Auch wenn der Titel ein wenig irreführend ist, Bravely Default II ist der mittlerweile dritte Titel der Rollenspielreihe von Square Enix, gleich nach dem Original und dem direkten Sequel Bravely Second: End Layer für Nintendo 3DS. Nun hält die Reihe mit dem neusten Ableger Einzug auf der Switch, wodurch sie mit mehr Rechenleistung auch neue Optionen bieten sollten. Ob diese Chance genutzt wird, erfahrt in den nachfolgenden Zeilen.
Eine Story von Kristallen, mit Kristallen über Kristalle
Anders als der letzte Serienableger setzt Bravely Default II die Story des ersten Teils nicht unmittelbar fort, sondern erzählt eine komplett eigenständige Geschichte mit neuer Welt und neuen Helden. Im Switch-RPG strandet ihr in der Rolle des Protagonisten Seth als Schiffbrüchiger am Strand des Inselreichs Excillant, das sich aus verschiedenen Königreichen zusammensetzt. Das Schiff des Seemanns ist nicht zufällig vom tobenden Meer zerstört worden. Verantwortlich dafür ist einer von vier mächtigen Kristallen, die eigentlich das Gleichgewicht der Kräfte gewährleisten sollen. Doch etwas läuft mächtig falsch in Excillant, weshalb die junge Prinzessin Gloria die Kristalle finden und vereinen möchte, um den Niedergang der Welt zu verhindern. Doch mit ihrem in die Jahre gekommenen Beschützer Sir Sloan allein ist das nicht zu erreichen, weshalb sie sich mit Seth, dem vorlauten Gelehrten Elvis und dessen Begleiterin Adele zusammentut.
Anders als in den Handheld-Vorgängern, die auf deutlich weniger Speicher zurückgreifen konnten als der Switch-Ableger, ist Bravely Default II indes umfangreich vertont – es gibt zwar, wie in vielen anderen japanischen RPGs auch, eine Reihe von Dialogen, die ausschließlich in Textform stattfinden. Diese ausnahmslos optionalen, nicht vertonten Konversationen sind aber nur bei Nebenmissionen oder in den sogenannten Gruppengesprächen vorhanden, in denen Seth, Gloria, Elvis, Adele und ein paar andere der temporären NPC-Begleiter in kleinen Dialogen auf aktuelle Ereignisse Bezug nehmen und zudem mehr Hintergrundwissen über sich selbst und die Welt offenbaren. Sämtliche storyrelevanten Dialoge inner- und außerhalb von Zwischensequenzen sind hingegen vollständig vertont. Wer keine Lust darauf hat, kann sämtliche Cutscenes und Dialoge sofort überspringen.
Da sich Bravely Default II an klassischen RPGs aus den 80er und Anfang 90er orientiert, ist auch die Story sehr geradlinig ausgefallen. Das Um und Auf sind und bleiben die Kristalle, die in damaligen Zeiten Brot und Butter der Rollenspiele waren. Leider wirkt das heutzutage sehr klischeehaft und altbacken – und vor allem vorhersehbar: Auch wenn es gegen Ende noch ein paar Plot-Twists auftischt, so bleibt die Reihenfolge davor immer „Neues Areal freischalten – Stadt erkunden – Mit NPCs sprechen – Kristalle auffinden – Übeltäter zur Strecke bringen“.
Absolut solides Kampfsystem und klasse Menüführung
Hauptbestandteil von „Bravely Default II“ sind aber ohnehin das komplexe Kampf- und Charaktersystem. Dabei verknüpft das Spiel verschiedene Elemente aus typischen Rollenspielen mit einer einzigartigen Facette innerhalb der Rundenkämpfe. Denn so ähnlich wie in den Vorgängern kommen die titelgebenden Mechaniken „Brave“ und „Default“ zum Einsatz. „Default“ ist dabei zunächst gar nichts so Besonderes, denn dabei handelt es sich im Prinzip bloß um die aus anderen J-RPGs bekannte Verteidigungshaltung. Die Brave-Mechanik allerdings hat es in sich, denn in Bravely Default II kommt ihr nicht unbedingt nur einmal pro Runde zum Zug. Stattdessen könnt ihr die für Aktionen notwendigen Punkte auch sozusagen aus späteren Runden borgen und somit bis zu vier Angriffe, Zauber oder Item-Verwendungen direkt hintereinander nutzen.
Um in Bravely Default II langfristig Erfolg zu haben, könnt und müsst ihr eure Helden regelmäßig mit neuen Jobs ausstatten und ihr Wissen in diesem Bereich stärken. Das funktioniert im Prinzip wie die normalen Level-ups, nur dass ihr für die Jobstufen separate Erfahrungspunkte sammelt. Jedem Charakter könnt ihr nach Belieben einen Haupt- und einen Nebenjob zuweisen, was über sogenannte Asterisken funktioniert, die ihr sukzessiv innerhalb der Kampagne erhaltet. So könnt ihr den anfänglichen Hauptberuf von Elvis, der eigentlich ein Schwarzmagier ist, später auf Wunsch in den eines Weißmagiers oder auch eines Faustkämpfers ändern. Es gibt kleinere Ähnlichkeiten bei den Jobskills, jedoch ist kein Beruf wie der andere. Die Jobs umfassen etliche Kategorien, darunter auch den Freiberufler, den man mit Abstrichen als „Allrounder“ bezeichnen könnte. Der Freiberufler beherrscht schlichtweg sowohl offensive als auch defensive Fähigkeiten. Andere Berufe sind hingegen einseitiger für den Angriff geeignet, sei es durch mächtige Faustattacken, mit speziellen Elementarschäden erweiterte Axtangriffe oder offensiv stärkende Zauber für sich oder die Mitstreiter. Bei der genannten Weißmagie geht es ganz klassisch vor allem um Heilung und Schutz, spätere Jobs sorgen für mehr Diversität.
Wirklich effektiv nutzen könnt ihr Jobs erst dann, wenn ihr euch stärker dem maximalen Joblevel von 12 nähert. Denn die auf den früheren Stufen freigeschalteten Fähigkeiten kosten zwar weniger Mana, sind allerdings auch vergleichsweise schwächlich und werden, bei den Bossen – die mit Abstand die größte Herausforderung darstellen – größtenteils wenig bewirken. In den beiden Slots für Haupt- und Nebenjob könnt ihr jedenfalls alle Charaktere nach Belieben den entsprechenden Asterisken (sprich: Jobs) zuweisen, also praktisch ohne Einschränkungen im Kampf Spezialaktionen von beiden Berufen einsetzen. Blöderweise gibt es die Jobpunkte zum Stufenaufstieg nur für den Hauptberuf, von dem wiederum bestimmte Attribute wie Trefferpunkte, Stärke oder auch die Effizienz bestimmter Waffengattungen abhängen – als Faustkämpfer, um ein extremes Beispiel zu nennen, etwa empfiehlt es sich, komplett auf eine Bewaffnung zu verzichten. Dass der Job-Stufenaufstieg nur für den Hauptberuf möglich ist, führt entsprechend automatisch zu gewissen Grinding-Zwängen. Denn nur, wenn wenigstens einer aus eurem Heldenquartett den Job auf Maximalstufe gebracht hat, könnt ihr die damit verknüpften Skills überhaupt einsetzen. Lediglich wenn ihr den Job mit den gewünschten Skills zum Hauptberuf macht, ist Stufe 12 erreichbar. Es ist schon logisch, dass man eine mit einem Charakter erreichte Berufsstufe nicht einfach übertragen kann, allerdings ist es eben auch ein Spiel, in dem genau diese Option den nicht nur in diesem Bereich anzutreffenden Grinding-Zwang abgemildert hätte.
Der Aufstieg im Joblevel geht jedenfalls nicht einfach nebenher, sondern nur durch gezieltes Grinding. Ihr lauft also zwangsweise – nicht nur bei der Erlangung eines neuen Asterisk, der stets bei Stufe 0 startet – immer wieder durch die Oberwelt oder besucht bereits zuvor absolvierte Dungeons, um Jobpunkte zu sammeln. Macht ihr das nicht, gelangt ihr schnell ins Hintertreffen. Das gilt allerdings einerseits nicht nur für den Joblevel und insbesondere für die Bosse, denn das Grinding in „Bravely Default II“ treibt noch ganz andere Blüten.
Ebenfalls zu beachten: die Party sollte beim Jobwechsel mit neuen Waffen und neuer Rüstung ausgestattet werden – denn ein Weißmagier mit einer Axt in der Hand macht nicht sonderlich viel Sinn! Eine zusätzliche Limitierung wurde in diesem Bereich durch ein Maximalgewicht eingeführt. Ist man erstmal überladen, so erhält man Abzüge in fast alles Bereichen. Im unteren Beispiel kann man sehen, dass – ist das Gewicht auch nur um einen Punkt überschritten -, das Partymitglied auf Angriff, Abwehr Tempo, Zielen, etc. stark Punkte verliert.
Neu sind auch die sogenannten „Erkundungsreisen“, die man in jeder Stadt starten und beenden kann: Befindet sich das Spiel im Standby-Modus, so läuft im Hintergrund ein Schiff aus, das alle möglichen Abenteuer erlebt und dabei auch andere Spieler treffen kann -vorausgesetzt man hat einen Internet-Zugang. Die gefundenen Schätze erhält man zusammen mit einer schnellen Zusammenfassung jeweiliger Reise; bei den Belohnungen handelt es sich meist um Items die Level, Job-Level sowie Skills aufbessern.
Fazit
Bravely Default II ändert nicht viel an der Erfolgsformel bisheriger Teile, doch gibt es einiges zu bemängeln: Die Story über Kristalle ist total angestaubt, das Balancing des Gameplays fordert viel zu viel Grinding (vor allem für Bosskämpfe), und auch mit dem Animationsstil, der stark an den Chibi-Style erinnert, wird sich auch nicht jeder anfreunden können. Ansonsten ist Bravely Default II ein Musterschüler und zeigt wie ein rundenbasiertes RPG in heutigen Zeiten aufgebaut gehört.
Positiv:
+ tolles Kampfsystem mit originellen Job-Klassen
+ Menüführung einsteigerfreundlich und übersichtlich
+ Nostalgiefaktor als Bonus für Genre-Veteranen
Negativ:
– zu viel Grinding für Bosskämpfe notwendig
– Story um Kristalle ein einziges Klischee des RPG-Genres
– gewöhnungsbedürftiger Grafikstil