Review: Avowed – Kann das Pillars of Eternity spin off überzeugen?

Als Obsidian Entertainment 2015 mit Pillars of Eternity ein hervorragendes klassisches RPG veröffentlichten, dachten sie wohl noch kaum daran, dass 2025 ein Action RPG namens Avowed in den Handel kommen würde. Doch nun ist es soweit und wir haben uns in der Rolle eines Godlikes ins Abenteuer gestürzt. Avowed erscheint exklusiv für Xbox Series X|S und PC, wobei wir uns die PC Version angeschaut haben.

Die Götter müssen verrückt sein

In Avowed spielt man einen sogenannten Godlike. Godlikes sind Bewohner der Welt, die bei ihrer Geburt von Göttern ausgewählt wurden und aus diesem Grund spezielle Wucherungen am Kopf haben, die sie sehr leicht erkenntlich machen. Oft führt das auch dazu, dass man von der Gesellschaft ausgestoßen wird. Der Spielercharakter hatte auch seine Probleme mit diesem Dasein, wurde aber vom König seiner Heimat Aedyr als Gesandter ausgewählt, der auf die Insel „The Living Lands“ geschickt wird, wo eine geheimnisvolle Seuche namens Dream Scourge ausgebrochen ist.

In aller Kürze sorgt eine Infektion mit der Dream Scourge zunächst dafür, dass der Erkrankte verwirrter wird, Stimmen hört und seltsame Träume hat. Im weiteren Verlauf wachsen Pilze über den Körper und die Person wird immer aggressiver, bis sie Amok läuft. Bereits kurz nach der Ankunft findet man eine Festung, in der die Seuche gewütet hat. Die Szenerie eines Massakers dient gleichzeitig als das Tutorial in dem man bereits merkt, dass der Godlike durchaus sehr begabt ist.

Ein göttlicher Wunderwuzzi

Egal was der Spieler in die Hand nimmt, er kann es verwenden. Ob Schwert, Schild, Zauberstab, Bogen oder magisches Buch, der Protagonist beherrscht alles. Während der Charaktererstellung gibt es dementsprechend auch keinerlei Klasse zum auswählen, sondern nur die eigene Optik, eine Hintergrundgeschichte für spezielle Dialogoptionen und ein paar Attributspunkte, die Schaden, Leben etc. verbessern und ebenso für Dialogoptionen notwendig sind. Aber auch letztere, sowie Skillpunkte für Levelups sind nicht endgültig verteilt und können gegen bare Münze neu verteilt werden. Wer also genug vom nahkämpfenden Krieger hat, der rüstet seinen Charakter neu aus und vergibt seine Punkte neu.

Diese Wahlfreiheit macht das Spiel zwar sehr zugänglich, aber die Konsequenzlosigkeit fühlt sich für ein ernsthaftes RPG seltsam an. Weiterhin machen der eigene Level und die gewählten Attribute nur einen kleinen Teil des angerichteten Schadens aus und der eigentliche Fokus liegt auf der Qualitätsstufe der gewählten Waffe im Vergleich mit der Rüstung des Gegners. D.h. wer seine Ausrüstung nicht neu kauft oder stetig verbessert, wird sich auf Dauer schwer tun. Andersherum kann hypothetisch ein Level 1 Charakter mit einem voll geupgradetem Bogen alles und jeden effektiv umschießen. Das ist insofern schade, da sich nicht der Charakter, sondern die Ausrüstung entwickelt. Dafür leveln die Gegner aber auch nicht mit, was laut Entwicklern eine bewusste Entscheidung war, weil man sich dementsprechend übermächtig fühlen soll, wenn man in die ersten Gebiete zurückkehrt.

Ein bisschen Diplomatie schadet nie

Die großen Stärken von Avowed liegen eher, Obsidian Entertainment typisch, in den Dialogen mit den NPCs. Egal ob es die bis zu zwei Kumpanen am Lagerfeuer, Stadtwachen oder eine Gruppe Grabräuber sind, mit denen man sich unterhält, alles ist sehr gut vertont (aber nur auf Englisch) und teilweise recht derb. Auch die eigenen Antwortmöglichkeiten sind divers und gut geschrieben. Euren Charakter hört ihr aber abseits von Zaubersprüchen nicht direkt sprechen.

Im Gegensatz zu z.B. Dragon Age Veilguard kann man als Gesandter des Königs auch so richtig garstig antworten. Natürlich hat man dann auch die kurzfristigen Konsequenzen zu tragen und darf sich nicht wundern, dass man sich Feinde geschaffen hat. Als Aedyraner ist man in den Living Lands nämlich sowieso schon nicht beliebt und das falsche Wort kann dann schon einmal zu Problemen führen.

Töte dies, bring mir das und zahl meine Schulden

Wer sich umschaut findet einiges an Quests, die die typische Standardkost des Genres bieten. Kopfgeldjagden, Laufburschenaufträge und allgemeines „löse mein Problem mit Gruppe/Person xy“ hat man so oder ähnlich bereits gesehen. Allerdings machen die Vollvertonung der Hilfesuchenden und die gut geschriebenen Dialoge einiges wieder wett. Außerdem gibt es auch ein paar Klettereinlagen, denn euer Charakter ist sich nicht zu schade über Fassaden zu klettern und über Abgründe zu springen. Dabei ist leider nicht immer klar, auf welchen Teilen der Landschaft/der Gebäude man wirklich stehen kann und wir sind desöfteren wieder am Boden der Tatsachen gelandet oder haben mit Lebenspunkten bezahlt.

Allgemein ist die Steuerung aber sehr direkt und geht in den Kämpfen leicht von der Hand. Das Kampfsystem basiert auf Ausdauer und jeder Schlag, Block oder Dash kostet selbige. Wer schwere Rüstungen trägt reduziert dabei seine maximale Ausdauer und kann dementsprechend weniger angreifen oder ausweichen. Dafür kann man schwere Treffer leichter wegstecken, denn die Attacken haben durchaus spürbaren „oomph“ dahinter. Wer eher zaubern will braucht Essence, das über Tränke, Essen oder passive Regeneration durch Items wieder aufgeladen wird. Und das ist es dann auch schon. Wie schon erwähnt ist Zugänglichkeit groß geschrieben. Darunter leidet aber die Komplexität. Der Skilltree bietet passive und aktive Fähigkeiten und ist aufgeteilt auf Ranger, Warrior und Wizard, bietet aber keine Überraschungen. Spezielle Godlike Fähigkeiten erhält man im Laufe der Story und die Companions kann man ebenso leveln, aber auch hier wird Standardkost geboten.

Hübsch, aber nicht umwerfend

Grafisch hat Obsidian man einen sehr bunten Ansatz und intensive Farben gewählt. Manch einem mag das nach Pillars of Eternity etwas zu extrem sein und vielleicht auch nicht realistisch genug. Wir fanden aber, dass das so schon passt. Einerseits muss nicht jedes Spiel super realistisch sein und andererseits hält sich der Anspruch an die Hardware damit auch mehr in Grenzen. Einzig den NPCs hätte mehr Leben gut getan, denn in der Stadt stehen die meisten Gestalten einfach nur herum. Das nagt etwas an der Atmosphäre.

Allgemein lädt die offene Welt nämlich zum Erkunden ein, weil überall etwas versteckt ist. Aber in Sachen Bevölkerung ist es eher dünn besiedelt und wenn die dann auch noch relativ regungslos herumstehen wie bestellt und nicht abgeholt ist das sehr schade. Auch ein Tag-/Nachtrhythmus ist nicht zu finden und man kann jedem Hausbesitzer die ganze Bude vor seinen Augen leerräumen. Nicht die feine englische Art und ebenfalls immersionsbrechend. Das Avowed hier Federn lassen muss, wäre wohl nicht nötig gewesen, wenn man bedenkt, dass ansonsten sehr solide gearbeitet wurde. Für einen Vollpreistitel mit 70€ zum Release bzw. 99€ für die Premium Version ist das aber durchaus gerechtfertigte Kritik. Gamepassbesitzer kommen allerdings ohne weitere Kosten an Avowed und wird solchen Punkten wohlwollender gegenüberstehen.

Fazit

Avowed ist ein Action RPG, dass sich wie The Outer Worlds im Fantasy Gewand spielt und das ist nichts Schlechtes. Die Zugänglichkeit durch das simple Attribut- und Skillsystem wird zwar durch reduzierte Komplexität erkauft, bringt aber grundsätzlich Spaß. Die Hauptstärke liegt definitiv in den Dialogen, der dazugehörigen Vertonung und dem hübschen und durchaus geschickten Leveldesign. Leider wird die Immersion durch statische Städte und die dünne Besiedelung etwas zerstört. Wer mit dem simplen Kampfsystem, dass sich etwas wie Skyrim anfühlt, zurecht kommt, wird mit einer gut geschriebenen Fantasystory und durchwegs guten Sprechern belohnt.

  • Voll vertonte NPC Gespräche mit guten Sprechern
  • Gut geschriebene Dialoge und Hintergrundinfos
  • Hübsche, offene Fantasywelt mit sehr gutem Dungeon-/Leveldesign
  • Sehr zugänglich, auch für Genrebeginner
  • Sehr simpel in der Charakterentwicklung/Hauptaugenmerk auf Itemqualitätsstufen
  • NPCs in den Städten wirken sehr statisch
  • Das Kampfsystem bietet zwar dynamische Action, aber wenig Tiefgang
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Written by: Steve Brieller

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