Die Yakuza-Reihe von Sega, die im Westen mittlerweile unter dem direkt übersetzten Namen Like A Dragon bekannt ist, wird für ihr ernstes, knallhartes Drama und ihre brutalen Straßenschlachten ebenso geliebt wie für die albernen Streiche ihrer Protagonisten, Kiryu Kazuma, Goro Majima und Ichiban Kasuga. Daran wird sich auch im nächsten Spiel der Reihe, Like A Dragon: Ishin nichts ändern, obwohl das Spiel im historischen 19. Jahrhundert angesiedelt ist. Wenn überhaupt, ist Like A Dragon: Ishin! eine Gelegenheit für das Franchise, vielen Spielern einen Einstieg in die Reihe zu gewähren. Doch ob es dafür wirklich geeignet ist und sich Fans nicht lieber nach der neueren Dragon Engine sehnen, muss sich zeigen. Aber mehr dazu natürlich bei uns im Test.
Bekannte Gesichter in neuen Rollen sind fantastisch
Like A Dragon: Ishin ist das Remake eines Yakuza-Ablegers, der ursprünglich nur in Japan 2014 für PlayStation 3 und PlayStation 4 veröffentlicht wurde. Es ist ein eigenständiger Titel, weder eine Fortsetzung noch ein direktes Prequel zu den Like A Dragon/Yakuza-Hauptspielen. Wenn ihr also durch den schieren Umfang von Segas Beat-‚em-up-Adventure-Franchise eingeschüchtert seid, ist es ein guter Einstiegspunkt. Die Geschichte von Like A Dragon: Ishin! dreht sich um Sakamoto Ryoma, der zufällig dem Yakuza-Protagonisten Kiryu Kazuma sehr ähnlich sieht, der sich auf eine Mission begibt, um einen mysteriösen Angreifer aufzuspüren, nachdem seine Vaterfigur und Mentor, Yoshida Toyo, ermordet worden ist. Das Einzige, was Ryoma über den maskierten Angreifer weiß, ist sein Schwertkampfstil, bekannt als Tennen Rishin. Auf der Suche nach Antworten reist Ryoma von seiner Heimatstadt Tosa in die japanische Hauptstadt Kyo, wo er sich unter einem Decknamen der Shinsengumi, einer Spezialeinheit der Polizei, anschließt.
Was darauf folgt steht den Yakuza-Titeln der Hauptreihe in nichts nach und bietet wieder eine Menge an Spannung, unerwarteten Wendungen und vielschichtigen Charakteren. Besonders bei Ishin ist dabei die noch brutalere Ausrichtung, da abseits von Zwischensequenzen in Yakuza meist die Gegner nur bewusstlos geschlagen werden, doch hier alle brutal mit Katanas aufgeschlitzt werden. Denn die Shinsengumi sind keineswegs zimperlich und jeder, der auch nur versucht ihnen den Rücken zu kehren, wird brutal hingerichtet. Somit ist man auch als Spieler ständig auf der Hut, denn wirklich sicher fühlt man sich als Ryoma die ganze Story über nicht und man überlegt, wer einem vielleicht gleich wieder in den Rücken fallen könnte. Besonders schön ist dabei für Serienfans die Tatsache, dass fast alle Charaktere aus der Hauptreihe hier in neuen Rollen schlüpfen, die bisherigen Charakterzüge dabei aber meist beibehalten. Das macht es zwar noch schwieriger die vielen Namen zu behalten, weil man immer direkt zwei im Kopf hat, wirkt aber so fast wie ein Theaterstück oder ein Film im Spiel und macht wirklich Spaß.
Schwert und Pistole sind mächtiger als die Faust
Die Kampfstile in Ishin! sind eine Besonderheit und fühlen sich unterschiedlicher an als in früheren Spielen, in denen Kiryu zwischen einer Vielzahl von Kampfmethoden wechseln konnte. Ryoma verfügt über vier verschiedene Waffenstile: Swordsman, eine Haltung, die sich auf kraftvolle Schläge mit einem Katana konzentriert. Gunman, bei dem Ryoma mit Pistolen auf große Entfernung angreift. Wild Dancer, eine „auffällige“ Haltung, die Feuerwaffen und Katana kombiniert und Brawler, bloße Fäuste kombiniert mit Umgebungswaffen. In den Dojos in Fushimi kann man sich in all diesen Stilen ausbilden lassen. Es gibt auch einen Schmied in der Stadt, der Waffen schmiedet, verstärkt und durchtränkt, wenn man die richtigen Materialien hat. Es gibt Dutzende, wenn nicht Hunderte von Schwertern, Speeren, Pistolen, Kanonen, Rüstungsteilen und anderen Gegenständen, die im Laufe des Spiels freigeschaltet und verbessert werden können. Sogar euer Outfit lässt sich später anpassen, sobald ihr Zugang zu kosmetischen Items habt.
Und damit nicht genug lassen sich eure vier Stile natürlich auch upgraden, denn sonst bekämt ihr ja keine der aus der Serie bekannten Heat-Moves. Stylish in Action gesetze Manöver, die in bestimmten Situationen im Kampf ausgelöst werden können. Sei es, wenn ein Gegner an einer Wand steht und ihr in so in der Aktion mit dem Katana an eben dieser aufspießt oder an einem Wassergraben, in den euer Widersacher auch direkt befördert wird. Und falls es im Kampf einmal brenzlig werden sollte, gibt es in Ishin sogenannte Trooper-Karten, die auch als Unterstützung dienen. Denn als Captain eurer eigenen Einheit innerhalb der Shinsengumi braucht ihr natürlich auch tapfere Soldaten an eurer Seite. Diese werden per Knopfdruck aktiviert und bieten euch so einige Boni wie mehr Angriff oder Heilung, können aber auch den Gegner direkt verletzen. Schade dabei ist, dass hierbei nur ein paar bunte Effekte wie grünes Licht bei der Heilung eintreten und die Figuren nicht wirklich am Kampfgeschehen teilnehmen oder ähnliches. Dafür aber gibt es eine eigene Story zu diesen, bei der ihr weitere Trooper freischaltet und diese auch ausbauen könnt.
Frische Schauplätze mit allerhand Nebenaktivitäten
Typisch für die Reihe sind natürlich die ganzen Nebenaktivitäten. Und was dabei als besonders positiv auffällt ist, dass es wirklich einmal angenehm ist in einem komplett neuen Schauplatz die Bar, Restaurants und Zock-Buden abzulaufen. Denn auch wenn es schön ist im vertrauten Kamurocho jede Ecke zu kennen, so läuft man beim dritten Spiel innerhalb des Schauplatzes dann nicht unbedingt noch einmal jede Straße ab und kennt die meisten Shops und Lokalitäten bereits. So aber nicht in Ishin, denn alle Schauplätze sind neu und frisch und bieten gewohnt Verrücktes. Neben Dojos, Arenen oder Angeln sind die etwas ausgefalleneren vielleicht ein Hühner-Rennen, Wetttrinken im Bordell oder Kanonenkugeln mit dem Schwert zu zerteilen. Okay, das letzte ist quasi nur Baseball, aber dennoch. Im feudalen Setting passen viele der Aktivitäten hinein und auch so etwas wie Karaoke und eine Tanzbar wirken hier einfach nicht deplatziert und bieten angenehm witzige Minispiele an.
Und es gibt natürlich auch wieder eine Vielzahll an irrwitzigen und einfallsreichen Nebenmissionen, den Sub-Stories. So ernsthaft, spannend und brutal die Hauptgeschichte ist, so einfallsreich, bescheuert und lustig sind dafür die Nebengeschichten. Verschwundene Tiere, ein Lieferdienst, der Rekruten sucht, tanzende Diebe, die alle animieren mitzumachen oder ein Detektivfall, bei dem das Verschwinden einer Süßigkeit geklärt werden soll sind da nur der Anfang. Und auch hier kommen bekannte Gesichter der Hauptreihe vor, wie zum Beispiel Kiryus Ziehtochter Haruka. Diese begegnet euch hier in einer sehr umfangreichen Nebenhandlung „Another Life“, in welcher ihr um Schulden zu begleichen einen Bauernhof führen müsst. Das kratz dabei zwar nur an eingefleischten Spielen dieser Art, ihr könnt aber dennoch viel Zeit hier verbringen. Es muss angeplfanzt und geerntet werden, durch den Anbau neuer Gemüsesorten oder auch Tiere für ein ausreichendes Sortiment gesorgt und auch gekocht werden. Denn ihr habt eine Art Bestellliste, die ihr mit verschiedenen Mahlzeiten oder Produkten beliefern müsst, um so Geld ins Haus zu bringen. Der Loop aus immer mehr kleineren Aufgaben, um größere zu erledigen, ist dabei sehr befriedigend, wenn mir das Ganze auch nicht so gut gefiel wie beispielsweise der Hostessen-Klub aus Yakuza 0.
Für Neueinsteiger und Fans gleichermaßen gut geeignet
Doch spielt sich das alles denn noch zeitgemäß, wenn Ableger wie Judgment oder Yakuza 6 bereits eine völlig neue Enginge benutzen? Auf jeden Fall. Das liegt zu einem großen Teil an dem unverbauchten Setting und der neuen Stadt, aber auch an der immer noch guten Grafik, welche wirklich sehr schön aufgehübscht wurde. Diese kann in gerenderten Zwischensequenzen total überzeugen und auch die Umgebungen sind atmosphärisch und hübsch umgesetzt. Beim Gameplay merkt man natürlich, dass sich das alles etwas steif spielt und Animationen sich wiederholen bzw. aus älteren Teilen der Serie bekannt sind. Aber die tolle japanische Synchro und die spannende Story funktionieren und die Kämpfe in den vier Stilen machen Spaß und sind angemessen blutig. Lediglich das Fehlen von englischer Sprachausgabe mag manche stören, wenn man nicht die ganze Zeit alles lesen möchte. Und hier und da gab es während meiner Spielzeit ein paar Hänger, dass Kämpfe 10 Sekunden gebraucht haben, bis diese starteten. Doch abgesehen davon läuft es ohne Probleme.
Fazit
Like A Dragon: Ishin! ist kein neuer Titel der bekannten Serie und doch fühlt er sich so frisch an. Denn bekannte Gesichter in neuen Rollen, ein neuer Schauplatz im feudalen Japan und das erste mal mit Schwert und Pistole agieren, statt den Fäusten, machen das Spiel besonders. Es mag sich in Teilen etwas altbacken anfühlen, spielt sich aber wunderbar und sollte von jedem, der mit dem Setting etwas anfangen kann oder den Einstieg ins Franchise sucht, ausprobiert werden.
Like a Dragon: Ishin! erscheint am 21. Februar 2023 für PC, PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series.
Positiv:
+ komplett neuer Schauplatz
+ spannende Story voller Wendungen auf wahren Begebenheiten
+ aus der Serie bekannte Charaktere in neuen Rollen
+ umfang- und abwechslungsreiche Nebenaktivitäten
+ Mini Farming-Simulator „Another Life“
+ vier Kampfstile
Negativ:
– teils etwas altbacken
– spätere Bosskämpfe etwas hart
– Trooper-Feature ausbaufähig
– Übergänge zu den offenen Kämpfen sind durchaus mal kurz eingefroren