Review: Die Götter müssen verrückt sein – Age of Mythology Retold im Test

Im Jahre 2002 als Echtzeitstrategie noch ein lebendiges Genre war, brachte uns Ensemble Studios eine Art Spinoff der Age of Empires-Reihe. Age of Mythology nahm die erfolgreiche „Age of“-Formel und erweiterte sie um Götter, Helden und eine halbwegs dramatische Story. Nun, ganze 22 Jahre, eine eher mäßige Extended Edition im Jahr 2014 und ein Asiatisches Addon (Age of Mythology: Tale of the Dragon) später, meldet sich Ensemble Studios mit Age of Mythology Retold zurück. Wir haben uns das Ganze am ÜC angeschaut. Aber auch Xbox Spieler bekommen eine Version mit Controller Steuerung. Und das gibt es sogar mit Crossplay, wobei der Vorteil einer Maus wahrscheinlich durch nichts aufgewogen werden kann.

Ein wildes mythologisches Potpourri

Für all jene, die beim Original nicht dabei oder vielleicht sogar nicht geboren waren, fassen wir einmal die größten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur damaligen „Age of“-Reihe zusammen. Als klassisches Echtzeitstrategiespiel beginnt man im Normalfall mit einer Siedlung und ein paar Arbeitern, die Nahrung, Holz und Gold sammeln. Wenn man genug Nahrung gesammelt hat, kann man dann in ein neues Zeitalter wechseln, was die ersten Militäreinheiten freischaltet. Diese funktionieren nach einem klassischen Schere-Stein-Papier Prinzip, sodass reine Masse nicht immer zum Ziel führt.

So weit, so bekannt. Doch Age of Mythology schränkt die Volksauswahl auf vier Völker ein: Griechen, Ägypter, Nordmänner und Atlanter. Diese teilen sich jedoch in ihre jeweiligen Gottheiten auf. So können Griechen zu Beginn zwischen Zeus, Poseidon und Hades wählen. Und diese haben in jedem der drei Zeitalter jeweils zwei (mit Überschneidungen) Untergötter zur Auswahl. Jeder dieser Untergötter bietet dabei einen anderen Fokus, andere mythische Einheiten (Zyklopen, Petsuchoi (Krokodile mit Lasern), Mumien, Frostriesen und viele, viele mehr) und mächtige Zauber. Das ist damals wie heute durchaus ein interessantes Konzept und bietet viel Raum zum Ausprobieren.

Die erwähnten mythischen Kreaturen brauchen natürlich auch noch einen natürlichen Gegenspieler (Schere Stein Papier muss auch hier sein). Und dieser kommt in Form von Heldenunits, die besonders viel Schaden an mythischen Kreaturen machen, die ihrerseits mit normalen Einheiten kurzen Prozess machen. Wer sich also auf seine Gegner einstellt und die richtigen Einheiten zum Kontern wählt, wird wesentlich erfolgreicher sein, als diejenigen, die nur stumpf eine Sorte Soldat in den Kampf schicken.

Prostagma!

Das griechische Wort in der Überschrift bedeutet „Befehl“ und wird sich in euer Hirn einbrennen, denn die erste Kampagne beginnt mit den Griechen und dreht sich um Arkantos. Und der bestätigt jeden Klick mit u.a. „Prostagma!“. Diese Einheitensprüche sind auch 2024 immer noch dieselben wie damals und haben bei mir als AoM Veteranen einen Schauer von Nostalgie ausgelöst.

Doch zurück zu Arkantos, dem atlantischen Admiral. Er fällt etwas vom Glauben ab, als Piraten Atlantis angreifen und einen Dreizack entwenden. Denn das kann nur heißen, dass Poseidon ihnen die Gunst verwehrt. Zudem muss er auch noch Nachbarschaftshilfe betrieben und die Belagerung von Troja zugunsten Agamenons entschieden werden. Und da trifft man dann auch noch auf den Helden Ajax und landet über Umwegen in der Unterwelt. In aller Kürze: Arkantos durchquert in kürzester Zeit einen nicht unsignifikanten Querschnitt griechischer Mythologie. Und als er aus der Unterwelt entkommt, hat er sich offensichtlich das Mittelmeer unterirdisch durchquert, denn er landet in Ägypten, wo der Schuldige für die ganze Misere Gargarensis, der Zyklop, ebenso Unruhe stiftet. Danach kommt man natürlich noch mit den Nordmannen in Kontakt und die Atlanter haben dann noch als spielbares Volk ihre eigene Kampagne, die dem ursprünglichen DLC The Titans entstammt.

Kann das alles heute noch überzeugen?

Wie man wahrscheinlich merkt, läuft die Geschichte quer durchs Gemüsebeet und unser Held muss die unterschiedlichsten Aufgaben bewältigen. Von normalem Basisaufbau und „besiege den Feind“ über ein „Tauziehen“ um ein Stück des Gottes Osiris bis hin zu Missionen ohne Stützpunkt hat Age of Mythology Retold alle möglichen Sorten an Aufgaben, die man von Oldschool RTS erwartet. Das war damals in Ordnung, fiel aber auch dort schon gegen Warcraft III – Reign of Chaos und später Frozen Throne ab, das hier einfach mehr Variation boten. Da aber in all der Zeit in Sachen Echtzeitstrategie Missionsdesign nur Starcraft II wirklich neue Maßstäbe setzen konnte, fällt diese Form der Altbackenheit garnicht so sehr ins Gewicht.

Was leider wirklich durchgehend stört ist, dass zwar QoL Updates gemacht wurden (dazu kommen wir weiter unten), aber die Wegfindung der Einheiten immer noch ein Graus ist. Wer in unwegsamen Gelände unterwegs ist, darf hoffen, dass die eigenen Einheiten nicht hängenbleiben oder sich die nächste Sanddüne ansehen. Zudem sorgt ein gemeinsamer Marschbefehl von schnellen und langsamen Einheiten dafür, dass sich, sobald alles beisammen ist, alle Einheiten nur noch mit der langsamen Geschwindigkeit fortbewegen. Ein Formationsknopf, der dieses Verhalten abstellt, wäre unglaublich nützlich gewesen. So muss man alles mit STRG+Zahl Gruppen trennen, wenn man seine Truppen effizient befehligen will.

Doch was hat sich nun tatsächlich geändert? Zuallererst die Grafik: Mehr als noch in der Extended Edition hat man diesmal alles überarbeitet. Und auch wenn es komisch klingt: Age of Mythology Retold bietet Raytracing Schatten. Wir wissen nicht wieso und es ist zu bezweifeln, ob Ensemble Studios weiß, wofür sie in solch einem Spiel Raytracing verbaut haben. Trotzdem sieht die Frischzellenkur aber sehr schön aus, ohne den Charme des Originals zu verlieren.

Endlich öfter Zaubern

Beim Gameplay stechen drei Merkmale ins Auge: Die Zauber wie Blitzschläge, Mumienbeschwörungen oder Regen für die Farmen können nun endlich mehrfach verwendet werden. Während die erste Verwendung noch gratis ist, kommt danach ein Cooldown und „Gunst“ Kosten hinzu (eine AoM spezifische Ressource, die von jedem Volk anders gesammelt wird). Das sorgt endlich dafür, dass man nicht alles für den großen Endkampf aufspart, sondern auch mal vorneweg in die Trickkiste greift.

Auffälligkeit zwei ist, dass es nun eine Hilfe für die Makroökonomik des Spiels gibt. Mit einer neuen Schaltfläche können die eigenen Dorfbewohner automatisch in ein vorgefertigtes oder selbst gemachtes Verhältnis zum Ressourcensammeln geschickt werden. Wer sich also nicht so sehr um die Wirtschaft kümmern möchte, kann diesen Knopf nutzen. Das kann aber auch nach hinten losgehen, wenn dann z.B. nicht genug Dorfbewohner am Tempel beten, um Gunst zu generieren, denn die ist unverständlicherweise bei den Griechen nicht dabei. Also komplett zurücklehnen in Sachen Wirtschaft geht auf jeden Fall nicht.

Und aller guten Dinge sind drei: AoM Retold führt ein neues Zeitalter ein: Das Wonder Age. Das wird allerdings nicht erforscht, sondern mit Hilfe eines sündhaft teuren Wunders „gebaut“ und macht die Götterkräfte billiger und den Cooldown kürzer. Zudem werden mythische Einheiten und Titanen verstärkt und optisch größer. In Multiplayergefechten wird man so weit jeodch sehr, sehr selten kommen. Insgesamt spielt sich AoM nämlich zügig und offensives Vorgehen rentiert sich.

Zusatzcontent in der Zukunft mit Überraschungsfaktor

Neben dem chinesischen Pantheon, dass sich hinter DLC1 verbirgt, wird es noch ein zweites unangekündigtes Götterpantheon geben. Dass man bestehenden Content in der ersten Expansion einbaut, anstatt sie ins Hauptspiel einzubauen stößt ein wenig sauer auf. Zudem gibt es noch keine Information, welches Volk und welche Götter in Expansion 2 stecken. In Summe darf man auf Steam für alles 49,99€ berappen. Wer sich gegen die Expansions entscheidet, der bekommt das Hauptspiel für 29,99€ und kann später für 24,99€ upgraden. Das ist durchaus eine stolze Summe für ein paar Missionen mehr und ein Überraschungsei.

Eine andere Quelle an Zusatzcontent ist die integrierte Modunterstützung, die aus dem Spiel heraus aufgerufen werden kann. Wir konnten bereits jetzt Funmaps, wie z.B. einen Bomberman Klon, entdecken und das zeigt Potential für mehr. Es ist davon auszugehen, dass dieser Modsupport auch in das Age of Empires Ökosystem (Microsoft oder Steam Account erforderlich) aufgenommen wird.

Fazit

Das nostalgische Gefühl behalten und gleichzeitig genug Neuerungen einzubringen ist der Balanceakt, den ein Remake dieser Art, schaffen muss. Age of Mythology Retold gelingt dies recht gut, denn die Optik wurde hervorragend modernisiert und die Kampagne bis auf ganz wenige Gameplayänderungen unangetastet gelassen. Dennoch hätte man auch damalige Kritikpunkte wie z.B. die Wegfindung oder das Formationssystem überarbeiten können. Das wurde leider unterlassen und auch die Preisgestaltung mit einem bereits 2014 veröffentlichten DLC im Premiumpaket sorgt für Unverständnis. Dennoch hatten wir viel Spaß mit diesem fast schon zeitlosen Klassiker der Echtzeitstrategie und mussten uns nicht beschämt wegdrehen, wie das noch bei der Extended Edition der Fall war.

  • Nostalgiefaktor sofort wieder da
  • Grafische Modernisierung ohne den Charme des Originals zu verlieren
  • Kleinere Quality of Life Verbesserungen
  • Mod Unterstützung direkt im Spiel
  • Crossplay
  • Die Wegfindung ist schlecht wie eh und je
  • Wieso kommt ein DLC von 2014 nicht ins Hauptspiel, sondern ins Premiumpaket?
  • Keine neuen Missionen für Veteranen zum Release
  • Ein paar mehr Neuerungen wären schon drin gewesen
Solo Wertung
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Written by: Steve Brieller

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