Review: Harvest Moon One World – Die glorreichen Erntezeiten sind vorbei

Für viele alteingesessenen Gamer, so wie ich es einer bin, ist Harvest Moon ein Stückchen Kindheit. Ich erinnere mich noch gut an die unbeschwerten Tage, als die Schule meine einzige Sorge und der Gameboy Advance um Längen interessanter war, als die Hausübungen. Damals steckte darin das Spiel Harvest Moon: Friends of Mineral Town, das zeitgleich auch meine erste Berührung mit der herzhaften Farming-Simulation war. Selbst heute noch erinnere ich mich mit Freuden an mein virtuelles Leben als Landwirt zurück und stelle mir zugleich die Frage, warum die Reihe seitdem nicht mehr den Weg in meine Hände gefunden hat. Einen Umstand den ich mit Harvest Moon One World endlich ändern wollte. Was ich bei meiner Rückkehr als Farmer so erlebt habe und ob es den Entwicklern von Natsume Inc. gelungen ist, dem großen Namen gerecht zu werden, das verrate ich euch jetzt in meinem Review.  

Ein trostloses Paradies

Einst war die Welt voller Blüte und Leben. Obst, Gemüse und Rohstoffe gediehen unter der schützenden Hand der Erntegöttin das ganze Jahr über in Hülle und Fülle. Doch nach und nach begannen die Bewohner dieses Paradieses, diesen Segen als selbstverständlich zu erachten. Sie verloren ihren Respekt vor der Natur, vergaßen wem sie dies zu verdanken hatten und so ging das fruchtbare Land mit der Zeit verloren. Die Erntegöttin verschwand spurlos, hegte jedoch den frommen Wunsch, dass sie eines Tages eine schicksalshafte Hand wiedererwecken würde… Wie ihr euch bereits denken könnt, ist dies natürlich eure Hand. Als Bewohner dieser Insel, wahlweise männlich oder weiblich, beschließt ihr euch euer Leben den Göttern zu widmen, um endlich wieder für florierende Ernten zu sorgen.  Denn nur mit deren Hilfe lässt sich längst verloren geglaubte Saat wiederfinden, eine Farm bauen und natürlich am Ende des Tages das Inselparadies neu auferstehen zu lassen.

Eine vermeintlich große Spielwelt

Der Beginn eures kleinen Abenteuers findet im ländlichen Gebiet Calisson statt, das mit seinen Graslandschaften und Wäldern wie das erste Gebiet in einem klassischen Super Mario Spiel erscheint. Dort macht ihr behutsam eure ersten Schritte, lernt einen verrückten Professor kennen und handelt direkt mit einigen wenigen Bewohnern. In weiterer Folge verschlägt euch das Spiel an vier weitere Orte, darunter das tropische Strandparadies Halo Halo, die trockene Wüste Pastilla, die am Fuße eines ruhenden Vulkans ruhende Lebkuchen-Region und zuletzt das  schneebedeckte Salmiakki. Dort versteckt sich jeweils ein sogenannter Erntegeist, mit dessen Hilfe ihr einen Schritt näher zur Erntegöttin kommen könnt. Doch ganz so einfach macht es euch das Spiel nicht diese zu finden, denn dafür gilt es einige Aufgaben zu bewältigen.

Das harte Farmer-Leben

Um dem blühenden Paradies einen Schritt näher zu kommen, ist es wichtig, die Aufgaben der Bewohner in der jeweiligen Region zu erfüllen. Im Mittelpunkt dort steht jeweils ein männlicher und ein weiblicher Charakter, die je nachdem wie eure Geschlechterwahl ausgefallen ist, die Möglichkeit einer Romanze bieten. Doch das ist nur nebensächlich, denn in erster Linie geht es darum, bestimmte Gemüsesorten anzubauen und abzuliefern. Das macht ihr standesgemäß mit eurer Farm, die ihr in den ersten Spielminuten erhält. Diese besteht aus eurem Haus und einem Stall. Das Haus dient als Schlafplatz sowie Lager für Rohstoffe und Lebensmittel, während der Stall selbstredend zahlreiche Tiere beherbergt. Das Erntegeschehen spielt sich aber auf den Feldern davor ab, die jedoch fix an den jeweiligen Ort gebunden sind. Warum das wichtig ist? Dank der Expando-Farm könnt ihr eure Behausung per Knopfdruck einpacken und in anderen Regionen auf dafür vorgesehenen Stellen neu aufbauen. Nachteil: Die Felder sind feste Punkte, habt ihr an alter Wirkungsstätte noch etwas angebaut, dann müsst ihr täglich zurückwandern. Und eines vorweg: Das ist nicht ganz so einfach wie man denkt!

Zwar erhält ihr schon in der zweiten Region die Möglichkeit der Schnellreise, dennoch gibt es da ein winzig kleines Problem: Die Ausdauer! Jeden Tag startet ihr das Leben als Farmer mit einer gewissen Anzahl an Herzen. Diese nehmen je nach Art der Tätigkeit unterschiedlich schnell ab, selbst beim Laufen quer über die Insel. Zwar lässt sich mit Nahrung diese Energie frisch auffüllen, dennoch spielt auch der Faktor Zeit hier eine wichtige Rolle. Wer spätnachts ins Bett geht, der startet den nächsten Tag nicht gut ausgeruht. Habt ihr also eine große Farm und viele Tiere zu füttern, dann kann es vorkommen, dass die Hälfte des Tages damit rum ist, diesen Tätigkeiten um Geld zu verdienen nachzukommen. Doch ihr werdet schon relativ früh erkennen, dass der Faktor Reichtum kaum eine Rolle spielt, denn sind erstmal die notwendigen Werkzeuge und die ersten Tiere gekauft, verliert Harvest Moon: One World schnell seinen Reiz.

Zwischen Zufall und schlechter Optik

An vielen Stellen des Spiels bestimmt der Zufall, wann ihr die nächste Aufgabe abschließen könnt. Wie eingangs erwähnt gilt es Saatgut zu finden, das euch von kleinen Erntewichteln, die täglich in der Umgebung spawnen, zufällig überreicht wird. Braucht ihr also drei Wassermelonen, dann seid ihr darauf angewiesen, per Zufall drei Samen überreicht zu bekommen. Selbiges gilt natürlich auch für andere Lebensmittel, wodurch der Spielspaß oft auf der Stelle tritt. Auch der Umstand, dass Gemüse je nach Region schneller oder langsamer wächst ist durch die langen Strecken und unterschiedlichen Siedlungsflächen eine erschwerende Komponente. Das wäre ja halb so schlimm, wenn es zumindest optisch etwas hermachen würde.

Leider macht auch in diesem Punkt Harvest Moon One World überhaut keine gute Figur. Detailarme und langweilige Umgebungen, unbelebte Regionen mit austauschbaren NPCs und ein vereinfachtes Gameplay ohne Tiefgang haben gar nichts mehr mit den glorreichen Tagen von früher gemeinsam. Auch die damals einprägsame Optik wurde mit einem pseudo-realistischen Look ausgetauscht, der zu keiner Zeit eine Portion Charme versprüht. Spätestens an diesem Punkt werten auch die optionalen Romanzen und die daraus resultierende Heirat gegen Endes des Abenteuers das Spielerlebnis kaum auf. Denn bis es erst überhaupt soweit kommt, seid ihr zunächst damit beschäftigt, mühsam Rohstoffe zu beschaffen, bei denen euch zu keinem Zeitpunkt erklärt wird, wo diese zu finden sind. Es sei denn ihr habt tatsächlich Erfahrung mit früheren Harvest Moon Spielen, die mit diesem Ableger lediglich noch ihren Namen gemeinsam haben.

Fazit

Fans der Reihe werden in Harvest Moon: One World schnell feststellen, dass der Glanz früherer Tag leider verflogen ist. Detailarm, grafisch veraltet und spielerisch flach gestaltet sich das Leben als Farmer überraschend eintönig und langweilig. Für ein bisschen Entlastung sorgen da zwar die fünf unterschiedlichen Regionen, die aufgrund der seichten Handlung und Aufgaben aber kaum über einen längeren Zeitraum motivieren können.

Positiv:

+ Die unterschiedlichen Regionen bringen Abwechslung ins Farmer-Leben

+ Es gibt viel zu erkunden und anzubauen

Negativ:

– Grafisch wirkt man unfertig und veraltet

– Das gesamte Gameplay ruht auf dem A-Knopf

– Kaum Erklärungen bei wichtigen Aufgaben

– Zufallsbedingte Saatgut erschwert den Fortschritt

– Flora und Fauna wirken leblos und austauschbar

Harvest Moon: One World ist am 05.März 2021 für Nintendo Switch, Playstation 4 und Xbox One erschienen.

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Written by: Manuel Barthes

Ehemaliger freier Redakteur bei Cerealkillerz