Review: Dungeons of Hinterberg – Österreich: Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Indiespiele!?

Österreich ist für vieles bekannt, aber in Sachen Game Development gäbe es noch einiges an Potential zu heben. Umso schöner ist es, dass wir uns heute den Indie Titel Dungeons of Hinterberg anschauen dürfen. Das Erstlingswerk von Microbird, einem kleinen Indie Entwicklerstudio mit Sitz in Wien, kommt nicht nur aus Österreich, sondern spielt auch dort. Unsere Eindrücke der PC Version und ob sich ein Kauf lohnt findet ihr hier in unserem Test.

Die Magie der österreichischen Alpen

Die vom Alltagstrott etwas müde Luisa entschließt sich ihrem Leben in einer Rechtsanwaltskanzlei in Wien zu entkommen indem sie Urlaub in Hinterberg macht. Dieses Dorf in den österreichischen Alpen birgt aber neben frischer Luft auch eine Besonderheit: Seit zwei Jahren hat sich dort Magie breit gemacht und Monster in der Form österreichischer Mythenwesen treiben in und außerhalb von 25 plötzlich erschienenen Dungeons ihr Unwesen.

Das zieht neben Touristen auch eine ganze Menge Abenteurer und Opportunisten an. Und so ist Hinterberg zu einer brummenden Attraktion geworden. Angelockt von dieser Aussicht will Luisa ebenfalls Dungeons erkunden und wird zu Beginn vom Touristenführer und Neulingstrainer Klaus in den Trainingsdungeon gebracht. Das fungiert, wenig überraschend, auch gleichzeitig als Tutorial, das für alle folgenden Dinge in Textboxen untergebracht ist. Da sich die Komplexität in Grenzen hält, reicht das aber vollkommen aus. Warum, wieso und weshalb man in Hinterberg nun Monster und Dungeons findet bleibt allerdings noch sehr, sehr vage.

Jede Menge potentielle Freunde

Neben dem Ex-Bergsteiger Klaus gibt es noch einige andere Menschen in Hinterberg zu treffen. Da gibt es Unternehmer, Studenten, Influencer, Journalisten und natürlich andere Abenteurer (und unser Favorit: „Hund“ ein deutscher Schäferhund, den man später benennen darf). Neben den Dungeons sind diese Leute (und Hund) das Salz in der Suppe von Dungeons of Hinterberg. Denn anstatt nur stumpf Dungeons abzuarbeiten besteht ein Hauptaspekt des Spiels darin sich mit den anderen anzufreunden. Dieser Social Sim Aspekt wird auch mit Statuswerten wie Ansehen, Unterhaltung, Vertrautheit und Entspannung weiter verstärkt. Denn wer nicht unterhalten genug ist, der hat auch keine Lust einem Star Abenteurer in eine Bar zu folgen. Gleichzeitig können diese Werte auch Einfluss auf Waffen und Ausrüstung haben, die dann erst ihr ganzes Potential entfalten.

Außerdem hat das Freunde machen noch andere Vorteile: Beim erreichen eines neuen Freundschaftslevels gibt es manchmal ganze Systeme zum Freischalten. So erklärt euch Hannah, die Dorfzauberschmiedin, wie ihr eure Waffen verzaubern könnt oder Jae eine Abenteurerin und DJane trainiert mit euch, damit ihr mehr Ausdauer zum Ausweichen bekommt. Und nicht zu vergessen Hund, der euch einen versteckten Dungeon zeigt. Powergamer können übrigens auch jederzeit im Tagebuch checken, welche Verbesserung man pro Person als nächstes bekommt. Damit hat man also neben dem Erkundungsaspekt auch eine weitere Motivation Geschenke herzugeben, Fetchquests durchzuführen oder NPCs in den verschiedenen Gebieten zu suchen.

Wo soll’s denn heute hingehen?

Die Tage in Hinterberg sind unterteilt in Morgens, Mittags und Abends. Während man am Morgen meist ein Gespräch mit jemand führt und dadurch neue Infos erhält und Abends einkauft und mit Leuten abhängt oder ins Kino geht, besucht man des Mittags eines der vier Gebiete rund um Hinterberg. Beginnend am Doberkogel, mit saftigen Wiesen, Kühen, einer Seilbahn und einem Minenthema in den Dungeons, gibt es später auch den Kolmstein (Gebirge mit Eis und Schnee), den Hinterwald (Herbst- und Dornenthema) und zuletzt den Brünnelsumpf, dessen Name Programm ist.

Jedes Gebiet beinhaltet verschiedene Dungeons, die es aber erst einmal zu finden gilt. Gleichzeitig bekommt man in jedem Gebiet spezifische magische Fähigkeiten an einem Schrein verliehen. So kann man am Doberkogel eine Bombe beschwören oder mit einem Morgenstern aus der Distanz Gegner angreifen. In Kolmstein gibt es dagegen ein Eissnowboard und die Möglichkeit mit einem Laser zu schießen. Diese Haupt- und Nebenfähigkeiten sind dabei nicht nur bloßes Beiwerk in Kämpfen, damit man sein Mana ausgeben kann. Stattdessen gilt es inner- und ausserhalb von Dungeons Rätsel zu lösen. Die Bombe kann sowohl einen Schalter betätigen als auch Steine aus dem Weg sprengen. Ein Tornado im Hinterwald trägt Luisa dagegen über Dornenbüsche, die sie sonst verletzen würden.

Link und Luisa könnten Geschwister sein

Und damit kommen wir mit den Rätseln und den Dungeons zu den gelungensten Features von Dungeons of Hinterberg. In jedem der Dungeons gibt es eine recht ausgewogene Mischung aus Kämpfen und Rätseln. Der kreative und abwechslungsreiche Umgang mit den Zaubern sorgt dafür, dass man nicht immer sofort auf die Lösung kommt und manchmal kurz innehalten muss. Sei es die Suche nach Augen, die man mit dem Laser treffen muss, ein Slalomrennen auf dem magischen Snowboard oder das Herumtragen von Pflanzenbomben mit dem Tornado die Abwechslung wird groß geschrieben.

Hier schienen Zelda Breath of the Wild und Tears of the Kingdom standen hier ganz offensichtlich Pate. Und neben dieser Inspiration ging Microbird auch noch ein paar Schritte weiter indem z.B. auch Kameraperspektivenwechsel, die man sonst aus 2.5D Spielen kennt eingebaut wurden. So switched die Kamera z.B. in bestimmten Bereichen in die Iso-Perspektive oder zeigt das Geschehen von der Seite und wechselt auf echtes 2D. Ein weiterer oho Moment waren begehbare Kugeln, wie man sie von Super Mario Galaxy Planeten kennt. Die Entwickler hatten hier eindeutig ihren Spaß und keines der Elemente wirkt deplatziert oder aufgesetzt. Auch eine rasante Lorenfahrt fügt sich genauso gut ein wie ein Schieberätsel mit dem magischen Morgenstern.

Mit Schwert, aber ohne Schild

Beim Kämpfen ist man nicht ganz auf dem hohen Niveau der Rätsel, obwohl es einiges an Möglichkeiten gibt. Luisa kämpft grundsätzlich mit einem Schwert mit leichten und schweren Attacken sowie der jeweiligen Magie des Gebiets. Innerhalb von Kämpfen wird diese durch ein Manasystem aber begrenzt. Nach kurzer Zeit bekommt man auch sogenannte Angriffsleiter, derer zwei man mitnehmen kann. Angriffsleiter sind Spezialattacken wie ein Wirbelwind oder ein Angriffssprung und besitzen ein Cooldown System. Zu guter Letzt besitzt Luisa noch eine unverwundbare Rolle, die Ausdauer kostet und euch Angriffe ausweichen lässt. Die Gegner sind durchweg aus der österreichischen Sagen-. Mythen- und Tierwelt entlehnt, aber mit hoher künstlerischer Freiheit interpretiert. Krampus, Perchten und ein Giraffensteinbock, der seinen Kopf in den Boden steckt, um euch anzugreifen (ja, wirklich), trachten euch dabei nach dem Leben.

Über unterschiedliche gefundene und gekaufte Waffen sowie Rüstungsteile kann man den Fokus auf Magie oder Schwertkampf legen, um so den eigenen Spielstil anzupassen. Außerdem gibt es noch Amulette, die passive Verbesserungen geben. Ein gutes Beispiel ist z.B. die Möglichkeit Rollen in letzter Sekunde mit einem Verlangsamungseffekt ähnlich der Bayonetta Witch Time auszustatten. Diese Amulette verbrauchen allerdings knapp bemessenen Platz. Mit gefundenen Gegenständen und geschlossenen Freundschaften kann man aber sowohl den Platz erhöhen als auch den Verbrauch pro Amulett senken. An Anpassungsmöglichkeiten mangelt es also nicht. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei zu keiner Zeit ein Problem und das Spiel hilft mit einem Levelsystem, das Angriff und Verteidigung ein Level zuweist, das mit den Dungeons korreliert. So ist zu jedem Zeitpunkt klar, ob man sich hier vielleicht übernimmt und das beugt Frust vor.

In Kombination mit einem sofort Respawn vor dem Kampf gibt es eigentlich keine wirkliche Bestrafung und damit auch keine Bestrafung, wenn man mal nicht weiterkommt. Hardcore Gamern wird das selbst am hohen Schwierigkeitsgrad etwas zu wenig sein.

Malerische Umgebungen im Cel Shading Stil

In einer Zeit in der die Grafiksuperlativen in AAA Games immer mehr zur Pflicht werden, ist es schön in Indiegames etwas unaufgeregtere Ansätze zu sehen. Dungeons of Hinterberg hat sich für einen Cel Shading Stil entschieden, der an Hi-Fi Rush und Borderlands erinnert. Das hatte wahrscheinlich den praktischen Grund Kosten und Zeit zu sparen, trägt aber gleichzeitig auch zum Charme des Spiels bei. Die Animationen der Figuren sind zum Teil etwas abgehackt, was insbesondere beim Kämpfen auffällt, doch daran gewöhnt man sich schnell und die Landschaften machen einiges wett.

Egal, wo man sich in und um Hinterberg befindet, man hat durch die satten Farben und kleine Details wie z.B. stilisierten Wind (Ghosts of Tsushima anyone?) immer etwas zu bestaunen. In den Dungeons kommen dann oftmals noch fantastischere Elemente hinzu. Zu Beginn hatten wir noch den Eindruck, dass man sich eventuell für einen zu schlichten Stil entschieden hat, aber im Laufe des Spiels mussten wir diese Meinung revidieren. Denn trotzdessen erkennt man einen „ÖBB“ Ticketautomaten genauso gut wie eine Stelle an der ein Rätsel für Magie versteckt ist. Gleichzeitig ermöglicht die Abstraktion die unrealistischen Elemente des Spiels kohärent einzubauen, sodass Magie und reale Welt Hand in Hand gehen.

Ein bisserl Sudern muss sein

An dieser Stelle möchten wir aber auch noch ein wenig Kritik üben. So sehr die österreichische/alpenländische Kultur Einfluss auf Gegner, Architektur (Hallstadt und Bad Gastein waren hier sicherlich Vorbild) etc. hat und sogar ein paar österreichische Dialektwörter Einzug in die deutsche Lokalisation gefunden haben, so schade fanden wir es, dass es davon nicht mehr gab. Eine (abschaltbare) Lokalisation mit starkem Dialekt hätte man sowohl im deutschen als auch in anderssprachigen Übersetzungen sehr gut unterbringen können. Und auch die musikalische Untermalung hat keinen Bezug zum Thema, sondern ist eher in sphärischen Klängen zu verorten. Dabei ist der Soundtrack nicht schlecht, aber auch hier hätte man das alpine Thema einfließen lassen können.

Daneben ist es auch sehr komisch, dass man zu Beginn so wenig Erklärung bekommt, wieso nach Monaten von plötzlich erschienen Dungeons, die gefährliche Monster beinhalten, absolut keine Militärpräsenz vorhanden ist und es anscheinend auch keine gröberen Unfälle gab. Hier hat man es sich bezüglich der Backgroundstory etwas zu leicht gemacht, wobei später spannendere Aspekte hinzukommen, auf die es sich zu warten lohnt. Und auch Ungereimtheiten wie die englischen Wahlplakate der Bürgermeisterin, sind kleine Details, die beachtet hätten werden müssen. Wieso sollte eine Politikerin sich so an das englischsprachige Touristenpublikum widmen?

Gameplaymäßig kann man sagen, dass die namensgebenden Dungeons weitaus runder wirken, als der Social Sim Aspekt, wenngleich dieser sich als hervorragende Möglichkeit herausstellt die notwendigen Hintergrundinfos zu übermitteln. Gleichzeitig entschleunigt er das Spiel und das wird nicht jedermans Sache sein. Hier können wir nur raten offen an das Spiel heranzutreten.

Fazit

Microbird hat mit einer kleinen Truppe binnen vier Jahren ein erfrischendes Action RPG mit viel Liebe geschaffen, die man auch spürt. Das Gameplay hat seine Stärken in Sachen Dungeons und Rätsel und sorgt mit seinem Social Sim Anteil für ein sehr entspannendes Spielerlebnis. Obwohl an ein paar Ecken Logiklöcher in der Story und abgehackte Animationen das ansonsten schöne Gesamterlebnis trüben, können wir sagen Österreich hat ein Indiesternchen hervorgebracht, das hoffentlich auch international Anklang findet. Wir raten euch in jedem Fall zum Anspielen in Form der Demo oder gleich über den Gamepass, falls vorhanden. Einzig Hardcoregamer, die sehr viel Wert auf Action legen, können Dungeons of Hinterberg ignorieren. Alle anderen sollten in jedem Fall einen Blick auf diese Perle werfen.

  • Hervorragendes Rätseldesign, dass Magiefähigkeiten geschickt für sehr viel Abwechslung einsetzt
  • Ungewöhnlicher Genremix aus Zelda Action-RPG und Social/Dating Sim Elementen
  • Social Sim Elemente greifen in den Action-RPG Teil stimmig mit ein
  • Erfrischend unverbrauchtes Szenario mit österreichischem Kultureinfluss
  • Die Story braucht bis sie in Fahrt kommt und hat zu Beginn ein paar Logiklöcher
  • Trotz mehrerer RPG Systeme sind Kämpfe die meiste Zeit nur eine Dreingabe
  • Wer den Social Sim Teil nicht mag, hat ein „halbes Spiel“ vor sich
  • Man hätte das Österreich/Alpen Thema noch intensiver einbauen können
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Written by: Steve Brieller

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