Review: Metaphor: ReFantazio – Atlus‘ neues Meisterstück neben SMT & Persona

Von der magischen Erwachung jeder Figur und den RPG-Mechaniken, die dadurch freigeschaltet werden, bis hin zu den sozialen Simulationselementen, die Eure Interaktionen mit der Welt beeinflussen – Metaphor ReFantazio übernimmt klar die Persona-Formel. Aber es scheint, als würde das Spiel etwas Größeres anstreben, sowohl in Bezug auf das Gameplay als auch die Erzählweise. Das Spiel nutzt die Stärken vorheriger Titel, um über die Grenzen traditioneller Fantasy hinauszudenken und etwas völlig Einzigartiges zu erschaffen. Und so sehr Ihr vielleicht Persona liebt, es wird Zeit, dass es ein Spiel dieses Stils gibt, das über die Schulmauern hinausgeht. Und so viel sei gesagt sein, Metaphor schafft dies wirklich sehr gut. Doch mehr dazu in unserem ausführlichen Test.

Eine Geschichte, die über normale Fantasy hinausgeht

Egal, wie Ihr es betrachtet, Metaphor erzählt eine politisch aufgeladene Geschichte, nicht nur, weil Ihr als Hauptfigur versucht, eine Wahl zu gewinnen, um der nächste König zu werden. In den ersten Stunden des Spiels werden mutig die sozialen Dynamiken des mittelalterlichen Fantasy-Settings, dem Königreich Euchronia, etabliert. Die Geschichte beginnt damit, dass der Protagonist in einer Kutsche von einer Gruppe Wanderer überfallen wird. Er sieht dabei zu, wie ein rothaariges Elfenmädchen die Banditen besiegt, bevor er selbst von einer Klippe gestoßen wird und sich allein behaupten muss. Außerhalb der Städte und Mauern ist die Welt düster und feindselig, wo Gesetzlose und Monster ständig auf der Jagd nach Beute sind. Doch auch in der Hauptstadt ist man nicht wirklich sicher, denn Armut, Rassismus und Militarismus bestimmen das Leben im Königreich. Der Protagonist ist ein „Elda“, ein Stamm, die äußerlich wie Menschen aussieht. In Euchronia sind Eldas eine Seltenheit und werden mit Verachtung behandelt. Die Elfen „Roussaintes“ und gehörnten „Clemars“ werden eher akzeptiert, während die genussfreudigen katzenartigen „Paripus“ am Rand der Gesellschaft leben.

Diese Stammesdynamiken setzen den Ton für eine Geschichte, die soziale Ungerechtigkeit als zentrales Thema behandelt. Doch der Protagonist ist nicht nur irgendein junger Elda; er ist der beste Freund des Kronprinzen, der nach einem gewaltsamen Putschversuch seit Jahren im Koma liegt. Daraufhin liegt es an euch Follower zu sammeln und in einem großen Turnier für den Thron den Sieg zu erringen, denn nur so kommt ihr näher an die Person, die für den Fluch verantwortlich ist. Doch das ist alles nur die anfängliche Prämisse und es geht noch einige Schichten weiter. Dabei wird das Spiel immer wieder durch wunderschöne Anime-ähnliche Zwischensequenzen unterstützt und es fällt leicht, den Controller zur Seite zu legen, um diese zu genießen. Diese Sequenzen zeigen ein hohes Produktionsniveau, das Atlus‘ vorherige Spiele übertrifft. Auch die Ästhetik ist atemberaubend: Metaphor bringt die von Persona gewohnte Flash und Fashion, kombiniert mit der Härte einer brutalen mittelalterlichen Welt. Vieles in Metaphor bleibt zunächst ein Mysterium, aber die Welt ist eine Reise von über 80 Stunden auf jeden Fall wert. Und das Spiel hat dabei übrigens die gleiche aufregende Härte, die man von einem Atlus-RPG erwartet und besonders die grotesken Boss-Gegner, die interessanterweise „Humans“ genannt werden, schießen hier wirklich den Vogel ab und erinnern von der Stimmung her sogar häufiger an eine Mischung aus Attack on Titan und Junji Ito.

Motivierende Archetypen lassen euch den Controller nicht weglegen

Tatsächlich genau wie in Persona erlebt jede Figur in Metaphor ein adrenalingeladenes Erwachen, das ihnen übernatürliche Kräfte verleiht, dabei reißen sie sich buchstäblich das Herz heraus, um sich in Bestien zu verwandeln. Im Kampf werden sie zu sogenannten Archetypen, wenn sie Zauber wirken oder bestimmte Angriffe ausführen, eher vergleichbar mit den Job-Systemen von RPG-Klassen als mit den Pokémon-ähnlichen Personas oder Dämonen aus Shin Megami Tensei. Statt der Velvet Room oder World of Shadows gibt es in Metaphor dazu passend die Akademia, in der Ihr Eure Archetypen anpassen könnt. Jeder Charakter kann in bis zu 40 verschiedene Archetypen schlüpfen – darunter Magier, Gunner, Dieb, Sucher oder Krieger. Diese Archetypen beeinflussen nicht nur die Kampfrollen, sondern bringen auch elementare Affinitäten und Zauber mit, was die Zusammensetzung Eurer Gruppe zu einem grundlegenden Bestandteil des Spiels macht. Darüber hinaus lohnt es sich auch immer mal in andere dieser Archetypen reinzuschauen, denn es gibt später besondere Typen, die als Voraussetzung mehrere Ränge bei verschiedenen Klassen benötigen. Auch sehr hilfreich dabei ist, dass man dann auch immer bereits gelernte Skills mitnehmen kann, insofern man bei den Social Links auch schon etwas weiter ist und eine dafür vorhergesehen Währung namen „MAG“ auf Vorrat hat.

Das rundenbasierte Kampfsystem von Metaphor orientiert sich stärker an SMT, mit einem „Press Turn“-System, bei dem zusätzliche Aktionen pro Runde verdient werden. Auch wenn sich die Namen der Fähigkeiten in Metaphor teilweise geändert haben (Licht-, Dunkel- und Buff-Zauber sind gleich geblieben), fühlt sich der Kampf vertraut an, da Ihr weiterhin die Schwächen der Gegner anvisiert, um effektiv durch die Kämpfe zu kommen. Eine interessante Neuerung ist, wie man Mehrzielzauber ausführt: In Metaphor verbrauchen Synthese-Angriffe zwei Aktionssymbole und kombinieren die elementaren Kräfte von zwei Charakteren, um verheerende Spezialangriffe auszuführen, darunter auch Mehrzielzauber. Dadurch musste ich mir genauer überlegen, wann ich solche Fähigkeiten einsetze. Diese Überarbeitung ist clever, da ich nicht mehr die begrenzten Aktionsslots eines Charakters für solche Zauberarten reservieren muss. Ein weiterer kluger Weg, wie Metaphor die Formel neu überdenkt, ist die Art, wie Kämpfe eingeleitet werden. Es gibt ein Echtzeitelement, bei dem Ihr Gegner im Dungeon angreift, um einen Vorteil zu erlangen und ihnen vor dem eigentlichen rundenbasierten Kampf Schaden zuzufügen. Das erinnert etwas an das zuletzt erschienene Trails through Daybreak und da wie auch hier funktioniert dies wunderbar und bringt enormen Spaß. Anstatt immer wieder durch schwache Gegner hindurchzumähen, erreicht man schließlich einen Punkt, an dem man diese einfach aus dem Weg hacken und niederschlagen kann. Allerdings wehren sich die Feinde in der Oberwelt, sodass Ihr vorsichtig vorgehen und ihren Angriffen ausweichen müsst, um nicht selbst überfallen zu werden und mit einem großen Nachteil in den Kampf zu starten. Obwohl das Action-Element nicht besonders tiefgreifend ist und eher als Vorspiel zu den vollständigen Kämpfen dient, verbessert es den Spielfluss, indem es eine vernünftigere Balance zwischen Erkundung und Kämpfen schafft.

Die Präsentation und Designs sind teils nicht von dieser Welt

Sobald ihr den sehr umfangreichen Prolog durchlebt habt und auch ein Vehikel zur Verfügung habt bekommt ihr einen Eindruck davon wie der Tag-Nacht-Zyklus und das Kalendersystem funktionieren. Die Zeit, die Ihr damit verbringt, die Kulturen der Welt und ihre Völker kennenzulernen, fördert den Aufbau von Bindungen, ähnlich den Confidant-/Social-Link-Mechaniken aus Persona. Diese Bindungen wirken sich auf den Kampf aus, da sie neue Archetypen und Fähigkeiten freischalten. Bestimmte Aktivitäten verbessern Eure sozialen Werte, was wiederum neue Interaktionen oder Quests freischaltet. Es gibt immer noch eine Zeitvorgabe, bis ein Hauptereignis der Geschichte stattfindet und Ihr müsst das Hauptziel in angemessenem Tempo vorantreiben und schwierige Entscheidungen darüber treffen, wie Ihr Eure begrenzte Zeit in den verschiedenen Tagesphasen nutzt. Doch aus konzeptioneller Sicht passt das Konzept, die Herzen und Gedanken der verschiedenen Völker inmitten politischer Unruhen zu gewinnen und gleichzeitig Eure persönliche Mission zu verfolgen, perfekt zum Gameplay-Rahmen und es entsteht ein gar wundervoller Loop, der immer mit einem absolute Highlight dazwischen aufwatet, womit auch das Pacing wunderbar rund gehalten werden kann, wenn auch manche Dungeons sich etwas länger ziehen als sie müssten.

Das Zeitmanagement dreht sich nicht nur darum, wie Ihr Teile Eures Tages verbringt. Expeditionen für Quests zu weit entfernten Orten im Königreich dauern mehrere Tage, was Euch dazu zwingt, im Voraus zu planen und abzuwägen, was sich lohnt. Während der Expeditionen auf Eurem Gauntlet Runner (dem Bodenfahrzeug, das als mobiles Hauptquartier fungiert) könnt Ihr einzigartige Interaktionen mit Charakteren erleben, was bedeutet, dass Ihr nicht einfach Tage im Kalender verstreichen lasst. Ich konnte meine Beziehung zur ehemaligen königlichen Ritterin Hulkenberg vertiefen, indem ich ihre Liebe zu Tabletop-Spielen erkundete und ich kochte mit Strohl, um ihn besser kennenzulernen und gleichzeitig Heilgegenstände herzustellen. Nebenquests führen oft durch kuratierte Dungeons und Bosskämpfe und bieten zusätzliche Story-Elemente, die Ihr sonst nicht im Hauptquest sehen würdet. Überrascht hat dabei, dass viele der Nebenmissionen sogar fast komplett vertont waren, während leider fast alle Ränge zu eurer Gefolgschaft nur in Textboxen stattfinden. Das ist schade, da dies beim Remake Persona 3 Reload bereits ausgemerzt wurde, wo alle Social-Link-Ränge voll vertont waren.

Epischer seid ihr noch nie durch ein Fantasy-Setting gelaufen

Ein wichtiger Bestandteil bei Atlus-Spielen war für mich immer schon die Musik und es ist erstaunlich wie wandelbar Shoji Meguro ist. Nach dämonenhaften Klängen in SMT V oder dem jazzig hervorragenden Klängen aus Persona 5 liefert dieser nun einen gewagten neuen Soundtrack ab, der jetzt mit klassischen Orchestern und einem lateinischen Chor arbeitet. Teils wirkt es wie die größte instrumentale Epik und wird hier und da aber auch gekonnt mit Lyrics gepaart, die von einem besessenen buddhistischen Mönch stammen könnten, einfach wunderbar. Aber Metaphor: ReFantazio sticht selbst unter seinen Vorbildern durch seinen atemberaubenden visuellen Stil hervor. Es setzt den Weg von Persona 5 fort, jeden Aspekt stark zu stilisieren. Dazu gehört alles, von den Charakteren über Spezialeffekte bis hin zur Benutzeroberfläche. Aber ich sage es gleich vorweg: Dieser Titel sieht schon jetzt deutlich besser aus als Persona 5 Royal. Die fließenden Übergänge in den Kämpfen, die einzigartigen Schriftarten und die detailreiche Charakterzeichnung in den Menüs sind außergewöhnlich. Dazu gibt es noch so viele kleine Details, die die Welt wunderbar nahbar machen und jeden Trip zu einer neuen Location zu einem märchenhaften Abenteuer. Denn immer wenn man diese ansteuert, gibt euch eine Erzählerstimme einen Einblick in die Reise und was einen wohl erwartet. Auch dass der Protagonist zwar zunächst still wirkt, aber durchaus vertont wird und einige Zeilen zu sprechen hat ist ein Novum, was Atlus sehr gerne beibehalten kann. Denn die Synchronsprechenden machen alle einen wirklich hervorragenden Job, war es wieder umso schader macht, dass es besonders in Dungeons immer wieder längere Strecken gibt, wo es nur unvertonte Textboxen gibt. Doch nach so langer Wartezeit auf dieses Projekt sind das zusammen mit vielleicht ein paar Pacing-Problemen zu Beginn und teils etwas zu langgestreckten Dungeons ein paar verkraftbare Punkte und alle, die auch nur etwas Interesse an dem Genre haben machen hier absolut nichts falsch.

Fazit

Metaphor: ReFantazio ist die fast perfekte Weiterentwicklung aus früheren Spielen des Studios. Es bringt alles Bekannte aus dem Genre auf eine unglaublich hohe Qualität, überrascht bei Story und Inszenierung und beeindruckt durchweg bei der Präsentation sowie der musikalischen Untermalung. Der Loop aus tollen Kämpfen und dem motivierenden Kalendersystem wird eure freie Zeit im Handumdrehen auffressen.

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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