Review: Indiana Jones und der Große Kreis – Ein interaktiver Film mit Längen

Schon lange gab es kein Indiana Jones Videospiel mehr und wenn man die Lego Spiele wegrechnet, dann ist selbst der Blick kurz vor 2010 sehr, sehr karg in Sachen Indie. Doch jetzt soll mit Indiana Jones und der Große Kreis (Originaltitel: Indiana Jones and the Great Circle) von Machine Games wieder ein würdiges Gaming Erlebnis folgen. Wir haben uns das bereits erhältliche Spiel angesehen und sagen euch, wo wir begeistert waren und wo es ein bisschen happert. Wir haben uns dabei die Steam Version zu Gemüte geführt. Achtung an alle PC und Xbox Spieler: Zum Release findet ihr Indiana Jones und der Große Kreis direkt im Gamepass.

Kommt einem das irgendwie bekannt vor?

Im Dschungel geht’s los

Wir befinden uns im Jahr 1937, spielen also den mittdreißiger Indie, der neben seiner Tätigkeit als Universitätsangestellter auch weiterhin auf abenteuerliche Expeditionen geht. In einem Dschungelintro, das einige Filmerinnerungen wachruft, macht man sich mit der Steuerung vertraut, um dann im Marshall College Zeuge eines Einbruchs durch einen sehr großen, in schwarze Roben gehüllten Unbekannten zu werden. Dieser schlägt unseren Helden nieder, der am nächsten Tag direkt nach dem Aufwachen aus der Bewusstlosigkeit versucht das Motiv dieser Tat herauszufinden. Ab hier beginnt die Gameplayschleife von Der Große Kreis, die als großes Kernelement die Suche nach Hinweisen hat.

Alles, was man dabei so findet, wird feinsäuberlich in Indies Notizbuch vermerkt, das man im laufenden Spiel jederzeit konsultieren kann, um Rätsel zu lösen oder sich die Karte anzusehen. Das ist alles schön ins Spiel integriert und trägt mit der Ego-Perspektive zur Immersion bei. Und so steht da auch, dass die Spur ins von Mussolini regierte Italien und dort in den Vatikan führt. Im Verlauf des Spiels verschlägt es Dr. Henry Walton Jones, Jr., so der bürgerliche Name von Indiana Jones, aber noch in weitere exotische Gebiete.

Faschisten sind dumm

Zunächst erlernt man in Italien jedoch die Feinheiten der Stealth- und Kampfmechaniken des Spiels, die allerdings nicht der Rede wert sind. Die Gegner, am Beginn Schwarzhemden, also militärische Anhänger der Faschisten, später dann auch, wie könnte es anders sein, Nazis, sind die meiste Zeit eher dümmlich unterwegs. Typische unfreiwillig komische Schleichspielmerkmale wie „huch, was war das für ein Geräusch“ oder das Nichtbemerken eines 10 Meter weiter lautstark niedergeschlagenen Kollegen sind da natürlich genauso dabei, wie das Abfertigen im Nahkampf in engen Gängen, wenn keine Schusswaffen dabei sind. Die meiste Zeit kann man also die Dummheit der Feinde ausnutzen, um sie, falls nötig, nacheinander auszuschalten. Das Spiel zwingt einen nur in wenigen Situationen zum offenen Kampf.

Auch ein Verkleidungssystem kommt dabei manchmal zum Einsatz, was es einem ebenfalls ermöglicht Kämpfen aus dem Weg zu gehen. Wenn es doch zum Prügel austeilen kommt, kann man mit der sagenumwobenen Peitsche Feinde entwaffnen und damit kurz betäuben. Außerdem gehört zu Indies Repertoire Blocken bzw. das Parrieren von Schlägen sowie mit allerlei zweckentfremdeten Gegenständen und den eigenen Fäusten zuzuschlagen. Einen großen Unterschied macht es aber zumeist nicht, ob ihr eine Waffe habt oder dem Faustkampf frönt. Dadurch sind die Kämpfe leider eher nervige Zwangsaufgaben, anstatt einer Herausforderung.

Sammeln, Lesen, Rätseln

Spannender sind dagegen die vielen Collectibles, die unglaublich viel zum World Building beitragen. Egal ob es sich um einen Angriff der Japaner auf China, ein echtes Cacio e Pepe Rezept oder die Geheimnisse des Vatikans handelt. Und viele dieser Notizen sind natürlich untereinander verbunden und führen euch zu Geheimnissen, Geld oder eben weiteren Hinweisen. Eure Kamera, die man früh im Spiel erwirbt, ist dabei euer bester Freund. Bilder bringen nämlich Punkte und weitere Hinweise bzw. die Lösung mancher Aufgabe. Die Rätsel, die sich z.B. um Zahlenschlösser oder das Sortieren von Gegenständen drehen, sind ebenfalls in diese Collectibles eingebunden. Wer den Rätsel Schwierigkeitsgrad auf „Normal“ gewählt hat, bekommt auch keine offensichtlichen Hinweise, sondern nur die Bündelung der Hinweise zu einem gegebenen Rätsel. Das ist gelungen und macht Spaß beim selbst Entschlüsseln. Ein ganz klein wenig schwerer hätte es zwar sein dürfen, aber das ist Jammern auf hohem Niveau bei einem Film Abenteuer Spiel.

Film ist dabei auch das richtige Stichwort. Der große Kreis lässt sich viel mehr mit den Worten interaktiver Film, als mit Spiel beschreiben. Das ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist das Storytelling sehr gut und die Zwischensequenzen sind voll von Indiana Jones typischem Humor, der genau so bereits in den bestehenden Filmen vorkam oder vorkommen hätte können. Andererseits können sich fünf Minuten Zwischensequenz schon einmal ziehen. Und wenn man dann anfängt in bereits besuchte Gebiete zurückgeht, um Vergessenes einzusammeln, bemerkt man, dass das Gameplay ohne zusätzliche Sequenzen nicht so viel hergibt. Daran ändert auch das Erlernen neuer passiver Fähigkeiten durch gefundene oder gekaufte Bücher nichts, da sie das Spiel zwar erleichtern, aber ebenso nicht wirklich notwendig sind.

Filmerlebnis auf Kinoniveau

Das Budget ist ganz offensichtlich an andere Stellen geflossen. Namentlich sind hier die Story, die Zwischensequenzen und die hervorragenden Sprecher zu erwähnen. Wir haben uns die englische Version angehört, in der zumeist in den jeweiligen Originalsprachen gesprochen wird. Und egal ob Indie selbst, sein weiblicher Sidekick Gina Lombardi oder der deutsche Nazi und Archäologe Emmerich Voss, es ist eine Freude zuzuhören. Hier wurde auf ein sehr hohes Niveau Wert gelegt und dieses auch durchweg gehalten. Die gesamte Story, um den großen Kreis, eine gedachte Linie um die Welt in der viele große religiöse Stätten liegen, hätte dabei auch ein Kinofilm mit weitaus weniger Laufzeit werden können. Wir schätzen, dass man ohne Guides zum Komplettieren aller Aufgaben und Collectibles durchaus an die 25h aufbringen muss. Wer es eilig hat kommt aber natürlich wesentlich schneller durch die Story. Positiv fällt dabei die Entscheidung auf, dass man auch später jederzeit zu vergangenen Schauplätzen zurückkann, um seine Sammlung zu vervollständigen.

Auch grafisch weiß das Abenteuer zu überzeugen, wenngleich zum Zeitpunkt unseres Tests Raytracing noch nicht möglich war. Egal, ob man sich im Vatikan, im Dschungel oder in einer Ruine befindet, die Umgebungen sehen realistisch aus und auch die Charaktere sind durchweg gut animiert. Manchmal kam zwar unser PC etwas ins Stottern und das ein oder andere Mal schaltete das Spiel schlichtweg in einen Diamodus, aber ein Neustart konnte das beheben und wir können nicht abschließend sagen, ob es am Spiel oder unserer Hardware lag. In jedem Fall sollte man aber am PC seine Grafikkartentreiber auf den neuesten Stand bringen.

Fazit

Indiana Jones und das große Rad richtet sich wenig überraschend an Fans der Filme, die wieder einen jüngeren Indie sehen wollen. Die herzzereißend dummen Gegner und das etwas langweilige Schleichen und Kämpfen werden durch exzellentes World Building, hervorragende Sprecher und eine gelungene Story mehr als ausgeglichen. Wer mit der Erwartungshaltung eines interaktiven Spiels und als Indiana Jones Fan an dieses Spiel herangeht, macht wenig falsch. Insbesondere, wenn man das Angebot des Game Pass nutzt, in dem das Spiel zum Release bereits enthalten ist. Alle anderen sollten noch etwas Warten, denn die 70€ zum Release sind kein Pappenstiel.

  • Gelungene Story, die genausogut ein Film hätte werden können
  • Alle Notizen, Bücher und Fundstücke sorgen für eine dichte Atmosphäre
  • Die Rätsel sind gut gemacht und passen zum Indiana Jones Thema
  • Extrem hohes Niveau der Sprecher
  • Diverse Gebietswahl, wie es sich für einen Ärchaologen auf Weltreise gehört
  • Die Gegner sind ausgesprochen dumm und fordern garnicht
  • Kampf- und Schleichgameplay sind unterdurchschnittlich
  • Mehr Film als Spiel an manchen Stellen
  • Manchmal unerklärliche Framerateeinbrüche, die durch Restarts behoben werden konnten
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Written by: Steve Brieller

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