mischung aus Echtzeit-Stealth und rundenbasierter Taktik, bei der ihr in aller Ruhe Nachzügler aus feindlichen Trupps ausschaltet, bevor ihr euch dem Rest in einer Teamschlacht stellt. Hier ist nun Miasma Chronicles, der dritte Versuch der Damen und wir sagen euch, ob sich der Titel lohnt.

Eine Postapokalypse zwischen Froschmonstern und übernatürlichen Fähigkeiten

140 Jahre nach einem zivilisatorischen Zusammenbruch ist Amerika mit Miasma verseucht, einer Art bösartiger Seuche aus Eisenspänen, die in Strudeln überall hinkommt und lebende Organismen vernichtet oder mutiert. Ihr seid Elvis, ein junger Mann, der in einer verseuchten Bergbaustadt sein Dasein fristet und Besitzer eines mysteriösen mechanischen Handschuhs ist. Diese schwere Apparatur wurde Elvis von seiner Mutter hinterlassen, die vor einigen Jahren hinter einer Wand aus Miasma verschwand und er soll die Kraft des Handschuhs nutzen, um sie aufzuspüren. Der Anfang ist auf jeden Fall interessant genug und in Verbindung mit den Umgebungen, die von Tausenden von Miasma-Partikeln verschluckt werden, entsteht eine angemessen beklemmende Atmosphäre. Das Ganze sieht auch ziemlich beeindruckend aus, mit seiner detaillierten Darstellung von Schrottsiedlungen und zerbröckelnden Monumenten der menschlichen Geschichte. Außerdem macht es einfach Spaß, zwischen den skelettartigen Überresten dieser verlassenen Gebäude zu stöbern, wie zum Beispiel dem Rohbau eines Flughafens, der in einem Friedhof aus kaputten Flugzeugen liegt.

Aber auch wenn sie gut dargestellt ist, gibt es hier nicht viel, was das Szenario über die Klischees der Endzeit hinaushebt. Einerseits wirkt die Welt nicht glaubwürdig – was essen die Menschen zum Beispiel, wenn es keine Vegetation oder Tiere gibt? Andererseits fallen die Versuche, die Realität als Grundlage für Komödien zu nutzen, flach. Die Witze sind plump, und die Satire, etwa über die Anwesenheit einer vampirischen Elite, der so genannten First Family, kommt nie über ein dumpfes Rauschen hinaus. Auch Elvis‘ Rolle als lässiger Normalbürger, der zum potenziellen Helden wird, weiß nicht zu unterhalten. Anstelle eines witzigen Bruce-Willis-Typs klingt er einfach nur schläfrig. Und der Roboter-Bruder Diggs wirkt mit seiner Ghetto-Attitüde auch leider etwas deplatziert und veraltet. Die ansonsten routinemäßigen Abläufe der Handlung schlagen sich auch in einem sehr uninspirierten Missionsdesign nieder. Schon bei der ersten Mission ist klar, dass man einen Energiekern braucht, um den Handschuh wieder aufzuladen. Aber die Person, die einen Energiekern hat, braucht einen Drehmomentstörer, und so geht es mehr oder weniger weiter. Von da an halten sich sowohl die Haupt- als auch die optionalen Nebenmissionen streng an das Format des Gefallenentauschs – sammle oder rette A aus feindlich verseuchten Gebäuden, um es gegen B einzutauschen – und die meisten Beziehungen zu den Nebencharakteren beginnen und enden dort.

Das Herzstück sind die anspruchsvollen Gefechte

Wenn man dann erst einmal in den Kämpfen steckt, wie es in Miasma Chronicles die meiste Zeit der Fall sein wird, ist die eigentliche Handlung aber auch erstmal nebensächlich. Stattdessen konzentriert ihr euch auf Miasma-Monster und Roboter bis hin zu mutierten Froschmenschen. Das Kampfsystem wurde dabei größtenteils aus Mutant Year Zero und Corruption 2029 übernommen: Man plant sorgfältig, wo und wann man ein Gefecht beginnt, und die Kämpfe selbst basieren auf den Raster-, Deckungs- und Aktionspunktregeln von Genreklassikern wie XCOM. Da es sich jedoch um ein so bewährtes System handelt, muss man sich fragen, warum bestimmte Schwachstellen nicht ausgebügelt worden sind. Stealth-Kills vor einem Kampf sind zum Beispiel immer noch kein wirkliches Mittel, um Kämpfe zu vereinfachen, sondern eher, um sie überhaupt zu schaffen, da die Anzahl der Feinde zu groß ist, um sie sofort anzugreifen. Daher ist es eher eine Notwendigkeit als eine Taktik, sich langsam durch die großen Gebiete mit feindlichen Patrouillen zu schleichen und einzelne schwächere Ziele mit lautlosen Waffen auszuschalten, und wenn man versehentlich den ganzen Trupp alarmiert, bevor man fertig ist, kann man seinen Spielstand auch neu laden.

Man kann sich aber an die Macken gewöhnen und der Spielspaß überwiegt fast die gesamte Zeit. Solltet ihr aber auf einem der höheren Schwierigkeitsgrade spielen, müsst ihr euch warm anziehen. Denn das Spiel macht einem den Anfang schon etwas schwer, da einem erstmal die Mittel fehlen, um gegen alles ankommen zu können. Beim Aufleveln erhält man zum Beispiel einen Fertigkeitspunkt, den man für neue Fähigkeiten ausgeben kann, aber nur sehr wenige Fähigkeiten kosten nur einen Fertigkeitspunkt. Und da man vielleicht einmal pro Stunde aufsteigt, muss man lange sparen, bevor man im Baum der einzelnen Charaktere weiterkommt. Wenn man dann eine Fertigkeit freigeschaltet hat, sind die Abklingzeiten zwischen den einzelnen Anwendungen übermäßig lang (selbst Overwatch dauert drei Runden) und werden sogar zwischen den Kämpfen übertragen. Und auch die Shops haben teilweise etwas überhöhte Preise, die nicht wirklich zum Kauf einladen, da ihr euer Geld bereits für Medipaks ausgeben werdet. Dafür findet man in Kisten immer wieder sehr coole Waffen, wie ein Abprall-Gewehr, dass je nach Abpraller immer mehr kritischen Schaden verursacht.

Miasma Chronicles macht es einem schwer, aber man kann und möchte dennoch nicht aufhören

Aber wenn man sich erst einmal auf die taktischen Aspekte des Spiels eingelassen hat, vor allem nach dem ersten Drittel, ist Miasma Chronicles oft so fesselnd und wunderbar herausfordernd, wie man es sich nur wünschen kann. Sobald jeder Charakter ein paar Fertigkeiten und passive Verstärkungen freigeschaltet hat, sind die langen Abklingzeiten nicht mehr ganz so strafend. Stattdessen plant man die Rotation zwischen den Mitgliedern der dreiköpfigen Truppe, indem man beispielsweise abwechselnd die Wache übernimmt oder einem Gegner mit einem Schuss die Rüstung vom Leib reißt, damit die anderen mit normalen Angriffen nachhelfen können. Die Gestaltung jedes Levels und die Anordnung der Objekte darin bieten die perfekte Bühne für eure Bemühungen. Der Stealth-Modus kommt dann erst richtig zur Geltung, wenn man entscheiden kann, wo man sich aufstellt, wenn es losgeht. Davor werden starke Deckungspunkte, Gelegenheiten für Höhenvorteile usw. ausgekundschaftet oder Gegner lautlos ausgeschaltet. Nur wenige Taktikspiele geben einem so viel Raum, um sich seine Vorgehensweise zu überlegen.

Und wenn die Schlacht beginnt, gibt es viel Spielraum, um die Architektur auf kreative Weise zu nutzen, indem man sich zum Beispiel durch Gänge zurückzieht, um Engpässe zu schaffen, oder Flankenmanöver ausführt. Allerdings sind mächtigere Gegner in der Regel recht geschickt darin, offensichtliche Fallen zu umgehen, so dass man gezwungen ist, zusätzliche Risiken einzugehen, um sie auszuschalten. Da kommen dann häufig die Miasma-Fähigkeiten von Elvis ins Spiel, die euch explosive Fässer beschwören oder ein Blitzgewitter bzw. Tornado auf die Gegner hetzen lassen. Die Vielzahl dieser und das Ausrüsten von weiteren Effekten dazu bringen nochmal einen weiteren Aspekt an Taktik ins Geschehen. Und um außerdem die Kritik zu entkräften, dass die früheren Spiele nicht umfangreich genug waren, ist es diesmal ein weit umfangreicheres Spiel, in dem man leicht 30 Stunden verbringen kann. Das bedeutet, dass dem Spiel viel mehr Raum zur Verfügung steht, um abwechslungsreiche Strategien zu entwickeln und weitere Elemente einzuführen, was großartig ist. Das bedeutet aber auch, dass die schwächeren Elemente stärker in den Vordergrund rücken.

Fazit

Das Herzstück von Miasma Chronicles ist pures Taktikvergnügen. Es zeigt ein ausgeprägtes Verständnis dafür, was rundenbasierte Spiele dieser Art ausmachen. Denn wenn es zur Sache geht, ist es voll von den Entscheidungen, Abwägungen und Belohnungen pro Zug, die im Genre so wichtig sind. Aber bei genauerem Hinsehen ist an vielen Stellen nicht alles zu Ende gedacht und das Spiel hängt zu sehr an bereits bei den Vorgängern begangenen Fehlern.

Miasma Chronicles ist ab sofort für PlayStation 5, Xbox Series und PC erhältlich.

Positiv:

+ taktische Tiefe durch Stealth-Mechanik vor den Gefechten

+ motivierende und herausfordende Kämpfe

+ viele modifizierbare Fähigkeiten

+ Miasma-Kräfte

+ anpassbare Schwierigkeitsoptionen

+ erkundbare Welt ist schön designt

Negativ:

– generisches Missionsdesign

– Story enttäuscht leider gegen Ende

– Sprachausgabe ausbaufähig

– häufige merkwürdige Dialoge

– Balancing-Probleme

– Fähigkeitenbaum benötigt zu viele Levelaufstiege zum Aufbauen

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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