Review: Famicom Detective Club: The Missing Heir & The Girl Who Stands Behind – Kriminalfälle aus der Ursprungsgeschichte von Nintendo neu aufgelegt

So mancher Spieleentwickler vergisst im Laufe der Jahre seine Wurzeln, doch sicherlich nicht Nintendo: Nach drei Jahrzehnten bringt Big N zwei Titel vom Famicom (dem japanischen NES) in die Jetztzeit und erstmals auch außerhalb Japans. Obendrein handelt es sich nicht um einen Super-Mario-Ableger oder ähnliche Zugpferde, sondern um Adventure-Spiele, in denen es darum geht, Morde und Mysterien aufzuklären. 1988 erschien Famicom Detective Club: The Missing Heir und ein Jahr später Famicom Detective Club: The Girl Who Stands Behind, welches als Prequel für den ersten Teil dient. Somit ist es dem Spieler heute ziemlich freigestellt, ob er die Titel nach Erscheinungsdatum oder nach chronologischer Reihenfolge angehen möchte. Nintendo scheint dabei eher letzteren Weg nahezulegen, da sich der gewählte Name des Protagonisten von The Girl Who Stands Behind auf The Missing Heir übertragen lässt. Doch genug der Vorrede, Zeit die Dilogie in ihrer neu aufgelegten Fassung zu testen.

Serienmörder, Übernatürliches und eine gute Portion Plot Twists

In The Girl Who Stands Behind trifft der Avatar erstmals in einer kurzen Sequenz auf Shunsuke Utsugi, der sich durch ihn an sich selbst in jungen Jahren erinnert fühlt und ihn prompt in seiner Detektei einstellt. Auch der erste Fall lässt nicht lange auf sich warten, und so findet man sich kurz darauf am Tatort mit einer jungen Schülerin namens Yoko Kojima als Leiche wieder. Der Protagonist macht sich dann gemäß daran, verschiedenen Spuren zu folgen und Zeugen zu befragen.

So führt einer der ersten Spur in eben die Schule des ermordeten Mädchens, wo sich herausstellt, dass sie Teil eines Detektivclubs war und in dessen Rahmen an einem Mordfall vor 15 Jahren ermittelt hatte. Zu allem Überfluss steht genau dieser Fall von damals auch mit einem verschwundenen Mädchen namens Shinobu in Verbindung, von der behauptet wird, ihr Geist spuke in dem Schulgebäude. Sie ist das titelgebende „Mädchen, dass hinter einem steht“. Während man in der Schule auf einige schräge Gestalten trifft, macht man allerdings auch eine angenehme Bekanntschaft: Ayumi Tachibana ist ebenfalls Mitglied des Detektivclubs und möchte unbedingt mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Ayumi ist auch in The Missing Heir mit von der Partie und arbeitet nach den Geschehnissen des ersten Falls ebenfalls als Assistentin in der Detektei. Unser Protagonist beginnt das Sequel mit schwerem Gedächtnisverlust, wodurch er sich mit den Details des Falls erst wieder vertraut machen muss. Kiku Ayashiro, Vorsitzende der Ayashiro Coporation, verstarb genau zu dem Zeitpunkt, als ihr Testament verlesen wurde. Der Butler des Familienanwesen hält das für alles andere als ein bloßes Herzversagen und beauftragt den Spieler damit, das Rätsel zu lösen. Auch hier spielt das vermeintlich Übernatürliche eine Rolle: Die Dorfeinwohner meinen, dass die Leiche von Kiku Ayashiro nachts aus dem Grab entsteigt. Und es wird nicht lange dauern, bis weitere Leichen auftauchen….

Unterm Strich kann man sich nach ein wenig Einspielzeit in beide Fälle gut hineinversetzen und fiebert der eigentlichen Auflösung Stück um Stück entgegen. Dass bezeichnet das A und O eines guten Krimis und der Famicom Detective Club weiß hier in seinen ca. 14 Stunden Spielzeit zu überzeugen.

Gameplay, dem man das Alter leider stark anmerkt

Wer einen Blick auf das Gameplay wirft, erkennt schnell die limitierten Optionen eines Genres, das heute als Visual Novel bekannt sind: Die Aktionen beschränken sich auf „Fortbewegen“, „Ansprechen“, „Reden“, „Nehmen“ „Schauen/Untersuchen“ und Überlegen (in The Girl Who Stands Behind) bzw. Erinnern (in The Missing Heir). Der unterste Menüpunkt „Untersuchung beenden“ ist lediglich eine manuelle Speicherfunktion.

Eine typisches Verhör sieht ungefähr so aus: Man befragt eine Person, indem man unter „Reden“ alle Themenpunkte durchklickt, um an Infos zu kommen. Dabei kommt es oft vor, dass man zwischenzeitlich mit einer anderen im Raum befindlichen Person reden muss, um weitere Antworten von dem ursprünglichen Gesprächspartner zu erhalten. Oder wiederum eine komplett andere Aktion muss durchgeführt werden, bis sich die Gesprächsblockade des Gegenübers löst. Hilfestellung zum richtigen Lösungsweg gibt es dabei leider kaum, was das Vorankommen schwierig gestalten kann.

Aufgebrochen werden die Frage- und Antwort-Sequenzen nur manchmal durch andere Gameplay-Elemente, wie das Untersuchen des Tatorts sowie der Leiche oder durch Befragungen durch dritte – dort muss man dann zur Tatsachenrekonstruktion die richtige Person in das Lückenfeld einsetzen. Wer mal den Überblick verlieren sollte, der kann im Menü in einer Datenbank die Gesichter und Infos aller in dem Fall involvierter Personen abrufen oder aber auch bereits abgewickelte Dialoge nochmals einsehen.

Alsbald dann genügend Hinweise für eine Kapitel zusammengetragen sind, kehrt der Protagonist in die Detektei zurück und mit dem Unterpunkt „Spekulieren“ werden Zeugenaussagen kombiniert und auf einen möglichen Tathergang getippt. Dies erfolgt allerdings völlig automatisch und erfordert keine Eingabe von dem Spieler.

Abschließend ist in Bezug auf Gameplay zu sagen, dass dieses Prinzip einer Ermittlung in den späten 80ern auf dem Famicom noch sehr gut angekommen sein kann, leider ist da aber nach all den Jahren ein wenig die Luft raus. Die Fälle des Famicom Detective Club bieten für heutige Standards leider zu wenig Abwechslung, man hätte sich für das vorliegende Remaster am besten noch etwas von Genre-Lieblingen wie Ace Attorney oder Professor Layton abschauen können.

Fazit

Nicht jedes Spiel altert gut, doch manchmal reicht eine brandneue Aufmachung, um dem Titel in die Neuzeit zu befördern. Bei Famicom Detective Club funktioniert das leider nur teilweise: Einerseits hat man sich bei den Grafiken echt Mühe gegeben, um den Titeln einen neuen, modernen Anstrich zu verpassen – und das Ergebnis lässt sich durchaus sehen -, andererseits wollte Nintendo dem Gameplay der Originale so nahe wie möglich bleiben. Doch leider ist genau dieses Spieleprinzip aus der Frühzeit Nintendos von anderen Genre-Vertretern inzwischen mehrmals überholt worden, heute wirkt es sperrig und unintuitiv. Wer dennoch ein Stück Nintendo-Historie oder einfach nur eine gut geschriebene Detektiv-Geschichte erleben möchte, kann gerne zugreifen.

Positiv

+ Überzeugend detaillierte und bewegte Animationen lassen den Titel neuwertig wirken

+ Authentische Charaktere und spannende Handlung

Negativ

– Gameplay bietet keine Abwechslung und ist über die Jahre schwer angestaubt

– Einige Puzzle-Elemente sind nicht intuitiv genug

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Written by: Julian Bieder

Retro-Zocker, RPG-Allrounder und eifriger Trophäenjäger

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