Nachdem bereits Kollege Steve sich zum Release auf der Xbox den Titel hier angeschaut hat, wollte auch ich einmal meinen Senf dazugeben und schauen wie sich der Titel auf Sonys Konsole so schlägt und ob sich da nach den ganzen Monaten und neuer adaptiven Features viel getan hat. Also Hut ab und rein in unseren Test.
Der bessere Film, aber auch ein gutes Spiel?
Gleich zu Beginn von Indiana Jones and the Great Circle, dem neuen Abenteuer von MachineGames, seid Ihr auf heiligem Boden unterwegs, auf der Jagd nach einem legendären Relikt. Klingt vertraut, oder? Nur: Während Ihr Euch durch dichten Dschungel kämpft, durch luftfeuchte Hitze stapft und Euch in eine mit Fallen gespickte Höhle wagt, dämmert es Euch – Ihr wurdet reingelegt. Das hier ist nicht einfach nur inspiriert von den Filmen, das ist der legendäre Anfang von Jäger des verlorenen Schatzes, in fiebriger Ego-Perspektive nachgestellt. Alles ist dabei: der Berg, der Hut, die Peitsche, vergiftete Pfeile, Fledermausschwärme, die Schlucht und natürlich der Felsbrocken. Sogar Troy Baker, der Indy seine Stimme leiht, klingt fast wie Harrison Ford persönlich, inklusive kehligem Nuscheln. Mutig, diesen ikonischen Tonfall zu treffen, ein falscher Ton, und Ihr werdet vom Boulder überrollt. Aber: Baker meistert das Ganze ziemlich souverän. Was ihm dabei hilft? Die reiche Kulisse. Es ist das Jahr 1937, ein paar Monate nach dem ersten Film. Jones erwacht abrupt in seinem Büro am Marshall College in Connecticut. Das Ambiente? Ein Traum aus dunklem Holz, Marmorböden und Lederbänden. Er und sein alter Kumpel Marcus schwelgen in Whisky, Wissen und wohliger Dämmerstimmung, bis ein lauter Knall sie unsanft zurückholt. Eine Spur aus nassen Fußabdrücken und zerbrochenem Glas führt zu einem Riesen im Trenchcoat, der eine ägyptische Katzenstatue klaut, Indys Kiefer demoliert und dabei ein Medaillon zurücklässt. Das Abenteuer ruft, auch wenn Ihr eigentlich gern noch ein bisschen geblieben wärt.

Von da an geht’s einmal rund um den Globus: erst in die Gärten des Vatikans, wo Jones in Priesterrobe durch geheime Archive stöbert, dann nach Gizeh zur Nazi-Ausgrabung, später gemütlich per Boot durch thailändische Flussarme. Und obwohl die ikonische rote Linie auf der Karte quer über den Globus huscht, so richtig „schnell“ fühlt sich das Reisen nicht an. Stattdessen erkundet Ihr große, offene Areale, schaut immer wieder auf Eure Karte, sammelt Hinweise, löst Nebenquests. Das Spiel lässt Euch Zeit und genau das fühlt sich richtig an. MachineGames bringt leichte Rollenspielelemente ins Spiel: Bücher, die Eure Fähigkeiten verbessern, neue Gadgets wie eine Kamera im Olivgehäuse oder ein stylishes Sturmfeuerzeug à la Ronson. Keine Bond-Ausrüstung, aber es ist eher 007 als Lara Croft oder Nathan Drake, dem Indy hier nacheifert. Die Abenteuerstimmung erinnert an Fleming: Reisen, Rätsel, Bösewichte. Als Journalistin Gina Lombardi ihn fragt, was Archäologie denn so mit sich bringt, antwortet er trocken: „Man reist viel. Und manchmal versuchen böse Leute, einen umzubringen.“

Seichte Erkundung statt actionreicher Achterbahnfahrt
Anders als in Wolfenstein: The New Order oder The New Colossus geht es hier aber nicht primär ums Kämpfen. Ja, nicht jeder Nazi kommt heil davon, aber meist steht smarte Stealth-Action im Fokus: Ihr lenkt Wachen mit einer Flasche ab, verpasst ihnen einen Crowbar-Klopfer auf den Kopf und verschwindet ungesehen. Oder Ihr vermeidet den Kampf ganz. Wenn’s doch zur Sache geht, geht Indy in den Nahkampf, mit Paraden, Haken und Wucht. Sogar Türen öffnen ist eine kleine mechanische Herausforderung, als wär’ Jones selbst ein Artefakt, das man erstmal verstehen muss. Diese Entschleunigung hat Stil: In Italien beißt Ihr in eine Orange, um Eure Ausdauer zu regenerieren, knabbert an einem Biscotti, um Eure Gesundheit zu heilen und blickt dann nach oben, wo ein Zeppelin lautlos über die Terrakottadächer und die Kuppel des Petersdoms schwebt wie ein grauer Wal. In solchen Momenten fühlt sich The Great Circle an wie der legendäre LucasArts-Klassiker Fate of Atlantis: nicht hetzen, sondern entdecken. Viele andere Indy-Spiele waren eher Tomb Raider oder Uncharted nachempfunden, aber hier geht’s ums Denken, nicht nur ums Ballern. Wo Nathan Drake beim Anblick eines Zeppelins drauf rumrennen und brüllend runterstürzen würde, schwingt sich Indy elegant per Peitsche hoch, erklärt Miss Lombardi das große Rätsel, mit Lippenstift-Skizze auf der Wand, und segelt weiter zur nächsten Station. Ja, Actionfans könnten irgendwann unruhig werden, doch genau diese Gelassenheit ist es, die das Spiel besonders macht. Die Entwickler von MachineGames, viele Ex-Starbreeze-Leute (Riddick, The Darkness), wissen, wie man eine Geschichte atmen lässt. Ihr erinnert Euch an Riddick, der in seiner Zelle Aufträge erledigt, oder Jackie Estacado, der durch New York streift ,genau dieses Gefühl von „mittendrin sein“ bringt auch The Great Circle rüber.

Natürlich bekommt auch die Story Tiefe: Der Bösewicht Emmerich Voss ist ein schleimiger Typ mit Drahtgestellbrille und toten Augen. In einem fiesen Moment fragt er Indy, warum Marion nicht da ist – „Hattest du Angst, Ehemann zu werden? Vater? – Oder einfach davor, wie dein eigener Vater zu enden?“ Autsch. Für Gina ist das alles hart – denn zwischen ihr und Indy knistert’s nicht wirklich. Aber das ist okay: Dieses Spiel lebt auch davon, Euch in Ruhe rätseln zu lassen. Und ja, davon gibt’s viele: Rätsel, die mit Leveldesign zu tun haben, mehrere Wege ins Ziel, Luftschächte, Kletterrouten und solche, die richtig schön nerdig sind. Fotografiert Wandmalereien, schleppt Tontafeln über Skorpion-Meere oder knackt Codes mit einem Polybios-Quadrat und einem italienischen Gedicht. Wer dabei nicht grinst, hat wahrscheinlich den Archäologen in sich vergessen. Klar, es gibt typische Genre-Probleme: Manche Nebenquests wirken fehl am Platz, wenn man eigentlich gegen den Faschismus kämpft. Und manchmal zieht sich das Tempo. Doch MachineGames lockert das mit linearen Sequenzen wieder auf. Wer nach Dial of Destiny traurig aus dem Kino kam, bekommt hier einen echten Trost. Das Spiel zeigt Jones in Bestform, ohne digitale Verjüngung, aber mit viel Herz, Stimme und einem Maschinengewehrsitz im Doppeldeckerflugzeug. Um kurz auf die PS5-Tauglichkeit dieser Ausgabe des Spiels einzugehen: Die DualSense-Haptik ist hervorragend und verleiht nicht nur Indys knackigen Schlägen und Peitschenknallen Nachdruck, sondern verstärkt auch die Zwischensequenzen. Das Spiel läuft mit konstanten 60 Bildern pro Sekunde auf der PS5-Basisversion und verfügt sowohl auf der PS5 als auch auf der PS5 Pro-Version über Raytracing. Vor allem die Pro-Version ist mit nativem 4K und Raytracing besonders beeindruckend.

Fazit
Indiana Jones und der Große Kreis ist wunderbarer und klassischer filmreifer Spaß. Das Gameplay lässt leider wirklich immer noch zu Wünschen übrig, aber einen besseren Indy haben wir wohl nie bekommen. Gepaart mit einer runden Technik und schönen adaptiven Features ist der Rundtrip gegen den Faschismus auch auf der PS5 ein voller Erfolg.

Positiv:
+ Indy-Feeling perfekt getroffen
+ DualSense-Features
+ tolle Umgebungen
+ zentrale Mysterium ist wirklich fesselnd
Negativ:
– sehr rudimentäres Gameplay (Stealth)
– Perspektivwechsel stören den Spielfluss
– Gegner-KI