Nach einer Covid bedingten Verschiebung ist Guily Gear -STRIVE- aus dem Hause Arc System Works endlich erschienen. Wir haben einen Blick auf die PS5 Version und die PC Variante geworfen (ebenfalls für PS4 verfügbar). Abgesehen von PS exklusiven Kostümen der exklusiven Legendary Edition sind die Spiele deckungsgleich und bieten beide 15 spielbare Charaktere, wovon 13 Veteranen und 2 Newcomer sind.
Smell of the Game – Revolution der Serie
Der „Smell of the Game“ ist nicht nur der rockige Titelsong, sondern auch ein Hinweis auf eine kleine Revolution in der Serie. Das erklärte Ziel des geistigen Vaters Daisuke Ishiwatari war es, die als sehr kompliziert geltende Serie wieder zugänglicher für Anfänger zu machen. Aus meiner Sicht ist dies durchaus gelungen. Zum Beispiel ist das sogenannte Gatling System der Vorgänger stark beschnitten worden. Wahrend man früher wesentlich freier darin war die fünf Angriffsknöpfe zu kombinieren, sind diesmal wesentlich weniger Abfolgen möglich und somit auch wenige zu merken. Dies kann Veteranen sogar kurzzeitig aus dem Konzept werfen, da gelernte Muster von bekannten Charakteren nicht mehr so umsetzbar sind wie früher. Nach kurzer Umgewöhnung und ein paar Runden im Trainingsmodus stellt sich aber Gewohnheit ein.
Eine andere völlig neue Mechanik ist ebenso zu Beginn etwas seltsam anmutend für Veteranen: Der Wallbreak. Wird ein Spieler an der Wand in einer Combo getroffen, bekommt diese Wand Risse. Nach genug Treffern bricht sie dann vollends und der Spieler wird in einer kurzen cinematic zu einem anderen Kampfschauplatz geworfen. Dadurch ist der verteidigende Spieler der Ecke entkommen und der Angreifer bekommt einen Bonus auf sein Meter Gain (das Tension Meter für Super Moves und sog. Roman Cancels). Diese Änderung hat bereits in der Beta für große Diskussionen gesorgt, da Combos dadurch kürzer werden und das Spiel einen zwingt die Wand irgendwann zu durchbrechen. Dadurch verliert man aber seinen Positonsvorteil der Ecke. Es wird sich zeigen, wie sich dieses Feature entwickeln wird und ob es in Zukunft Änderungen daran geben wird.
Allgemein sind die Combos auch kürzer geworden und insbesondere Beginner müssen sich dadurch viel weniger merken, um erspektablen Schaden zu verursachen. Abseits solcher Grundsatzänderungen gibt es aber altbekannte Mechaniken wie Burst, Roman Cancel und Faultless Defense, die ähnlich funktionieren, wie man es gewohnt ist und eher Detailänderunen erfahren haben.
Let me Carve your Way – Vom Anfänger zum Profi
Wem das alles nichts sagt, dem sei der Mission Mode ans Herz gelegt, in dem alle Konzepte des Spiels und auch Charakterspezifika erklärt werden. In kleinen Szenarien kann man nach einer schriftlichen Einführung den Input üben und so Schritt für Schritt das Handwerkszeug für offline und online Kämpfe lernen. Das sogenannte Tutorial selbst, welches beim ersten Start des Spiels aktiv vorgeschlagen wird, erklärt einem dagegen nur, welche Knöpfe überhaupt belegt sind, wie man sich bewegt und wie der Burst Mechanismus (zum Entkommen aus Combos) funktioniert. Natürlich ist auch ein Trainingsmodus mit dabei, in dem man ohne Druck sein Können perfektionieren kann. Wer sich dann bereit fühlt man im Arcade oder Survical Modus in aufeinandergolgenden Kämpfen gegen die CPU vorgehen, die insbesondere Anfängern genug Herausforderung zu bekommen bietet. Spannend dabei sind die 2 vs 1 Kämpfe, die auch bereits in einem Trailer geteastert wurden. Leider sind diese nicht online bzw. überhaupt mit menschlichen Mit- und Gegenspielern möglich. Hier hoffe ich auf ein Update, dass dies als kleinen Zeitvertreib nebenher ermöglicht.
Insgesamt vermisst man hier allerdings ein wenig das Tutorial aus dem Vorgänger, das als eine Art Minispiel aufgebaut war und mehr Movement Optionen erklärt hat. Der Mission Mode war dabei ebenfalls für die komplizierteren Konzepte und für Charakterspezifika gedacht. Die Trennung ist aber letztenendes Geschmackssache und um höhere Weihen zu erreichen, wird ein wenig Selbststudium in einschlägigen Foren und Youtube Channels wie bei allen anderen Fighting Games das Mittel der Wahl sein. Es ist dennoch schön zu sehen, dass der lehrende Aspekt nicht zu kurz kommt und die Entwickler Wert darauf legen gute Erklärungen zu liefern und Konzepte verständlich zu erklären.
Hellfire – Der Story Mode
Damit einem das eigene Können aber jedenfalls nicht im Weg steht, um die durchaus komplizierte Story und Lore des Guilty Gear Universums zu genießen, ist der Story Mode in Form eines ca.5h vollvertonten Anime „Films“ integriert. Ich empfehle hier die japanischen Stimmen mit Untertiteln, auch wenn es englische Sprachausgabe gibt. Auch wenn es durchaus schlechtere Dubs gibt, geht wie immer nichts über das Original. Zu kritisieren ist aber auf jeden Fall, dass die Untertitel recht schnell wieder verschwinden in hektischen Szenen. Im Zweifelsfall sind diese aber im Startmenü nachlesbar. Grundsätzlich kann der Film nämlich jederzeit unterbrochen werden (Speichern nicht vergessen). Weiterhin ist ein Glossar, die Zusammenhänge zwischen Charakteren und Ereignissen in Form von Diagrammen und Zusatztexten und eine Timeline jederzeit auf dem Hauptmenü und aus dem Story Mode heraus verfügbar. Als absoluter Neueinsteiger schadet es aber nicht, vielleicht doch vorher eine Zusammenfassung anzusehen. Sonst versteht man eventuell doch nicht, wieso der Präsident der Vereinigten Staaten in einer Mechakutsche von Hubschraubern verfolgt wird, nur weil „That Man“/Asuka vor ihm sitzt.
Die Qualität dieses Films ist dabei insofern schwankend, als dass Hauptfiguren wesentlich schöner und detaillierter animiert sind als der einfache Fußsoldat. Dies ist deutlich zu sehen und ist ein wenig schade. Netflix Anime Niveau wird also nicht erreicht, auch wenn man das Gefühl hat, eine Guilty Gear Adaption wäre garkeine so schlechte Idee. In jedem Fall wird aber unterhalten und die Story der Vorgänger wird vorangetrieben. Es ist außerdem davon auszugehen, dass handelnde Charaktere zukünftige DLC Charaktere darstellen. Man darf also gespannt sein, wer als erster die Bühne als spielbarer Charakter des ersten Season Passes betreten wird.
Rock Parade – Das wahrscheinlich schönste 2D Fighting Game
Bevor wir nun zum zum Herzstück des Spiels, dem Multiplayer, kommen, soll mit der Grafik eine der größten Stärken von Strive und mit dem Soundtrack ein Markenzeichen der Serie noch kurz angeschnitten werden. Vorneweg sei gesagt, dass es sich bei dem neuesten Ableger der Kampfspielserie, um das wahrscheinlich schönste 2D Fighting Game bis dato handelt. Die komplett in 3D in der Unreal Engine entworfenen Charaktere und Stages sind hervorragend animiert und strotzen vor Details. Wenn sich Rei, der Hundegeist der Newcomerin Giovanna, auf den Rücken wirft, möchte man ihn am liebsten durch den Bildschirm durchwuscheln. Hier hat Arc System Works auf der Erfahrung des Vorgängers aufgebaut und einen optischen Augenschmaus gezaubert. Auch wenn May mit ihrem lautstarken „TOTSUGEKI“ auf ihrem Delphin dem Gegner entgegenfliegt, dann sieht das wunderbar aus. Auch im Hintergrund der Stages sind Licht und Schattenspiele faszinierend. Leidere hat man aber nur im Trainingsmodus wirklich Zeit, diese zu bewundern. Bei Counterhits wird im Fight stark hineingezoomed, der Schriftzug Counter erscheint und auch der Announcer lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Treffer Wirkung gezeigt hat. Manch einem mag der Effekt und die Schriftgrößte zu viel sein und zugegeben leidet die Übersicht hier ein wenig. Zur Dramatik und dem „ooomph“ Gefühl tragen diese Effekte aber einen wesentlichen Teil bei und reißen mit.
Eventuell mag es jemand schon aufgefallen sein, aber alle Zwischenüberschriften dieses Artikels sind mit Titeln des Soundtracks von Guilty Gear Strive versehen. Die Serie ist nämlich allgemein für seine Hard Rock und Heavy Metal Soundtracks bekannt und nehmen eine zentrale Stellung im Gesamtdesign ein. Nachdem bereits im Vorgänger mehr Lyrics in den Songs verwendet wurden, hat diesmal jeder Charakter ein komplett mit Text und Gesang ausgestattetes Main Theme. Hier gehen natürlich die Meinungen auseinander und wer von den Beastie Boys „Sabotage“ nicht mag, der wird auch mit „Trigger“ (Giovannas Theme) nicht glücklich, dass offensichtlich davon inspiriert wurde. Dafür gibt es aber auch „The Disaster of Passion“ (Mays Theme), dass J-Pop und Anime Intro Fans die Freudentränen in die Augen treibt (und bereits kurz nach der Veröffentlichung für genug Meme Videos gesorgt hat). Die Meinungen werden auseinandergehen, aber in der Gesamtbetrachtung hat man auch hier einen passenden Baustein für das Gesamtwerk. Wer dagegen lieber die alten Soundtracks hören möchte, der muss im Fishing Mode für ingame currency (bekommt man durchs Spielen automatisch) Glück haben und dort neben Artworks, Movie Clips und Kostümen für die Multiplayer Lobby, die Soundtracks an die Angel bekommen. Dieses meditative Minispiel ist bereits aus anderen Arc System Works Spielen und dem direkten Vorgänger bekannt und ist wie immer eine willkommene Abwechslung nach harten Matches zum Runterkommen.
Love of Subhuman Self – Rollback als Heilsbringer
Hier das Highlight des Online Multiplayers vorneweg: Es gibt sog. Rollback Netcode. Das heißt im Endeeffekt bei guter Verbindung (Internet Routing muss mitspielen) kann man damit im besten Fall aus Europa mit der Ostküste Amerikas vernünftig spielen. Dies ist bei vielen Fighting Games undenkbar. Natürlich funktionieren kürzere Distanzen noch einmal deutlich besser, aber es sei nochmals gesagt, dass hier die Vorteile eines Rollback Netcodes deutlich sichtbar werden. Der Wunsch der Fighting Game Community diese Technologie zum quasi Standard zu machen, ist damit wieder einmal befeuert worden. Das Lobby System ist indes noch gewöhnungsbedürftig und bedient sich anstatt der aus dem Vorgänger bekannten 3D Chibi Figuren Lobby einer 2D Pixelart Lobby, die mir persönlich weniger gefällt, aber schlussendlich, wie so oft, Geschmackssache ist. Momentan hakt es auch manchmal noch beim Verbinden und man muss hoffen, dass es sich hier um Anfangskrankheiten handelt, die bald behoben werden. Nichtsdestotrotz muss man nochmals betonen, dass im Match die Mängel der Lobby schnell vergessen sind. Competitive Spieler werden somit in ganz Europa akzeptable Vebindungen bekommen, um auch ohne lokales Turnier sich mit der Elite zu messen. Gleichzeitig wirkt sich das positiv auf die Lebensdauer des Spiels und zukünftigen Support durch neue Charaktere und Balance Patches aus.
Requiem – Wo es noch hakt
Neben den auftretenden Verbindungsproblemen in der Lobby ist ein großer Kritikpunkt in unserem Test, die fast schon absurd anmutende Wartezeit beim Starten des Spiels. Hier kommt nach dem Titelbildschirm eine Sequenz, bei der „nach Hause telefoniert“ wird und es „Connecting to Network“ heißt. Dies dauert sowohl auf dere PS5, als auch am PC meherere Minuten. Hier muss unbedingt nachgebessert werden, weil für eine schnelle Runde zwischendurch ist das tödlich. Auch bei der Balance der Charaktere untereinander hat man den Eindruck, dass manche gottgegeben deutlich einfacherr und mit weniger Aufwand wesentlich mehr erreichen. Chipp, die „Glass Cannon“ des Spiels, kann von vielen, in zwei Combos, die nicht einmal sehr spezielle Situationen erfordern, getötet werden. Gleichzeitig sind Charaktere wie Sol Badguy oder Ramlethal, mit ebenfalls sehr guten Moves ausgestattet und vertragen wesentlich mehr Prügel. Das ist zwar in der Natur, der jeweiligen Charaktere wirkt aber momentan, insbesonfere für Einsteiger etwas zu extrem. Hier liegt es an Arc System Works nachzubessern und durch Balance Patches für ein ausgeglicheneres Erlebnis zu sorgen. Online findet man dadurch natürlich auch deutlich mehr Sols und Rams als Chipps. Das ist schade, da Guilty Gear auch von seinem abwechslungsreichen Cast lebt.
What do you fight for – Fazit
Auch wenn sich Veteranen noch hitzige Diskussionen über Balance, Gameplaymechaniken und das beste/schlechteste Lied des Soundtracks bieten, ist Guilty Gear -STRIVE- in jedem Fall ein empfehlenswertes Spiel. Es macht einfach Spaß sich zu Heavy Metal in wunderschönen Stages gegenseitig zu verprügeln. Die Designentscheidungen des Spiels greifen, exklusive der Lobby, gut ineinander und unterstützen das schnelle und intensive Gefühl des Gameplays. Und mit dem guten Netcode geht dies sogar über große Distanzen in einer mehr als akzeptablen Qualität. Mit dem Season Pass 1 sind auch schon fünf neue Charaktere auf dem Weg. Wenn die Community das Spiel aufgreift, steht für Guilty Gear ein Spot im Rampenlicht bevor. Veteranen, aber auch insbesondere Anfänger, sollten auf jeden Fall einen Blick in dieses großartige Spiel werfen.