Review: Life is Strange: Double Exposure – Erwachsene Max zwischen zwei Welten

Life is Strange drehte sich für mich nie wirklich um Max und Chloe. Für mich steht die Serie vielmehr für die Art, wie Don’t Nod und später Deck Nine das Genre der Adventure-Games modernisiert haben: mit Erkundung in der dritten Person, filmischen Zwischensequenzen, sympathischen Charakteren, fortschrittlichen Themen und einem Hauch übernatürlicher Kräfte. Max und Chloe haben die Spieler an eine großartige Anthologie herangeführt, aber es tat der Serie gut, sich weiterzuentwickeln. Unser Test.

Von Arcadia Bay zur Caledon University

Ich hätte nicht erwartet, Max Caulfield wiederzusehen und genau das macht ihre Rückkehr in Double Exposure so erfrischend. Hanna Telle, die Max im Originalspiel gespielt hat, ist zurück, und ihre Darstellung einer älteren, reiferen Max hat die gleiche Mischung aus Indie-Nerd-Charme und Verletzlichkeit, die Max so liebenswert macht. Wenn wir Max in Double Exposure begegnen, ist sie Ende zwanzig und Künstler-Stipendiatin an der verschneiten Caledon University. Dieser Job hat sie vor dem „Freelancer-Horror“ bewahrt und das geräumige Haus, in das sie sich in ruhigen Momenten zurückzieht, scheint ein willkommener Bonus zu sein. Zum Beginn von Double Exposure sind Max’ Zeitmanipulationskräfte seit der High School verschwunden. Jetzt liegt es an euch, ihre Vergangenheit zu definieren: Hat sie Chloe verloren oder das restliche Arcadia Bay geopfert? Waren Max und Chloe beste Freunde oder mehr? Warum endete ihre Beziehung? Ihr habt eine Menge Freiheit darin, wer Max für euch ist und wie ihr Leben zwischen den Spielen aussah. Es ist nicht ganz das Versprechen, welches vorab gegeben wurde, dass beide Entscheidungen berücksichtig werden, aber es ist ein toller Mittelweg und beide Enden werden realistisch berücksichtig, denn Menschen verändern sich einfach. Die Art und Weise, wie diese schwierige Frage nur die Antworten „Chloe starb“ oder „Chloe und Max trennten sich“ zulässt, mag langjährigen Fans angesichts dessen, was die beiden Charaktere zuvor durchgemacht haben, nicht gefallen. Doch die Gründe für die Trennung, falls ihr diesen Weg wählt, sind real, roh und letztlich wahrhaftig zu ihren Charakteren und ihrem Trauma.

Falls Ihr ein Life is Strange-Spiel oder ein anderes Werk von Don’t Nod, wie Tell Me Why oder Twin Mirror, gespielt habt, dürfte das Gameplay vertraut wirken. Als Max erkundet Ihr Umgebungen und könnt alles inspizieren oder mit den Menschen und Objekten interagieren, denen Ihr begegnet, stets begleitet von Max’ innerem Monolog. Ich habe das immer gemocht, Life is Strange hebt sich damit von früheren Telltale-Spielen ab, da es sich viel mehr auf Umgebungsstorytelling konzentriert. In Double Exposure kann man auch durchstöbern, wie Max und Chloe in Kontakt standen, indem man zum Beispiel ihr Haus durchsucht oder ihr Handy checkt. Darüber hinaus ist der umfangreiche Journal mit vielen Zeichungen von Max wieder dabei, es gibt eine Art Social-Media-Feed mit dem man vieles kennenlernt oder auch direkte Nachrichten, auf die man hin und wieder auch antworten kann. Nichts weltbewegendes, aber wenn man sich für all diese Dinge die Zeit nimmt, wird die Welt wirklich sehr umfassend und mit Leben und weiteren Infos gefüllt.

Verzweigte Entscheidungen auf zwei Zeitlinien

Früh im Spiel lernen wir Max‘ Freunde Safi und Moses kennen. Safi begleitet Max bei einem Streifzug durch eine verlassene Bowlingbahn und die beiden kommentieren ständig das Geschehen. Safi, gespielt von Olivia AbiAssi, soll als „witzige“ Freundin rüberkommen, wirkt aber manchmal etwas bemüht, auch wenn die Rolle gut gespielt ist. Moses ist da viel sympathischer, er ist ein sanfter Nerd und ein eher zurückhaltender Typ. Der Schauspieler Blu Allen bringt die Figur mit subtiler Leistung zum Leben, was der Serie sehr gutsteht. Kurz nach dem Kennenlernen der drei Freunde stirbt Safi auf tragische Weise und Max’ Fähigkeit zur Zeitkontrolle kehrt zurück. Doch statt die Zeit zurückzudrehen, kann Max nun zwischen zwei Zeitlinien springen – einer, in der die Tragödie passiert ist, und einer, in der sie nicht passiert ist. Bald zeigt sich, dass auch andere Figuren der Universität in diesen divergierenden Zeitlinien gefangen sind. Dabei bleibt es aber natürlich nicht und ohne zu viel zu verraten, geht es noch weiter in Richtung weiterer Superkräfte, ohne dabei aber direkt zu übertreiben. Auch hier werden die genutzen Kräfte wieder zu viel Unheil führen, wenn vielleicht auch gar nicht immer von Max ausgehend. Die Konklusion am Ende hat mir dabei auch grundlegend sehr gut gefallen, wenn auch die Lösung mir insgesamt etwas zu einfach schien. Der Sequel-Bait hat aber auch bei mir voll gewirkt.

Die große Neuerung diesmal ist Max’ Fähigkeit, zwischen den Zeitlinien zu wechseln. Dies ist jedoch nur an bestimmten Orten möglich, Hinweise sind summende Geräusche oder leuchtende Partikel in der Luft. Innerhalb dieser Zonen kann man beliebig hin- und herspringen. Diese Mechanik wird für coole Rätsel genutzt: Um zum Beispiel eine Stelle zu inspizieren, an der ein Objekt an der Wand fehlt, müsst Ihr in die andere Zeitlinie wechseln und euch eine Leiter holen. Diese Rätsel erinnern ein wenig an Titanfall 2s „Effect and Cause“-Level, allerdings ohne den hohen Schwierigkeitsgrad. Denn über das gesamte Spiel verteilt bleibt es leicht, aber man freut sich irgendwie dennoch mich immer über interessante Zeitlinien-Rätsel. Grafisch ist dies mit Abstand das beste Spiel der Serie. Zwar gibt es hin und wieder leichte Texturprobleme, aber wenn das Spiel gut läuft, ist es das bisherige Highlight des Artstyles, den Don’t Nod entwickelt hat. Die Figuren sind zwar immer noch leicht stilisiert, doch die Mimik und Gestik wirken unfassbar glaubhaft. Die Gesichtsanimationen gepaart mit den wirklich sehr guten englischen Stimmen ließen mich immer an deren Lippen kleben und es war eine wunderbare Version einer Uncanny Valley. Deck Nine hat mittlerweile mehr Life is Strange-Spiele entwickelt als der ursprüngliche Entwickler Don’t Nod. Die Serie war schon immer für progressive politische Themen bekannt und das setzt sich hier fort: So wird Moses in der zweiten Episode von der Polizei kontrolliert, und Deck Nine zeigt realistisch, wie ein Schwarzer in Amerika behandelt wird – selbst als sanftmütiger und gesetzestreuer Mensch wird er ständig unter Verdacht gestellt. Die Universität ist voller verschiedener, marginalisierter Charaktere, und der Umgang mit queeren und trans Identitäten ist besonders gelungen, Sexualität und Geschlechtsidentität werden als Alltagsthema behandelt. Generell ist das Spiel mit einen Charakteren und Welt eine sehr erwachsene Weiterentwicklung, die sicher nicht jedem gefallen wird, aber dennoch sehr gut funktioniert.

Fazit

Life is Strange: Double Exposure wird es beiden Lagern von Chloe-Ultras sicher nicht recht machen können, findet aber einfach den besten und erwachsensten Mittelweg, unterstützt von einem wieder großartigem Soundtrack. Die neuen Charaktere sind glaubhaft, klasse vertont und grafisch super umgesetzt und auch die Story weiß wo spannende Cliffhanger gesetzt werden müssen. Am Ende vielleicht etwas zu einfach dem Schicksal entrungen, überwiegen dennoch die ganze Zeit die vielen positiven Aspekte.

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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