Review: Inscryption – Ein Roguelike-Kartenspiel, das man einfach selbst erlebt haben muss

Indie-Studio David Mullins Games (von dem gleichnamigen Entwickler gegrünet) ist bekannt dafür, Spiele zu machen, die jede Menge Überraschungen und Twists bieten. Pony Island war augenscheinlich ein süßes Jump ’n’ Run, dass sich jedoch schnell als ein Spiel um eine teuflische Arcade-Maschine, deren Code repariert werden muss, entpuppt. In The Hex treffen sechs Videospielprotagonisten in einem Mordfall aufeinander, aufgelöst kann der Fall nur werden, indem man in die Erinnerungen der Verdächtigen eintaucht und ihre jeweiligen Videospiele zockt. Man merkt, dass die Handlungen von David Mullins keineswegs geradlinig oder vorhersehbar sind, zudem wechseln sie auch gern das Gameplay-Prinzip. Nicht weniger erwarten Fans nun von Inscryption, das im Trailer bereits mindestens so düster wie seine Vorgänger wirkt. Da ein großer Teil des Reizes von dem Titel natürlich in den Überraschungen für den Spieler steckt, werden wir die Handlung nur bis zu einem gewissen Punkt erzählen.

Ein Raum, ein Gegenspieler, ein Set Karten

Unvermittelt findet man sich in einer Waldhütte an einem Tisch sitzend wieder. Gegenüber sitzt ebenfalls eine Gestalt, doch von dieser sind nur kleine, kalte Augen sichtbar. Das Gegenüber will ein Spiel spielen. Mit einer kleinen Figur zieht man über das Spielfeld, bei einer Auseinandersetzung wird ein Karten-Match ausgetragen. Die Regeln sind simpel: Monster-Karten bekämpfen sich gegenseitig, sollten keine Monster mehr auf den Gegnerfeldern liegen, kann dieser direkt angegriffen werden. Der Punktestand wird mit einer Waage vermittelt, in denen bei Schaden Goldzähne in die entsprechende Waagschale geworfen werden. Ist die Differenz der Schalen höher als fünf, verliert oder gewinnt der Spieler.

Verliert der Spieler beide seiner Leben wird er von den Schatten in einen anderen Raum gezerrt und dort selbst zur Karte gemacht. Danach beginnt das Spiel von vorne, wobei spezielle Karten roguelike-mäßig behalten werden dürfen. Das trifft ganz besonders die drei Karten zu, die mit euch reden können. Richtig gelesen! Es gibt Karten, in die ganz offensichtlich Personen eingeschlossen wurde und euch dabei helfen wollen, aus dieser Situation zu entkommen. Zum Beispiel verrät euch eine Karte, dass in dem Karten-Ratgeber-Buch ein Code zu finden ist.

Dieser Code hilft dabei, einen Safe zu öffnen, der sich in demselben Raum befindet. Euer Gegenspieler meint, er wäre kein Monster, deshalb dürft ihr vom Tisch aufstehen und im Raum frei bewegen. Hier präsentiert sich euch eine Escape-Room-ähnliche Umgebung: Es gibt mehrere mysteriöse Gegenstände zu erforschen, unter anderem auch ein Kuckucksuhr und eine Statue mit einem Messer. Das Messer wird sich als ein Hilfsitem herausstellen, dass euch einen Vorteil in den Karten-Matches verschaffen kann. Was ihr jedoch genau schneidet und in die Waagschale werft, wollen wir an diesem Punkt nicht verraten.

Es gibt scheinbar kein Entkommen

Neben den Hilfsitems könnt ihr auch sogenannte Totem während des Ziehens über das Spielfeld erwerben. Dieses aktivieren sich selbstständig und gegen einer bestimmten Kartenklasse eine Zusatzfähigkeit. So könnten beispielsweise alle Wölfe in eurem Deck die Fähigkeit besitzen, bei Tod wieder in eurer Hand aufzutauchen. Doch nicht nur die Totem-Schnitzerin wird euch auf eurem Weg über die Spielkarte begegnen. Der Schatten besitzt eine Reihe von Masken, mit denen er euch verschiedene NPCs vorspielt. So trefft ihr auch auf Pilzforscher und Pelzverkäufer sowie natürlich auf Endbosse.

Diese sind in der Regel stärker uns besitzen unfähre Zusatzfähigkeiten. So kann der Angler einfach die Kontrolle über eine ausgewählte Karte von euch übernehmen. Obendrauf besitzen die Bossgegner zwei Leben und reduzieren während der Dauer des Matches euer Leben auf eines.

Das Ass im Ärmel des Indie-Studios

Sollte es dem Spieler gelingen, die erste Phase des Spiels zu meistern, wird er Zeuge der Magie von David Mullins Games, den ohne große Verzögerung wird man aus der inzwischen vertrauten Umgebung in etwas völlig Neues geworfen. Man erhält Zugriff auf eine Reihe von Online-Videos eines Kartensammlers. In diesen sogenannten „Unpacking-Videos“ öffnet er die Booster Packs verschiedener Karten, darunter natürlich auch Inscryption. Sobald man dieses Menü verlässt, wird eine monochrome Pixel-Welt vorgestellt, in welcher der Spieler den Auftrag erhält, die vier „Scrybes“ zu besiegen – natürlich im Kartenspiel!

An diesem Punkt werden Spielwelt und Kartensystem weit offener als zuvor. Es gibt die Möglichkeit, dass Deck selbst zu editieren, zudem ihr jederzeit neue Karten dazukaufen. Es gibt vier verschieden Typen von Karten, wobei Bestien-Karten den Regeln eures Decks aus der ersten Phase gleichen. Die Eigenschaften der anderen Decks lauten wie folgt: Untote könne mit einer unterschiedlicher Anzahl an Knochen beschworen werden, diese erhaltet ihr von euren vernichteten Einheitenkarten. Technikkarten werden mit Energie beschworen, von welcher ihr in der ersten Runde eine Einheit besitzt, in der zweiten zwei und so weiter. Das bedeutet, dass mächtigere Monster erst im späteren Spielverlauf beschworen werden können.

Ein gutes Blatt ist bunt gemischt

Bei dem letzten Deck handelt es sich um Magier. Die zauberbegabten Wesen lassen sich nur dann spielen, wenn das ihnen entsprechende Symbol bereits auf dem Feld liegt. Zum Glück gibt es Karten, die gleich mehrere der drei Symbole (Dreieck, Viereck, Kreis) in einem kombinieren. Apropos kombinieren: Es gibt keine Limitierung, was bedeutet, dass jeder beliebige Kartentyp in das Deck integriert werden kann, um eine optimale Synergie zu erzeugen.

In dem oben abgebildeten Beispiel sind zwar nur Magier auf dem Spielfeld zu sehen, allerdings nutzt der zweite links auf der Spielerseite auch eine Fähigkeit, die mit Energie bezahlt wird. Diese dient normalerweise dazu, Technik-Einheiten zu beschwören; ein System das ganz nebenbei stark an Hearthstone erinnert, während das Opfern von Monstern im Bestien-Deck wie bei Yu-Gi-Oh funktioniert. Nur wer bei den ganzen Regeln und Funktionen den Überblick behält, kann letztlich auch die schwierigsten Gegner besiegen.

Die Welt von Inscryption steckt voller Geheimnisse. Manche sind mit ein wenig Knobelei und Tipps von NPCs zu lösen, andere erfordern mehrere Schritte bis zur Belohnung und sind obendrauf gut versteckt. Dadurch will man Wiederspielwert erhöhen, doch leider wird dieser wiederum gesenkt durch den Fakt, dass das Spiel segmentiert ist. Nach jeder Phase – und man merkt, wenn eine in die andere übergeht, verliert man sein Deck und muss quasi mit neuen Karten von vorne anfangen. Die Regeln ändern sich dabei aber nicht, deshalb kann der Spieler zumindest sein Wissen mitnehmen.

Fazit

David Mullins hat mit Inscryption seinen persönlichen Take zum Genre des Sammelkartenspiels abgegeben und obwohl er nicht wirklich etwas Neues in diese Richtung präsentieren kann, spielt der Titel doch glänzend mit den vorherrschenden Konventionen. Das vom Entwickler bekannte Spiel mit den Meta-Ebenen und der dadurch entstehende Mystery-Effekt überzeugen fast durchgehend und nicht zuletzt müssen die originellen Ideen des Kartenspiels Erwähnung finden. Wer Deckbuilding-Spiele mag, sollte auf jeden Fall ein Auge auf Inscryption werfen!

Positiv:

+ Solides Kartenspiel mit originellen Ideen aus dem Roguelike-Genre

+ Überzeugende Atmosphäre aus Grusel/Mystery und Metafiktion

+ Präsentation setzt die Handlung hervorragend in Szene

+ Wiederspielwert aufgrund jeder Menge Geheimnisse gegeben

Negativ:

– Karten können zwischen Phasen leider nicht behalten werden

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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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