Nur wenige Spiele haben es geschafft, das gleiche Gefühl von Größe und Spektakel wie die gigantischen Bosskämpfe in Shadow of the Colossus einzufangen – und keines mit dem gleichen Fokus auf improvisierten Kampf wie Eternal Strands. In seinen besten Momenten fühlt es sich verdammt besonders an – zum Beispiel, wenn Ihr Euch an einen riesigen Titanen klammert, seine Hand mit Eis an seinen eigenen Körper friert, um nicht gegriffen und in die Tiefe geworfen zu werden, und Euch so ein paar zusätzliche Sekunden erkauft, um noch ein paar Treffer zu landen, bevor Ihr dramatisch abspringen müsst. Leider liegt dieses köstliche Zentrum zwischen oft hakeliger Physik, die zu frustrierenden und unfairen Toden führen kann, einem seltsamen Wettersystem und einem sich wiederholenden Kampf gegen kleinere Gegner, der sich nicht genügend weiterentwickelt, um die rund 30 Stunden Spielzeit zu rechtfertigen. Am Ende bleibt ein Action-RPG mit atemberaubenden Höhen und tiefen Tälern – aber diese Täler lohnen sich trotzdem, um die spektakulären Höhepunkte zu erleben. Mehr dazu in unserem Test.
Eine schön etablierte Welt
Die Welt von Eternal Strands ist gut ausgearbeitet und voller Geschichte und Lore, aber sie hat mich nie völlig in ihren Bann gezogen. Im Zentrum steht die Kriegerin Brynn und ihre Gruppe der „Weaver“ – magiebegabte Wanderer, die seit einer arkanegetriebenen Katastrophe namens The Surge von der Gesellschaft geächtet werden. Zu Beginn durchbrecht Ihr mit Brynn und ihren Gefährten eine magische Barriere, den Veil, um The Enclave zu erreichen – einst das Herz der Magie des Landes, das sich nach dem Surge auf mysteriöse Weise vom Rest der Welt isoliert hat. Was folgt, ist eine ziemlich geradlinige Expedition ins Unbekannte: Ihr untersucht, was mit The Enclave geschehen ist, was The Surge verursacht hat und warum der Veil überhaupt existiert. Das größte Problem der Geschichte ist ihr Tempo. Es ist quälend langsam, und wirklich bedeutende Ereignisse oder Enthüllungen gibt es erst etwa zur Hälfte des Spiels. Bis dahin hört Ihr vor allem viel Gequatsche, während Ihr eine Handvoll hübscher, aber recht lebloser Orte erkundet, Routinequests erledigt und Eure Weavermates in langsam entwickelnden Nebenquests kennenlernt. Brynn selbst ist zwar sympathisch, wirkt aber in Gesprächen fast zu perfekt. Sie hat immer die richtigen Antworten parat, weiß stets, was sie sagen muss, und das führt zu einer konfliktlosen Dynamik mit ihren Freunden – was auf Dauer einfach ein bisschen langweilig ist.

Was Eternal Strands aber wirklich einzigartig macht, sind die Systeme hinter Euren Kräften und wie sie miteinander interagieren. Sie ermöglichen einige wirklich kreative Ansätze für Kampf und Erkundung. Eine Eurer Hauptfähigkeiten ist eine Eisattacke, mit der Ihr Gegner einfrieren könnt. In vielen anderen Spielen würde es dabei bleiben – aber hier kommen auch Thermodynamik und Physik ins Spiel. Das heißt: Ihr könnt mit einer Eiswand Feuer löschen, einen Eisweg erschaffen, um Euch vor Hitzeschaden zu schützen, oder die Metallrüstung eines Gegners so stark abkühlen, dass sie brüchig wird und mit einem Hieb zerschmettert werden kann. Noch beeindruckender: Ihr könnt mit Eiswänden Oberflächen verbinden, um improvisierte Brücken zu bauen – oder sogar einen riesigen Gegner am Boden festpinnen, sodass er sich erst befreien muss, bevor Ihr ihn weiter angreifen könnt. Eure zweite Hauptfähigkeit ist Telekinese. Die ist zwar weniger innovativ, aber mal ehrlich: Es macht einfach immer Spaß, Dinge durch die Gegend zu schleudern. Auch hier gibt es clevere Synergien: Manche Gegner haben magische Schilde, die Eis und Feuer absorbieren, wodurch Eure Zauber wirkungslos werden – aber wenn Ihr gezielt eine Attacke aufsaugen lasst, könnt Ihr den Schild mit Telekinese zurückschleudern und eine mächtige Explosion auslösen.

Gameplay-Einflüsse, die definitiven Spaß bringen
Diese Kräfte entfalten ihr volles Potenzial in den Kämpfen gegen die „Great Foes“ – riesige, frei herumlaufende Bosse, die an eine Mischung aus Shadow of the Colossus und Horizon erinnern. Ihr könnt sie frei erklettern, während sie sich mit aller Kraft wehren: Sie schütteln sich wild, versuchen Euch mit Zaubern zu treffen oder reißen Euch einfach mit einer Hand herunter, wenn Ihr zu lange auf derselben Stelle bleibt. Diese Kämpfe sind großartig, weil sie so viele Herangehensweisen erlauben: Ihr könnt Euch von den Beinen aus nach oben arbeiten, gezielt Fernangriffe einsetzen, Objekte mit Telekinese auf sie schleudern oder ihre Gliedmaßen einfrieren, um einen schnelleren Zugang zu ihren Schwachstellen zu bekommen. Besonders cool ist dabei, dass jeder Great Foe eine Art Rätselmechanik hat: Wenn Ihr sie auf eine bestimmte Weise bekämpft, enthüllt Ihr eine Machtquelle, die Ihr extrahieren könnt, um eine neue Fähigkeit freizuschalten. Alternativ könnt Ihr sie auch einfach normal besiegen, was Euch mehr seltene Crafting-Materialien einbringt. Da diese Kämpfe wiederholbar sind, müsst Ihr Euch nie zwischen einer der Belohnungen entscheiden. Ich wünschte, es gäbe mehr dieser Kämpfe, denn sie sind mit Abstand das Beste an Eternal Strands. Die neun vorhandenen Great Foes bieten immerhin eine gute Vielfalt: riesige Titanen, vierbeinige Bestien, fliegende Drachen – und keine zwei Kämpfe fühlen sich gleich an. Leider kann der normale Kampf gegen kleinere Gegner da nicht mithalten. Er ist solide, aber auch ziemlich gewöhnlich. Es gibt nur zwei Nahkampfwaffentypen (Schwert & Schild oder ein Zweihandschwert), keine neuen Attacken außer denen, die an neue Waffen gebunden sind, und relativ wenig Gegnerabwechslung. Dank der vielseitigen Magie fühlt sich das Ganze nicht komplett eintönig an, aber ich hätte mir gewünscht, dass auch das reguläre Kampfsystem mehr kreative Optionen bietet.

Die ersten zehn Stunden sind fantastisch: Neue Feinde, Waffen, Bosse und Kräfte halten das Gameplay frisch. Doch irgendwann bremst das Spieltempo spürbar ab – Ihr müsst oft in bereits bekannte Gebiete zurückkehren und dort erneut dieselben Gegner bekämpfen, meist nur um einen Questgegenstand einzusammeln. Nicht jede Rückkehr in ein altes Gebiet ist gleich, da Wettereinflüsse den Spielverlauf ändern können – allerdings fast nie zu Eurem Vorteil. Ein plötzlicher Kälteeinbruch zwingt Euch, wärmeisolierende Kleidung anzulegen oder einen Trank zu trinken, um nicht ständig Schaden zu nehmen. Ein Dürreereignis hat denselben Effekt, nur mit Hitze. Die Zelda-Spiele machen etwas Ähnliches, aber dort wird klar kommuniziert, wie viel Schutz Ihr braucht. Eternal Strands macht das zur Ratesache, was schnell nervig wird. Die meiste Zeit erkundet Ihr aber unter normalen Bedingungen – und das ist eine der größten Stärken des Spiels. Wie in Breath of the Wild könnt Ihr jede Oberfläche erklimmen, und fast alles kann für Crafting-Materialien zerlegt werden. Leider gibt es wenig Anreiz, wirklich tief in die Welt einzutauchen: Abseits von Lore-Schnipseln gibt es kaum lohnende Geheimnisse oder bedeutende Upgrades zu entdecken. Stattdessen hängt der gesamte Fortschritt an Eurer Ausrüstung, die Ihr mit gefundenen Materialien craften und verbessern könnt. Das System ist komplex, hat aber den Vorteil, dass selbst Eure Startausrüstung bis zum Ende nützlich bleibt. Leider gibt es keine Möglichkeit, verschiedene Rüstungssets als Presets abzuspeichern – Ihr müsst jedes Mal manuell wechseln.

Fazit
Eternal Strands ist ein sehr schöner Debüt-Titel von Yellow Brick Games. Trotz einigen Mankos bieten das Kampfsystem und die dynamische Interaktion mit der Umgebung eine Vielzahl von taktischen Möglichkeiten, um sich epischen Feinden zu stellen und euer Arsenal an Zaubern zu erweitern, um den Bedrohungen der Enklave weiterhin zu begegnen. Für Genre-Fans definitiv einen Blick wert.
