Review: Ghostrunner – Cyberpunk-Action für frustresistente Ninjas

Der kommende potentielle Hit Cyberpunk 2077 wurde verschoben, doch ihr sehnt euch bereits seit Langem nach einem Auslug in eine zerrüttete Version der Zukunft? Dann könnte Ghostrunner von Entwickler One More Level vielleicht etwas für euch sein. Das Action-Parkour Game verlangt euch dabei einiges an Präzision und Nerven ab, wartet jedoch mit einem belohnenden Gefühl am Ende jedes Kampfes auf. Ob sich der Titel ungeachtet oder gerade deswegen lohnt, könnt ihr im nachfolgenden Testbericht herausfinden.

Die Zukunft ist rasant und blutig

Ghostrunners intensive Parkour-Action aus der Ego-Perspektive verlangt häufig nicht weniger als Perfektion. Ob ihr eine Neon-Stadtlandschaft von Cyberpunk-Gorillas säubert oder an Wänden entlang rasend und durch die Lüftungsschächte einer gigantischen Fabrik rutschend durch die Level flitzt, jeder noch so kleine Fehler bringt euch um. Denn Lebensbalken oder ähnliches gibt es nicht, jeder Treffer bedeutet Game Over. Eure Sprünge müssen daher präzise sein, jeder Schwung eures Schwertes tödlich und jede Konfrontation durch blitzschnelle Entscheidungen gelöst werden.

Nette Dreingabe: Per Knopfruck hat euer Runner kleine Animationen mit dem Schwert parat.

Ghostrunner bestraft schnell, aber er ist auch mehr als bereit, jene zu belohnen, die sich der Herausforderung stellen. Denn beim Spielen entsteht ein tolles Gefühl von Schnelligkeit und eine Art Flow, ein bisschen wie bei Hotline Miami, nur quasi auf Speed. Von Wand zu Wand zu hüpfen fühlt sich an wie fliegen und um Bewaffnete herumzulaufen, Kugeln auszuweichen und sie ohne einen Treffer zu zersäbeln, ist einfach berauschend. Aber Vorsicht, denn selbst einfache Aufgaben sind schon zu Beginn unglaublich frustrierend, da jeder noch so kleine Treffer eines Gegners direkt das Aus bedeutet. Wenn dies passiert, ist das Laden des letzten Kontrollpunktes dafür dann ohne Ladezeit wirklich keine große zeitliche Einbuße, die Checkpoints sind aber manchmal nicht gut gesetzt.

Der Cyberspace biete Abschnitte ohne Gegner,
dafür aber mit allerhand Sprungpassagen.

Ghostrunner spielt in einer post-apokalyptischen Welt im Cyberpunk-Stil und gibt euch die Kontrolle über einen Roboter-Ninja-Attentäter, der den autoritären Herrscher seiner Welt töten will. Das Spiel bietet eine durchaus interessante, aber verworrene Handlung, welche oft sehr losgelöst von dem, was tatsächlich gespielt wird, ist da sie fast ausschließlich durch Voiceover erzählt wird. Visuell hält sich Ghostrunner ziemlich genau an die typischen Grundsätze der Ästhetik des Cyberpunks. Man läuft durch schmutzige, heruntergekommene Städte mit dunklen Ecken, kontrastiert mit Neonschildern und hellen Bildschirmen, die die Nacht erhellen. Es hat eben bereits genug Cyberpunk-Stories in Spielen gegeben, dass dieser Look nicht besonders neu ist, aber das hält den Titel nicht davon ab, cool auszusehen. Die Umgebungen, die Feinde und euer Schwert, welches ihr immer vor euch im Blick habt, sind alle unglaublich detailliert. Es ist vielleicht nicht die kreativste Welt, die hier geschaffen wurde, aber ansprechend ist sie allemal. Besonders hervorzuheben ist noch der Soundtrack, der euch mit Synthwave-Bässen nur so durch die Level treibt und super zum Geschehen passt.

Präzises Töten will gelernt sein

Hier müssen erst die Schilddrohnen zerstört werden, bevor ihr euer Schwert mit Blut beschmieren dürft.

Trotz der Tatsache, dass ihr einen namenlosen Roboter-Ninja steuert und sich ein Großteil des Spiels um das Töten dreht, ist Ghostrunner in erster Linie eigentlich ein Jump’n’Run. Jede Sequenz, ob mit oder ohne Gegner, verfügt über Wände, an denen entlang ihr rennen könnt, Schrägen, an denen ihr herunterrutschen könnt und genau richtig platzierte Punkte für euren Enterhaken, damit ihr noch schneller durch die Level kommt. Denn der Kampf in Ghostrunner ist eigentlich eine Erweiterung des Platformings. Wenn man nahe genug an den Feind herankommt, um ihn aufzuschlitzen, ist er tot. Also liegt die Herausforderung mehr in der Annäherung, nicht im Kampf selbst. Daneben gibt es aber auch Abschnitte ohne Feinde, in denen ihr wie in einem Jump’n’Run durch präzise Sprünge zum Ziel kommen müsst. Diese Abschnitte sind eine willkommene Ruhepause zwischen all den hitzigen Gefechten, sind aber meist recht simpel gehalten und reißen einen nicht vom Hocker.

Mit dem Enterhaken geht es noch schneller durch die Level.

Natürlich habt ihr nicht nur das Schwert und schnelle Beine zur Verfügung, sondern schaltet im Verlauf des Spiels immer mehr Fähigkeiten frei. Eine Art Dash habt ihr von Anfang an und solltet diese auch so oft es geht nutzen. Daneben kann dieser aber auch bei gedrückt halten eingesetzt werden, um die Zeit kurz zu verlangsamen und einer feindlichen Kugel in letzter Sekunde auszuweichen. Später erhaltet ihr noch eine Reihe von Spezialangriffen, darunter einen „Blink“, mit dem ihr mehrere Gegner und Geschosse in einer geraden Linie durchschneiden könnt, sowie eine projektilreflektierende Schockwelle. Zu jeder dieser Fähigkeiten gibt es dann noch passende Upgrades, die ihr in einer Art Fähigkeitenbaum mit einem Gitter und Formen im Tetris-Stil einsetzen könnt, um euch das Vorankommen zumindest etwas zu erleichtern. Jede der Fähigkeiten bietet somit eine interessante Möglichkeit, sich neue Gelegenheiten zu schaffen, sei es, Feinde in einer Reihe aufzustellen, um sie mit einem Schlag zu erledigen, oder Feuer zu lenken, nur um es zu reflektieren.

Die Fähigkeiten werden im Tetris-Stil ausgerüstet.

Es ist nicht alles Cyberpunk, was glänzt

Man kann viel an Ghostrunner lieben, aber es mangelt auch nicht an Kleinigkeiten, über die man sich beschweren kann. Das größte Problem ist sein inkonsequentes Wandlaufen. Manchmal blieb meine Figur direkt an einer Wand hängen und sprang anmutig zur nächsten. Ein anderes Mal fiel ich ins Game Over, weil mein Charakter nicht richtig an der Wand entlang gelaufen ist, obwohl die Eingabe da war. Das Pacing ist ein weiteres großes Problem. Der größte Teil des Spiels findet in halsbrecherischer Geschwindigkeit statt, aber die Abschnitte, in denen ihr zusätzliche Fähigkeiten und Upgrades erhalten (die bereits genannten Jump’n’Run Passagen ohne Feinde), verlangsamen alles sehr stark und nehmen euch dabei die meisten der Bewegungsfähigkeiten. Plötzlich befand ich mich über einem Abgrund im Cyberspace und wartete darauf, dass sich eine Plattform endlich zu mir dreht, damit ich zur nächsten Sektion durfte.

An Blut und Gewalt mangelt es Ghostrunner auf jeden Fall nicht.

Die Geschichte ist auch nicht wirklich hervorzuheben, muss vielleicht aber auch nicht. Ghostrunner ist im schlimmsten Fall vorhersehbar, wobei jede Narrative nur als Rahmen existiert, um den nächsten Kampf- und Durchquerungsbereich zu erreichen. Die Schurken sind Cyberpunk-Standard und die Gründe des Helden für das, was er tut, sind nichts, worüber man ein Buch schreiben könnte.

Fazit

Ghostrunner bietet Kämpfe in einer gut konstruierten, schönen Cyberpunk-Welt. Ihr werdet euch immer mächtiger fühlen, je weiter das Spiel voranschreitet. Der Flow in Kombination mit dem Soundtrack lässt euch geradezu in eine kampfgetriebene Trance verfallen, die wirklich befriedigend ist. Es gibt ein paar Löcher in der Story und der Mechanik, an denen man noch etwas hätte feilen können, der Frustlevel ist von Anfang an extrem hoch und das Pacing lässt zu wünschen übrig. Aber wenn ihr auf der Suche nach einem temporeichen Action-Parkour Spiel in einer düsteren Zukunft seid, dann solltet ihr mit Ghostrunner auf jeden Fall euren Spaß haben.

Positiv:

+ Toller Soundtrack und Ästhetik

+ befriedigende Kämpfe

+ läuft flüssig mit sehr kurzen Ladezeiten

+ motivierende Spezialfähigkeiten

Negativ:

– sehr hoher Frustfaktor

– Story nur Beiwerk

– schlechtes Pacing reißt einen gelegentlich raus

Getestet wurde die PS4-Version, welche bereits den neuesten Patch installiert hatte und daher ohne jegliches Screen-Tearing oder ähnlichen Grafikfehlern gespielt werden konnte.

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre