Review: Frameland – A Binary Tale – Der Rollenspiel-Geheimtipp eines heimischen Indie-Studios

Vor über acht Jahren saß ich erstmals mit einem guten Freund zusammen und wir fachsimpelten darüber, wie ein gutes, klassisches RPG auszusehen hätte – natürlich von unserer Vorliebe für Final Fantasy inspiriert, aber auch weniger bekannten Titeln wie Grandia oder Legaia 2 faszinierten uns. Inzwischen haben wir 2024, und obwohl ich anfangs noch eine Story-Grundlage für das Projekt entworfen habe, musste ich aufgrund von Zeitmangel aus den weiteren Entwicklungsphasen ausscheiden (die Handlung wurde in der Zwischenzeit aber in beste Hände gelegt). Umso mehr freut es mich, Frameland – A Binary Tale als quasi unbeteiligter Dritter ohne Vorwissen anspielen zu dürfen! Lest nachstehend meine Eindrücke zu dem Spiel, das sich auf die Fahnen schreibt, „kurz, aber mit einem großen Herzen“ ausgestattet zu sein.

Ein junger Held in einem kleinen Dorf – oder trügt der Schein etwa?

Zu Beginn wirkt die Handlung einem Rollenspiel der damaligen Ära entsprechend klassisch

Die Geschichte beginnt mit einem für RPG-Fans geläufigem Setting; ein junger Held erprobt sich mit seiner Gefolgschaft. Ohne viel Vorwarnung findet man in sich in einem Bosskampf wieder, bei dem Ryiu und die Talons, seine Bande, einem großen, finster dreinblickenden Mann im Spiel gegenübersteht. Glücklicherweise handelt es sich dabei bloß um ein gespieltes Szenario und der Schurke ist Ryius eigener Vater, der gewissermaßen als Tutorial-Gegner für den Spieler dient. Was an diesem Punkt allerdings noch niemand vorhersehen kann, ist, dass sich innerhalb von wenig Minuten der Schauplatz aus kleiner, verschlafener Nachbarschaft komplett dreht, und nach einem weißen Rauschen findet sich Ryiu in einer Welt wieder, die so gar nicht seinem Heimatdorf Hammertal entspricht: Die neue Umgebung ist kalt, einsam und bedrohlich – und umherfliegende Schwärme zwingen ihn zum Kampf ums nackte Überleben.

Wir stehen direkt vor einem Feindkontakt mit einem Schwarm – im Kampfgeschehen selbst werden die Gegner dann ein anderes Aussehen annehmen.

Auch die erste Menschen-Siedlung namens Jasper ist ganz anders als alles, was Ryiu bisher gekannt hat: Sie wirkt wie ein Slum aus Zelten, und das einzige intakte, befestigte Gebäude bildet eine Art religiöse Gebetsstätte, in der Leute ein wenig Hoffnung suchen… ein persönlicher Lichtblick für den Spieler ist wiederum der neunmalkluge Roboterhund Proto, der sich nach ein wenig Überzeugungsarbeit als Begleiter anschließt. Dieser möchte durch die nahegelegenen, von Schwärmen durchsetzte Mine in die Hafenstadt Trovo gelangen, um dort den scheinbar wahnsinnig gewordene König Malion, der die Stadt mit seiner Regentschaft ins Mittelalter zurückgeworfen hat, zu konfrontieren.

Mit dem Mann ist sprichwörtlich nicht gut Kirschen essen und auch der riesige Kamin im Hintergrund lodert schon bedrohlich.

Doch der Weg dorthin läuft leider nicht ganz wie geplant und man landet schließlich im Schlosskerker und trifft dort prompt auf die junge Robin: sie agiert aus dem Untergrund heraus für ihre Sache und vervollständigt die Party, die nun deutlich mehr an Schlagkraft gewinnt. Mit ihr im Team ist es nach einer Flucht durch die Kanalisation und einem Vorbeischleichen an den Wachen wirklich möglich, in den Thronsaal zu gelangen – wo bereits die nächste Gefahr lauert! Nach Trovo gewinnt die Thematik aus Fantasy und Hochtechnologie, aus Schein und Sein, mehr und mehr an Bedeutung; weiter zuspitzen wird sich die Handlung beim selbsternannten Heilsbringer Zook in der kargen Stadt Mosthar. Dieser bietet mittels schwebenden Sphären Schutz vor den Schwärmen und versammelt auf diese Weise eine kultartige Anhängerschaft um sich – mit schwer bewaffneten Leibwachen und Harem inklusive!

Eine Party aus lebhaften Charakteren und dazu eine Prise Sozialkritik

Auf der Überfahrt zur Insel auf der südlichen Hemisphäre von Condorra haben Robin und Ryiu eine Verschnaufpause für ein vertrauliches Gespräch.

Nach einer gewissen Anfangsphase, die sich thematisch eher an klassischen Rollenspiel-Settings orientiert (wie die eingangs erwähnten Dungeons aus Minen und Kanalisation) gewinnt die Story im weiteren Verlauf zunehmend an Spannung, präsentiert kreative Umgebungen und scheut auch nicht davor zurück, über die Grenzen des Genres hinauszugehen. Frameland spart gegen Ende hin nicht mit einer gehörigen Portion Sozialkritik und birgt in dem Zusammenhang eine regelrecht bizarre Zwischenwelt, in der kontemporäre Themen überspitzt präsentiert werden.

Proto kann es auch in diesem unwirklichen Szenerio nicht lassen, den Schlaumeier zu geben.

Hält man sich strikt an die Story, kann Frameland in circa acht bis zehn Stunden durchgespielt werden und der Titel braucht auch keine aufgeblähte Spielzeit, um zu zeigen, dass er das Herz am rechten Fleck hat. Vor allem durch die naiven Feststellungen von Ryiu, die besserwisserischen Antworten von Proto und die zynischen Kommentare von Robin erhält das Spiel durch die schillernden Dialoge Witz und Persönlichkeit. Und gerade deshalb wünscht man sich nach den Credits einfach noch mehr Story – also noch mehr Rollenspiel – um weiter Zeit mit ihnen in der Welt von Frameland verbringen zu können. Es existiert aber ein Post Game, welches zum weiteren Erkunden einlädt.

Eine gute Mischung aus rundenbasiertem und Action-Gameplay

Jeder gegnerische Angriff, hier exemplarisch dargestellt durch den Flammenwerfer, macht weniger Schaden, wenn man zum richtigen Zeitpunkt blockt.

Das Salz in der Suppe der Kämpfe ist in Frameland das Timing: durch gut abgepassten Tastendruck – man fühlt sich hier an Paper Mario oder Undertale erinnert -, verrichtet man einen Bonus an Schaden oder muss selbst weniger einstecken. Abseits davon weisen viele Gegner auch Schwächen auf, die – sobald identifiziert – auch ausgenutzt werden können: „Schock“, „Hitze“, „Plasma“ und „Strahlung“ korrespondieren mit den eigenen Attacken im Repertoire, welche wiederum großteils durch angelegte Relikte erlernt werden. Es besteht natürlich die Option, diese in der Welt verstreuten Relikte jederzeit auf einen jeweils anderen Charakter umzurüsten.

Die Funktion des Reliktes „Quarz“ ist es generell Element-Schaden zu reduzieren – mit jeder Stufe wird eine neue Kampfaktion freigeschalten, die passiv schützt.

Aufgewertet werden sie an Speicherpunkte, die die Party übrigens bei Interaktion komplett heilen, mittels Partikel. Sie bringen unterschiedliche Boni, von Kampfaktionen bis zu Status-Aufwertungen. „Variscit“ erhöht beispielsweise auf der ersten Stufe den Reliktwert, auf der zweiten wird ein „Plasma“-Angriff erlernt und auf Stufe Drei erhält man mit der Fähigkeit „Glückspilz“ bessere Chancen auf Items nach dem Kampf.

Wo sich Fans des Genres wie zu Hause fühlen werden

Robin ist erblindet, deshalb kurieren wir ihren Zustand mit Augentropfen. Item-Aktionen werden, wie rechts am Bildschirm zu erkennen, vor die anderen der Party-Aktionen gereiht.

Ansonsten hält sich Frameland an etablierte RPG-Konventionen: Erfahrungspunkte und damit einhergehender Levelaufstieg durch besiegte Gegner, Spezialangriffe durch angesparter Aktionspunkte, bei denen Timing wichtig ist, und Standard-Items, wie zum Beispiel „Infusion“, die einen Mitstreiter wiederbelebt. Status-Effekte wie „Vergiftet“ oder „Brennend“ sind allseits bekannt, doch „Glitch“ und „Gelähmt“ bilden Alleinstellungsmerkmale – von letzterem kann man sich manchmal sogar durch wiederholten Tastendruck befreien.

Der Golem hält sich in der Nähe von Ailròs auf – wer seine Schwächen ausnutzt, bringt ihn zum Überhitzen und daraufhin ordentlich Schaden austeilen.

Ebenfalls einigermaßen vertraut wird manchem die Mechanik „Überhitzen“ sein, die ganz nach dem „Stagger“-System aus Final Fantasy XIII funktioniert: greift die Party nur oft genug mit Attacken an, die den gegnerischen Schwachpunkten entsprechen, füllt sich schnell eine dünne Leiste unterhalb deren HP. Ausgefüllt erleiden die Kontrahenten mehr Schaden und können für ein bis zwei Runden selbst keine Aktionen ausführen. Oftmals ist dies der beste und schnellste Weg zum Sieg, vor allem bei Boss-Gegnern! Allerdings existieren auch solche Feinde, die gar keine Schwächen besitzen; diese müssen daher auf „übliche“ Weise besiegt werden.

Was der Kontinent Condorra darüber hinaus noch zu bieten hat

Yuri muss mittels eines Minispiels Bugs in seinem Code beheben, die Auswirkungen auf die umherirrenden Schwärme hat.

Erwähnt werden sollten darüber hinaus noch die Nebenaufgaben, die sich im Laufe des Hauptquests anbieten: so lässt sich ein im Stich gelassenes Wüstendorf vor einem Golem retten oder auch Tickets für eine erforderliche Bootsüberfahrt wesentlich günstiger als zum Standard-Einkaufspreis ergattern. Damit die eingestreuten, knappen Story-Passagen mit dem Programmierer Yuri, der unabhängig von der Heldenparty agiert und dessen Rolle im Spiel erst spät immer klarer wird, zudem etwas actionreicher verlaufen, erhalten auch diese Gameplay: um Fehler in seinem Code zu beheben, muss er – gemäß dem restlichen Spiel – gutes Timing am PC abliefern. Ohne viel vorzugreifen, können wir euch versichern, dass seine Handlungen aber von größter Bedeutung sind!

Das Gesichtsfeld wird in den Stealth-Passagen rot eingefärbt; erwischen einen die Wachen, muss man von vorne beginnen…

Für schnelle Abwechslung zwischen Story und Kampf sorgen andere Gameplay-Elemente wie Stealth-Passagen, in denen man möglichst unerkannt bleiben sollte (und auch eine entsprechende Belohnung dafür winkt), und auch kleine Minispiele, bei der man einen Münzwurf korrekt voraussagen kann. Es werden auch andere Arten von Rätseln eingestreut, bei welchen der Spieler sich Zahlenkombinationen merken muss oder nach bestem, „menschlichen“ Gewissen agiert.

Mit Zugriff auf das Flugschiff lässt sich die gesamte Spielewelt bereisen, die sich zu Spielende öffnet.

Relativ kurz vor dem Schluss erhält man auch Zugriff auf ein Luftschiff, mit dem man bereits erkundete Orte ein weiteres Mal ansteuern kann; sowie eine weitere, geheime Location nach Abschluss der Haupthandlung. Hilfreich ist diese Funktion, um vergessene oder zuvor nicht erreichbare Gegenstände nachzuholen – und niemand erweist sich hier als nützlicher als der beste „Robo“-Freund des Menschen! So kann Proto nicht nur bröckelnde Wände kaputtschießen, Löcher graben und ein Nachtsichtgerät an stockfinsteren Orten aktiveren, er erhält bald auch einen langen Greifarm, mit dem die Möglichkeit besteht, abgelegene Schatztruhen zu erreichen.

Hier spült uns Proto mit dem Greifarm 200 Sol in den Gelbeutel, die ansonsten nicht zu erreichen gewesen wären.

Die wenigen Nebenquests sind in der Gesamtbetrachtung eher vernachlässigbar, insgesamt bieten sie aber doch einen wichtigen Teil zum Worldbuilding, denn der Spieler merkt die Auswirkungen zum Beispiel anhand der Reaktionen durch NPCs und ihren Aussagen. Besiegt man z.B. den vorhin erwähnten Golem-Schwarm, ist einem die Dankbarkeit aus der von ihm terrorisierten Siedlung Ailròs sicher sein; seine Vernichtung wird aber auch von Zooks Propaganda-Maschinerie aufgegriffen, mit völlig verdrehten Tatsachen, die den religiösen Leiter zum Helden machen.

Fazit

Wer sich auf Frameland – A Binary Tale einlässt, wird mit dem Erlebnis eines tolles Rollenspiels belohnt: neben dem knackigen und durchdachten Gameplay, welches einen guten Mittelgrad aus rundenbasiert und actionorientiert bietet, sowie der stimmungsvollen Musik und der wunderschön gestalteten 16-Bit-Grafik hat der Titel einen Plot zu bieten, dessen Handlungsstränge sich nach einem kleinem Vorlauf mehr und mehr verdichten. Highlights sind auf jeden Fall die Partymitglieder aus Ryiu, Proto und Robin, die glaubhafte Figuren mit eigenen Zielen darstellen, bei denen man aufgrund ihrer Persönlichkeit gar nicht anders kann, als bei ihren Herausforderungen mitzufiebern!

Teilt uns eure Meinung mit

Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

No comments yet.

Leave Your Reply