Review: Desperados III – Das High Noon für Echtzeit-Strategen

Die Geschichte der Desperados Spieleserie ist ein lange, die ihren Anfang 2001 nahm. Zu dieser Zeit erfreute sich die Commandos-Reihe unter Echtzeit-Strategie Fans größter Beliebtheit, was damals bei den deutschen Entwicklern von Spellbound ebenfalls nicht unerkannt blieb. Man ersetzte den zweiten Weltkrieg mit den Wilden Westen, Soldaten mit Revolverhelden und fertig war Desperados: Wanted Dead or Alive. Mit John Cooper in der Hauptrolle folgten noch zwei weitere Titel, ehe der Streit um Markenrechte mit Publisher Atari zu einem frühen Ende führte. Die vollständigen Rechte an der Reihe sicherte sich letztlich THQ Nordic im August 2017, was treue Fans aufhorchen ließ. Diese hatten auch schon ein Jahr später allen Grund zur Freude, als man einen offiziellen dritten Teil ankündigte, der von den Münchner Mimimi Productions entwickelt wird. Diese haben bereits 2016 mit ihrem Hit Shadow Tactics: Blades of the Shogun ein Händchen für Echtzeit-Strategie bewiesen. Ob ihnen auch ein ähnliches Kunststück mit Desperados III gelungen ist, das verraten wir euch in unserem Review.

Darf ich vorstellen: John Cooper und seine Gang

Desperados III erzählt die frühen Anfänge von Serien-Held John Cooper, seines Zeichen Kopfgeldjäger im Wilden Westen, sowie die seiner beiden treuen Gefährten Doc McCoy und Kate O‘Hara. Doch jeder Held hat einmal klein angefangen und so taucht man als Spieler zunächst in die Vergangenheit des angehenden Revolverhelden ein, der vom besten seines Fachs gelernt hat: James Cooper! Dieser hat sich als Kopfgeldjäger ebenfalls einen Namen gemacht, sich jedoch eines Tages mit dem falschen Ganoven angelegt. Dieser hört auf den Namen Frank und zeichnet sich ebenfalls als geübter Schütze aus, wie das Vater und Sohn Gespann hautnah miterleben muss. Mit dem Mord an James Cooper von dannen ziehend schwört sich John an diesem Tag Rache zu üben. Diese Zeit ist nun gekommen und ab hier ist es eure Aufgabe, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Wer neu in der Welt von Desperados ist, dem wird mit Teil 3 die perfekte Gelegenheit geboten in den Wilden Westen einzutauchen, denn hier handelt es sich um ein Prequel zu seinen beiden Vorgängern. Das bedeutet, dass sich die alteingesessenen Revolverhelden rund um John Cooper, Doc McCoy und Kate O’Hara erst kennenlernen müssen, ehe man gemeinsam auf zukünftige Kopfgeldjagden loszieht. Demzufolge ist im Vorfeld kein Vorwissen notwendig, um die Geschichte in vollen Zügen genießen zu können.

Die Zwischensequenzen sind schlicht gehalten und dienen eher dem Zweck

Auch wenn die Erzählstruktur der Handlung in den spärlich in Szene gesetzten Zwischensequenzen ein wenig an Glanz verliert, so entschädigen die Dialoge der Charaktere vor, nach und sogar während den Missionen für vieles. Die Gespräche und kleinen Geplänkel sind erstaunlich gut geschrieben und runden das Geschehen stets mit einer positiven Note ab, was auch der hervorragenden Synchronisation zu verdanken ist. Vor allem der bullige Hector Mendoza, einer der beiden Neulinge im fünfköpfigen Heldengespann, brilliert zu Beginn noch als Saufnase, zeigt im weiteren Verlauf des Spiels aber überraschend viel Tiefgang. Lediglich die Voodoo-Hexe Isabelle Moreau, die erst in Kapitel 2 die illustre Runde erweitert, wirkt deplatziert im Western-Setting und schafft es nicht, an den Charme ihrer Gefährten anzuknüpfen. Doch das soll im Genre der Echtzeit-Strategie auch nicht weiter stören denn hier zählen Taten und dafür stehen jedem der Helden ein unterschiedliches Set an Fähigkeiten zur Verfügung.  

Abwechslung im Wilden Westen

Auf der Suche nach Frank bekommt ihr es in insgesamt drei Kapiteln mit zahlreichen Banditen zu tun, die in vierzehn unterschiedlichen Karten quer durch Amerika bis hin nach Mexiko nur darauf warten, von euch abgeknallt zu werden. Mal gilt es in einer belebten Stadt drei Ziele unschädlich zu machen, in einer idyllischen Schlucht eine Eisenbahnbrücke zu sprengen oder das Banditenlager im tiefsten Sumpf auszuheben. Die bespielbaren Karten strotzen nur so vor Details und fallen derart umfangreich aus, dass man bereits im Vorfeld einiges an Zeit investiert die Gegend auszukundschaften, noch bevor man den ersten Schritt setzt. Diese Schritte wollen in weiterer Folge auch wohl überlegt sein, denn überall stehen Feinde soweit das Auge reicht. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gilt es, die Fähigkeiten der Helden geschickt einzusetzen. Learning by Doing lautet hier das Motto, denn auch Desperados III führt euch nicht sanft an die Spielmechaniken  heran sondern lässt euch direkt selbst Hand anlegen.

Vor jeder Mission gibt es ein kurzes Briefing

Protagonist John Cooper zeichnet sich durch seine beiden Revolver aus, mit denen er gekonnt zwei Gegner auf einmal ausschalten kann. Soll es jedoch mal lautlos sein, dann kann dieser auch zu einem Wurfmesser greifen, das im Anschluss natürlich auch wieder eingesackt werden muss. Falls eine Konfrontation vermieden werden soll, hilft noch immer ein beherzter Münzwurf, um Wachen von ihren Posten wegzulocken. Eine ähnliche Form der Ablenkung beherrscht übrigens jeder der fünf Charaktere, mal durch ein Pfeifen das Banditen direkt in die Richtung des Geräuschs lockt oder durch eine süße Katze, die kurzzeitig nach Streicheleinheiten vom Gegner verlangt. Die Auswahl ist groß, auch wenn es um das Erledigen der Feinde geht. Doc McCoy greift hier zum Beispiel auf seinen Revolver mit Zielfernrohr zurück, der mit seiner hohen Reichweite die gegnerischen Reihen gezielt dezimiert. Draufgänger Hecotor hingegen überzeugt, sollten die Dinge hart auf hart kommen, mit seiner abgesägten Schrotflinte, mit der er gleich mehrere Banditen über den Jordan schickt. Ganz so schlagkräftig wie die beiden ist die Meisterin der Verkleidung Kate O’Hara nicht, mit der ihr lieber unauffällig das Feindesgebiet infiltriert. Sollte sie dort in Schwierigkeiten geraten, dann darf auch sie mit einem beherzten und zugleich leisen Schuss aus ihrem Mini-Revolver für klare Verhältnisse sorgen. Lediglich Hexe Isabelle bricht aus diesem Setting aus und lässt ihre Zauber für sich sprechen. Da wäre zum Einen die Verzauberung, mit der ihr Kontrolle über einen Banditen in einem bestimmten Radius erhält und zum Anderen ein vergiftetes Blasrohr, mit dem das Schicksal zweier Ziele miteinander gekoppelt werden kann. Heißt im Klartext: Erledigt ihr einen davon, so ereilt auch seinen Blutsbruder dasselbe Leid. Doch Obacht, denn obwohl euer Quintett mit diversen Schusseisen ausgestattet scheint, die Munition ist begrenzt und nur bedingt auffüllbar, weswegen Gewalt nicht der einzige Weg zum Erfolg ist.

Die Fähigkeiten sind vielfältig und stecken voller Überraschungen

Auf leisen Sohlen oder mit lautem Knall

Trotz der Bewaffnung eurer Helden handelt es sich bei Desperados III noch immer um einen Echtzeit-Strategie Titel, bei dem Stealth in erster Linie im Vordergrund steht. Wer hier den Anspruch stellt, ungesehen von A nach B zu gelangen, dem stehen einige Optionen zur Auswahl. Jeder Feind verfügt über einen Sichtkegel, den ihr möglichst meiden solltet, denn einmal enttarnt kehrt nicht so schnell wieder Ruhe im Gebiet ein. Abhilfe schafft hier, wie schon bei Shadow Tactics: Blades of the Shogun das Schnellspeicher und Schnelllade-System. Per einfachem Knopfdruck könnt ihr den aktuellen Spielstand zwischenspeichern und nach Scheitern eines Planes problemlos neu laden. Damit dies auch stets aktuell bleibt, erinnert euch das Spiel im Minutentakt daran, ein Back Up zu machen. Das ist auch bitter notwendig, denn nicht immer dürft ihr auf den schlagkräftigen Hector oder den Scharfschützen McCoy zurückgreifen. Vor Beginn jedes Level schreibt euch Desperados vor, welche Helden zur Auswahl stehen, weswegen Vielfalt Trumpf ist. Einige Passagen im Spiel lassen sich zudem nur durch ein geschicktes Zusammenspiel aller verfügbaren Mittel bewerkstelligen. Hier kommt der Showdown-Modus zum Zug, der die Zeit stoppt und euch die Gelegenheit bietet, Aktionen mit allen Helden zu bestimmen, ehe diese in Echtzeit in die Tat umgesetzt werden. Was auf dem ersten Blick nur als ein nettes Gimmick erscheint, ist besonders bei den sogenannten Long Coats bitter notwendig. Diese Form von Banditen sind das feindliche Äquivalent von Hector und lassen sich auch nur von diesem im Kampf bezwingen. Steht der Haudegen jedoch mal nicht zur Verfügung, dann ist es nur durch ein perfektes Zusammenspiel zweier Personen möglich, diese unliebsamen Hindernisse aus den Weg zu räumen.

Aufmerksames Studieren der Karte ist von Vorteil

Der schmale Grat zwischen Spielspaß und Frust

Mit Shadow Tactics: Blades of the Shogun haben Mimimi Productions bereits eindrucksvoll bewiesen, dass sie Meister ihres Fachs sind. In Desperados III hat man nun noch eine Schippe drauf gelegt und das Level an Herausforderung noch einmal erhöht. Auch wenn man damit besonders Taktik-Veteranen entgegenkommt, so schmälert dies den Spielspaß für all jene, die nicht ganz so geübt in der Welt der Echtzeit-Strategie sind. Werdet ihr selbst auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad bei einer Aktion beobachtet, dann könnt ihr euch im Anschluss auf eine ganze Armada an Feinden gefasst machen. Da man hier fast immer den Kürzeren zieht, ist euer wichtigster Verbündeter die Schnelllade-Funktion. Nach diesem Motto arbeitet ihr euch sukzessive von einer Stelle zur nächsten und versucht so die Map nach und nach vom üblen Gesocks zu befreien. Da man hier jedoch den Anspruch hat, besonders herausfordernd zu sein, seht ihr euch dadurch fast ausschließlich mit Trial and Error Passagen konfrontiert, denn an jeder noch so entferntesten Stelle findet sich ein unliebsamer Beobachter, dessen Sichtkegel ihr vorher nicht auf dem Schirm hattet. Das führt meistens dazu, dass ihr bis zum finalen Missionsabschluss auch gut und gerne mehrfach, bis hin in den oberen zweistelligen Bereich, in den Genuss des Schnellspeicherns und Schnellladens kommen werdet.

Nanu, hier müssen alle versammelt sein bevor die Mission als beendet gilt

Während die erste Mission noch relativ überschaubar ist, so findet ihr euch fortan in von Feinden überfluteten Gebieten wieder. Selbst eine abgelegene Dorfruine Mexikos wimmelte nur so vor Gaunern und zwar 88 Stück an der Zahl. Mit solchen Horden seht ihr euch in fast jeder Karte konfrontiertet, was die Missionen enorm in die Länge zieht. Doch auch die Wahl, ob Stealth oder Kampf sollte wohl überlegt sein, denn vereinzelt kann es auch vorkommen, dass sich das komplette Team am Ende einer Mission plötzlich zusammen finden muss. Wer hier im Vorfeld die lautlose Variante gewählt hat, muss in Folge dessen dieses Kunststück auch mit allen verbleibenden Helden vollführen, die ihr am Beginn geparkt habt. Ein mühsames Unterfangen, denn auch körperlich unterscheidet man sich voneinander, weswegen Wege über Kletterpflanzen oder ein kurzer Abstecher ins Wasser nicht für alle in Frage kommt. Wer sich daran nicht stört und seine Fähigkeiten darüber hinaus unter Beweis stellen will, der kann auch die acht zusätzlichen Herausforderungen pro Level in Anspruch nehmen, worunter sich auch ein Speedrun und ein Abschluss auf dem Schwierigkeitsgrad „Hart“ befinden.

An zusätzlichen Herausforderungen mangelt es hier nicht

Fazit

Für das, was Desperados III sein will, macht es seine Sache hervorragend. Mimimi Productions verstehen ihr Handwerk in der Echtzeit-Strategie und demonstrieren eindrucksvoll, dass man hier womöglich das beste Spiel seines Genres abgeliefert hat. Das Western-Setting wurde stilvoll umgesetzt und auch die Charaktere können, bis auf eine kleine Ausnahme, vollends überzeugen. Der hohe Schwierigkeitsgrad erfreut besonders Veteranen, Neulinge sollten aber eher zum einsteigerfreundlicheren Shadow Tactics: Blades of the Shogun greifen, bevor sie sich hier heranwagen.  

Positiv:

+ Sympathisches Heldengespann

+ Hervorragende Synchronisation mit viel Humor

+ Story beschäftigt mit ca. 40 Stunden Spielzeit und 14 spielbaren Maps

+ Hoher Wiederspielwert dank zahlreichen Herausforderungen

+ Taktik-Veteranen werden sehr gefordert sein,…

Negativ:

– …für Neueinsteiger jedoch oft ein frustrierendes Unterfangen

– Gebiete wirken durch massenweise Feinde überladen und künstlich erschwert

– Knallharte Gegner-KI selbst auf niedrigen Schwierigkeitsgraden

Desperados III erscheint am 16.Juni 2020 für PC, Playstation 4 und Xbox One und ist für einen Preis von 59,99 € erhältlich.

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Written by: Manuel Barthes

Ehemaliger freier Redakteur bei Cerealkillerz