Das erste Frostpunk war bereits ein unbarmherziges Spiel voller fieser Entscheidungen und der Aufgabe eine Stadt und damit eine ganze Zivilisation am Laufen zu halten. Der Nachfolger setzt da nun an, verändert aber tatsächlich einiges, ohne jedoch die Härte einzubüßen. Mehr dazu natürlich in unserem Test.
Ein super Weiterentwicklung zum Vorgänger
Es begann, als die Erde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von einer Eiszeit heimgesucht wurde und die Menschheit verschiedene Wege suchte, um diese Katastrophe zu überleben. Dank großer kohleschluckender Kraftwerke konntet ihr noch eine letzte Stadt errichten und den Untergang eurer Spezies hinauszögern. Jetzt, 30 Jahre nachdem die Erde eingefroren ist, liegt das Schicksal der Menschheit als neue Bürgermeister in euren Händen. Es hat mich ein wenig überrascht, als mir klar wurde, dass die große Stadt, die ihr jetzt führt, die Stadt ist, die wir im ersten Spiel aufgebaut haben. Als Bürgermeister ist es eure Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie überlebt und weiterhin gedeiht. Es ist schwer, nicht zu schätzen, wie nahtlos die Geschichte des ersten Frostpunk mit der Fortsetzung verwoben wurde. Fast jedes Gameplay-Element in Frostpunk 2 ist auf eine große Stadt ausgerichtet. Ein Beispiel dafür sind die Distrikte. Ihr baut jetzt selten einzelne Gebäude, sondern schafft stattdessen ganze Bereiche. Das erinnert ein bisschen an Cities: Skylines oder SimCity 4. Nichts ist jedoch umsonst, alles hat seinen Preis. Es wird eure Aufgabe als Bürgermeister sein, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Einwohner und den euch zur Verfügung stehenden Ressourcen zu finden. Die Menschen brauchen Brennstoff, um sich warmzuhalten, sie brauchen Häuser zum Wohnen und Essen zum Überleben. Euer Arbeitskräfteangebot ist jedoch nicht unendlich. Deshalb müsst ihr priorisieren, welche Arbeiten wann erledigt werden. Schon früh habe ich festgestellt, dass ich ständig vorausplanen muss.
Auch wenn der Bau von Gebäuden weniger Raum einnimmt als im Vorgänger, ist er in dieser Fortsetzung mindestens genauso wichtig. Ihr müsst immer sicherstellen, dass die Menschen es warm haben, genug zu essen und einen Platz zum Leben haben. Wenn ihr versagt, werden euch die verschiedenen Fraktionen der Stadt an eure Fehler erinnern. Um diese Gruppen zufrieden zu stellen, müsst ihr Gesetze erlassen, verhandeln und sicherstellen, dass sie eure Führung akzeptieren. Wenn ihr das politische Machtspiel nicht mitspielt, können sie die Stadt leicht in Stücke reißen. Die Fraktionen sind sehr unterschiedlich und verlangen meist etwas im Gegenzug für ihre Unterstützung. Das Durchsetzen eines neuen Gesetzes kann bedeuten, dass ihr Prioritäten setzen müsst, um eine technische Lösung für eine bestimmte Gruppe zu erforschen, was möglicherweise euren Plänen im Weg steht, da die Forschungskosten für etwas anderes benötigt wurden. Fast jede Technologie im großen Technik-Boom bietet Variationen derselben Erfindung. Die Fraktionen haben normalerweise ihre eigene Version der Technologie, die ihr erforscht. Deshalb müsst ihr auch darüber nachdenken, welche Variante am besten zu den Bedürfnissen und dem politischen Rückhalt passt. Es ist leicht zu erkennen, welche Gruppe welche Vorschläge mag, sodass ihr eure Wahl sorgfältig treffen müsst. Die Idee, für die ihr euch entscheidet, kann später in der Kampagne Konsequenzen haben. Es fällt auf, dass die Menschen jede eurer Entscheidungen beobachten, ob gut oder schlecht. Die Stadt, die ihr aufbauen müsst, ist nicht nur ein seelenloser Ort, an dem ihr wie Götter agiert; eure Entscheidungen haben greifbare Auswirkungen auf die Zukunft der Bewohner. Das ist etwas, was mir sehr gut gefällt.
Die Menschheit ist das wahre Übel
Eure Entscheidungen beeinflussen nicht nur, welche Gruppen und politischen Parteien entstehen, sondern auch, wer leben oder sterben wird. Entscheidungen über Gesetze, Erkundungen auf der Kampagnenkarte und Ereignisse in der Stadt können darüber entscheiden, wie viele Menschen überleben. An diesem Punkt in der Kampagne zeigt sich Frostpunk 2 von seiner besten Seite. Denn wenn die Stadt durch innere Konflikte auseinandergerissen wird, habt ihr mehr Aufgaben, als ihr bewältigen könnt, und die Ressourcen werden knapp. Dann seid ihr auch am meisten in das Erlebnis involviert. Je nach Schwierigkeitsgrad passiert das in unterschiedlichem Tempo. Ich fand, dass die ersten drei Schwierigkeitsgrade eine gute Balance boten, ohne die Kampagne zu einfach zu machen. Die beiden schwierigsten Einstellungen sind für diejenigen von euch, die viel Erfahrung mit dem zweiten und dem ersten Teil haben. In diesen Modi dürft ihr euch fast keine Fehler erlauben, bevor die Stadt zusammenbricht. Von allen Funktionen, die das Spiel bietet, hat mir der Städtebau am besten gefallen. Ich habe mich schnell in eine neue Funktion verliebt, die Kolonien genannt wird. Sie ähneln der Stadt, die ihr im Vorgänger gebaut habt. Diese kleineren Gemeinschaften dienen dazu, Handelsrouten zwischen verschiedenen Ressourcen und eurer Hauptstadt zu schaffen. Sie helfen euch, sicherzustellen, dass die Menschheit noch einen weiteren Tag in der Kälte überlebt. Meiner Meinung nach ist das eine natürliche Weiterentwicklung des Konzepts. Auch wenn ihr eure große Stadt ausbaut, braucht ihr mehr Ressourcen, als ihr in der direkten Umgebung finden könnt. Dann müsst ihr auf Expeditionen gehen und Kolonien gründen. All das passiert, ohne dass ihr mit zu vielen Aufgaben überfordert werdet. Es ist reibungslos und ohne Verzögerungen möglich, zwischen den Kolonien, der Kampagnenkarte und eurer Hauptstadt hin- und herzuzoomen.
Technisch gesehen ist das Spiel sehr gut gelungen. Texturen und Effekte sehen großartig aus. Ich mag es auch, wie realistisch der Schnee gestaltet ist und wie die Kamera an den Rändern einfriert. Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass das Interface manchmal ein wenig überladen wirkt. Wenn ihr viele Dinge gleichzeitig tun müsst, können zu viele Symbole auf einmal auf dem Bildschirm erscheinen. Ich habe auch festgestellt, dass die Kamera bei höheren Grafikeinstellungen etwas langsam reagiert. Was den Sound angeht, klingt alles spektakulär: Das Knirschen des Eises, die beeindruckende Sprachausgabe und die gelungene Musik. Kleine Details wie das Läuten von Glocken oder eine Stimme, die neue Gesetze verkündet, tragen dazu bei, die Welt zum Leben zu erwecken. Meine einzige Kritik am Audio ist, dass viele Charaktere in der Welt keine Sprachausgabe haben. Das ist schade, wenn man bedenkt, wie gut sie in den Zwischensequenzen ist. Wenn euch Frostpunk gefallen hat, denke ich, dass ihr auch Frostpunk 2 mögen werdet. Es ist eine größere und gewaltigere Fortsetzung. Besonders gefällt mir, dass die Menschen eine stärkere Präsenz in der Geschichte haben, was dazu beiträgt, dass die Stadt organischer und lebendiger wirkt. Es gibt nur wenige Indie-Projekte, die eine Geschichte über Menschlichkeit und Überleben so gut vermitteln wie dieses. Es ist auch eine Geschichte darüber, Mensch zu sein und sich nicht immer zu verstehen. Als mein erster Durchlauf in einer Katastrophe endete, musste ich an den Turm zu Babel denken. In ihrem Bestreben, die Erde zu beherrschen, begannen die Menschen, sich gegenseitig zu hassen. Der Traum wurde von innen heraus zerrissen und das ganze Experiment endete mit dem Zusammenbruch der Stadt. Ich habe daraus gelernt und versucht, die Menschheit erneut zu retten. Und ich denke, ihr solltet das auch tun, denn dieses Spiel ist es wert.
Fazit
Frostpunk 2 ist erneut brutal und baut klasse auf den Grundlagen des ersten Teils auf. Die City-Builder-Aspekte müssen sich zwar etwas hinten anstellen, dafür glänzt es mit einer tollen Atomsphäre und vielen schwerwiegenden Entscheidungen, um eure Gesellschaft am Leben zu halten.
Positiv:
+ sinnvolle Weiterentwicklung zum Vorgänger
+ viele aufeinander aufbauende Systeme sorgen für Motivation
+ neue politische Simulationsaspekte
+ eiskalte und knallharte Atmosphäre
Negativ:
– Menünavigation teils sehr nervig
– Kamera sorgt bei größeren Gebieten für Probleme