Ein bisschen trashig darf es ja schließlich immer sein. Doch neben einem morgen erscheinenden Spiel und unserem Review dazu, kann dies auch spaßig und abwechslungsreich sein. Bei Evil West ist die verblüffende Ähnlichkeit mit dem beliebten Darkwatch nicht von der Hand zu weisen und das Studio Flying Wild Hog hat sowohl mit der Shadow Warrior-Trilogie als auch mit dem diesjährigen Trek to Yomi eine anständige Erfolgsbilanz vorzuweisen. Somit schauen wir uns im nachfolgenden Test einmal an, was das Spiel so zu bieten hat.
Oldschool-Story mit Charme
Im 18. Jahrhundert, in dem der Westen immer noch wild, aber auch voller Vampire ist, spielt man die Rolle von Jesse Rentier, dem Star-Agenten und offensichtlichen Erben des Rentier-Instituts, einer Organisation von Vampirjägern, die mit Hilfe von Science-Fiction-Technologien und Regierungsgeldern arbeitet. Als knallharter Mann vor Ort ist man der Ansprechpartner, wenn es darum geht, einen schmutzigen Job zu erledigen. Und zu tun gibt es genügend, denn eine neue vampirische Macht droht immer stärker zu werden und so liegt es an uns als Jesse da mit elektrisch geladener Faust und genügend Feuerkraft dagegen vorzugehen. Die von Nikola Tesla inspirierte Elektropunk-Technik ist dabei knallig und auf eine Weise überdesignt, die uns tatsächlich vielmehr anzieht als abstößt. Die ungewöhnliche Technik steht dabei im krassem Gegensatz zu der übernatürlichen Brutalität vieler Vampirdesigns. Einige sind hautlose, wilde Bestien, deren Körper auf Befehl herumfuchteln und nach eurem Hals suchen. Einige sind eher Bienenstöcke für große, leuchtende, explosive Insekten, die nach euch geworfen werden oder ihr steht riesigen Schlächtern mit Messern oder Äxten gegenüber. Die Designs mögen nicht sehr originell sein, passen aber super ins Spiel, sehen sehr gut umgesetzt aus und haben durchaus Überraschungen im Kampf parat, die uns sehr gefielen.


Im Spiel selbst werdet ihr nach jeder erfolgreichen Mission übrigens wieder ins Hauptquartier der Famile Rentier gebracht. Da gibt es leider immer nur mäßig viel zu entdecken, außer einem neuen Raum mit kleinem Geldbeutel für eure Upgrades, doch dem Pacing hat dies immer ganz gut getan, da man so zwischen den actionreichen Missionen ein paar Gesprächen lauschen kann und in Ruhe seine Fähigkeiten ausbaut (was aber jederzeit auch in Missionen möglich ist). Hier geht auch die Story voran und ihr trefft allerhand Nebencharaktere wie Jesses Vater, eine Ärztin oder euren treuen Kumpanen Edgar. Insgesamt ist die Geschichte genau so geradlinig und oldschool wie der Rest des Spieles, hat uns aber dennoch irgendwie gefallen. Nichts besonderes, dient sie dem Zweck euch weiter voranzutreiben und in die Arme des nächsten zähnefletschenden Bosses zu treiben und dabei zu unterhalten. Geht man also mit der nötigen Erwartung heran, kann man hier einigen Spaß haben.
Ein beachtliches Arsenal an Waffen und Möglichkeiten
Lineare Actions-Games, ohne Nebenmissionen, Bonfires und die im Einzelspieler gespielt werden sind mittlerweile eher eine Seltenheit. Evil West setzt sich jedoch genau in diese Sparte und bringt und ein Third-Person Action-Geballer, das mit seinem Look & Feel irgendwie an ein modernes Cowboys vs. Aliens im Setting von Van Helsing erinnert. Nur mit viel schlagkräftigeren Waffen und einer Menge Cooldowns. Denn abgesehen von den typischen Nahkampf-Kombos, dem Blocken und einem unterbrechenden Tritt (für nicht blockbare Angriffe) haben alle anderen Waffen und Fähigkeiten unabhängige Abklingzeiten. Ich gehe davon aus, dass dies eine Entscheidung ist, an der sich die Geister scheiden werden. Die Verwaltung von vier separaten Abklingzeiten – Schrotflinte, Gewehr, Heilung und AoE-Explosion – erfordert eine Menge Konzentration und Achtsamkeit. Die Abklingzeitanzeige in der Ecke der Benutzeroberfläche im Auge zu behalten, während man versucht, den Gegnern auszuweichen, kann anstrengend sein. Und auf eine Taste zu drücken, die nichts bewirkt, weil die Abklingzeit noch nicht abgelaufen ist, kann ziemlich frustrierend sein.


Doch die Vielfalt der Kampfbegegnungen trägt dazu bei, dass man dies lernt, da man jedes Mal mit einer anderen Art von Feinden konfrontiert wird. Doch zunächst die Grundlagen. Neben euren Fäusten habt ihr jeweils eine größere Fernkampfwaffe, euren Revolver, mehrere Spezialfertigkeiten und Ausrüstungen zur Verfügung. Wahlweise kann die Flinte durch eine Armbrust ersetzt werden oder druch Drücken einer Richtungstaste wechselt ihr auf Dynamit oder Flammenwerfer. All das kann natürlich in den Kämpfen eingesetzt werden, wird aber durchaus auch für die Umgebung und kleinere „Rätsel“ gebraucht. Denn der Flammenwerfer eignet sich zum Beispiel hervorragend, um nervige Spinnennetze zu entfernen. Wirklich knifflig wird es dabei nie, aber nett ist es allemal. Doch bleiben wir bei den Kämpfen und euren Gegnern.


Die meisten Feinde haben keine komplizierten Angriffsmuster, die man lernen muss, sondern verlassen sich auf ihre Anzahl, um einen zu überwältigen. Es ist wichtig, sich durch Ausweichen und den Einsatz von Fähigkeiten Raum zu verschaffen, und die Priorisierung von Zielen ist oft der Schlüssel zum Erfolg. Obwohl die Arenen immer groß sind und man aus allen Richtungen angegriffen wird, hat man eine Menge Kontrolle über seine Position und die Position seiner Ziele. Noch dazu gibt es einen Heldenschlag, der Feinde aufeinander schleudert, einen Dash, der euch blitzschnell über das Schlachtfeld bringt, einen Pull, um Feinde näher heranzuziehen und mehrere Fernkampfwaffen oder einen Flammenwerfer. Evil West zieht zwangsläufig Vergleiche mit God of War, aber selbst Kratos hat nicht so viele Spielzeuge in seiner Trickkiste. Und das macht definitiv den Reiz des Spiels aus. Denn auch nach einigen Stunden bekommt man immer noch eine neue Waffe oder ein Gadget, um die Kämpfe wieder aufzupeppeln.
Spaßig, kurzweilig und teilweise ganz schön Banane
Wenn sich der Staub gelegt hat und man endlich einen Moment Zeit hat, sich das Blut der Feinde aus dem Gesicht zu wischen, wird klar, dass der Rest des Spiels nicht annähernd so viel zu bieten hat. Immer wenn ihr einen Kampf beendet habt, könnt ihr euch umsehen und versteckte Truhen mit Gold (für den Kauf von Upgrades) und kosmetischen Gegenständen finden. Oder Objekte, die euch etwas zum aktuellen Geschehen erzählen. Ein paar Umgebungsrätsel haben zwischendurch mein Vorankommen kurzzeitig behindert, aber keines von ihnen fühlte sich nach mehr als einer einfachen Ablenkung an. Bei einem musste ich einen Zugwagen auf einem Gleis hin- und herziehen, damit ich darauf klettern konnte, um eine Zugbrücke herunterzulassen. Bei einem anderen musste ich mit meinem Greifhaken auf ein Gebäude klettern, um drei Schalter umzulegen und ein Tor zu öffnen. Alle diese Aufgaben fühlten sich obligatorisch an. Als ob sie genau zu dieser Art von Spiel gehören würden und man es nicht anders hätte implementieren können. Wenn diese nicht lange aufhalten und direkt gelöst werden, ist das kein Problem. Doch verharrt man aus verschiedensten Gründen zu lange daran, wird es schnell frustrierend.


Evil West ist definitiv ein AA-Spiel, was nicht abwertend gemeint ist. Es wird garantiert mit Spielen wie dem früheren God of War und Devil May Cry verglichen werden und das ist ja erstmal gar nichts schlechtes. Es gibt nicht mehr viele lineare Actionspiele wie Evil West, aber verschiedene Dinge führen dazu, dass es sich eben wie ein Spiel aus der PS3-Ära und daher wie die eben genannten Titel anfühlt. Ein Beispiel dazu ist einen Lorenfahrt, bei der man auf Fässer schießt, um Trümmer explodieren zu lassen und dabei per Schuss immer die Spur wechselt, während man fährt. Anstatt sich am Ende der Strecke an einem Haken festzuhalten, um zu entkommen, wird eine Zwischensequenz eingeblendet, in der die Figur genau das tut. Es gibt viele kleine Momente wie diesen, die das Spiel veraltet erscheinen lassen. Man merkt, das Hauptaugenmerk lag daher ganz klar auf den Kämpfen. Denn die gehen einfach schnell von der Hand, können durch das große Arsenal so schön unterschiedlich angegangen werden und die immer neuen Gagdets und Waffen lassen das Ganze nicht alt werden.
Optisch viele abwechslungreiche Schauplätze

Wo das Spiel schon eher etwas zum kämpfen hat, ist die Optik. Denn auch wenn das Spiel grafisch recht imposant beginnt und auch die Schauplätze der Level durchaus abwechslungsreich und atmosphärisch sind, so steif sind die Charaktermodelle. Beispielsweise sind da zwei wichtige Charaktere für die nächste Mission, welche in der Rentier-Zentrale auf euch warten und beide ganz hitzig über aktuelle Geschehnisse sprechen. Aber weder deren Münder bewegen sich überhaupt, noch ist irgendeine Gestik zu erkennen. So wird die eh schon vernachlässigbare Story noch uninteressanter, da man da auch keine Lust hat zuzuhören. Was schade ist, denn das Spiel läuft butterweich und es passiert fast jederzeit sehr viel auf dem Bildschirm, ohne das es ruckelt oder anders hinterherhingt. Dafür ist alles da. Ein grimmiger Protagonis, spritzige Waffensounds und ordentlich Blut. Wer dazu noch Lust hat die Map nach allerlei Geld, Upgrades und Skins abzusuchen, kann hier auch durchaus 15-20 Stunden reinstecken, mal ganz abgesehen von mehreren bockschweren Schwierigkeitsgraden.
Fazit
Evil West ist ein lineares Oldschool Actionfest mit einer vernachlässigbaren Story, gutem Sound-Design und knackigem Gameplay. Die Vielzahl an Möglichkeiten für den Kampf und die kurzweiligen Gefechte auf verschiedensten Landschaften bringen definitiv den größten Spaß. Wem das reicht, hat hier eine großartige Zeit vor sich.

Evil West erscheint am 22. November 2022 für PC, Xbox One & Series und PlayStation 4 & 5.
Positiv:
+ tolle kurzweilige Action-Gefechte
+ Abwechslung durch immer größer werdendes Arsenal
+ Skills & Upgrades sorgen für Motivation
+ viele, sehr hübsche Locations
+ stabile Framerate, egal wie viel passiert
Negativ:
– teils steife Animationen und altbackene Grafik
– Story recht schwach und nimmt sich zu Ernst
– Boss-Recycling in späteren Leveln