Review: Atomic Heart – Ambitionierter Edel-Shooter mit kleinen Makeln

Nach fast fünf Jahren seit dem atemberaubenden Ankündigungstrailer ist es nun soweit und Atomic Heart erscheint endlich. Der reine Singleplayer-Ego-Shooter, der euch in eine alternative sowjetische Geschichte versetzt und euch vor die Aufgabe stellt, es mit einer Armee von wütenden Androiden aufzunehmen, will dabei vieles und sieht auch noch fantastisch aus. Doch ob das reicht und uns die ca. 25-30-stündige Kampagne überzeugen konnte, lest ihr am besten in unserem Test.

Größenwahn trifft auf Grafikpracht

Die Geschichte spielt in einer alternativen Version des Jahres 1955, in der die Sowjetunion den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat und zu einem technologischen Kraftzentrum geworden ist. Nach der Entwicklung eines Wundermaterials namens Polymer wurde die UdSSR in ein kommunistisches Paradies voller intelligenter Roboter verwandelt, die in Harmonie mit den Menschen leben. Aber nach einem bösartigen Hack gerät alles aus den Fugen und die Maschinen verwandeln sich in mörderische Monster, die den Protagonisten, einen Geheimdienstagenten, der den Verantwortlichen finden soll, umbringen wollen. Während die ersten Trailer die Action in den Vordergrund gestellt haben, erhielt ich eine viel storylastigere Erfahrung, die mich wirklich in das kreative Alt-History-Universum eintauchen ließ.

Grafisch opulent geht es schon direkt am Anfang los.

Die erste Stunde ist besonders fesselnd, da sie mit einem beeindruckenden Ausmaß spielt. Man sieht riesige Statuen von Führern der UdSSR, beobachtet eine riesige Parade, die sich durch die Straßen bewegt, und kann die ganze Stadt aus der Vogelperspektive betrachten, dank eines fliegenden Autos. Alles an der künstlerischen Gestaltung ist triumphal, von den rot getränkten Straßen bis hin zu den verschiedenen Roboterdesigns.

Zwischensequenzen zeigen häufig auch den Hauptcharakter, bevor es wieder in die Ego-Sicht geht.

Das wird noch beeindruckender durch die Technik, die für ein Studio, das zum ersten Mal von einem AA-Publisher finanziert wird, eine erstaunliche Leistung ist. Wie bei A Plague Tale: Requiem übertrifft die hyperdetaillierte Grafik ihre Gewichtsklasse bei weitem. Es gibt zwar hier und da ein paar clevere Ladebildschirme, aber die fallen tatsächlich kaum auf. Wenn es noch eines Beweises bedarf, dass die Grenzen zwischen Big und Mid-Budget verschwimmen, ist Atomic Heart ein perfektes Beispiel dafür. Denn auch spätere Parts bleiben so prunkvoll wie der Anfang, wenn auch die eigentlich Story etwas in den Hintergrund rückt, da diese jetzt nicht sonderlich spannend ist, dem Setting aber durchaus angemessen umgesetzt wurde. Da gibt es Wendungen, die man zehn Meilen gegen den Wind riechen kann oder Charaktere, die wenig Raum bekommen, aber einen direkt mitreißen sollen. Spaß macht es dennoch und wenn man nur die nächste toll designte Umgebung sehen möchte.

Kleinere Rätsel bei Schlössern kommen recht häufig vor.

Ein Mix, der an Größen des Genres erinnert

Doch was ist Atomic Heart eigentlich? Grundlegend ist es ein semi Open-World-Shooter aus der Ego-Perspektive. Also wird hauptsächlich geschossen? Auch. Doch darüber hinaus habt ihr auch einiges an hilfreichen Nahkampwaffen, könnt über eine Art Mutation Blitze oder Eis verschießen und seid generell auch nicht mehr komplett menschlich. Denn eure linke Hand hat eine künstliche Intelligenz als Handschuh, welche ihr upgraden könnt und die sich sogar mit euch unterhält. Natürlich bleiben da die bereits im Vorfeld häufiger erwähnten Vorlagen wie BioShock, Fallout oder Dying Light nicht lange fern, denn daran erinnert der Titel auf jeden Fall. Er nimmt sich etwas aus jedem dieser Vorbilder und baut damit ein recht umfangreiches Konstrukt, in dem man viel Zeit verbringen kann, wenn man denn möchte.

Bei diesem Rätsel müssen per Wechsel der Kreise die richtigen Laser ausgerichtet werden.

Zunächst geht das Spiel jedoch sehr linear los und es dauert etwas, bis ihr frei erkunden könnt. Was man sich dabei direkt ins Hirn brennen muss, ist das ständige Aufsammeln von Loot und Materialien, die sich in jeder Schublade oder jedem Schrank verstecken können. Hilfreich dabei ist ein Scan, der nicht nur Items anzeigt, sondern auch Gegner und interessante Objekte. Dennoch nervte mich dies bereits von Beginn an. Denn die Räume können dabei noch so schön designt sein – wenn ich erstmals mit dem Sammel-Button alle Bereiche und besiegten Gegner abgehen muss, damit auch ja alles eingesammelt wird und dabei aber fast egal ist, was man sammelt, dann mindert das die Immersion schon arg.

In der Oberwelt ist ein fahrbarer Untersatz meist nicht weit entfernt.

Jede Waffe wird im Spiel gecrafted. Ihr startet lediglich mit einer Axt ausgerüstet, findet Blaupausen und könnt euch so mit Fernkampfwaffen oder stärkeren Knüppeln für den Nahkampf bewaffnen. All dies findet an großzügig verteilten Automaten statt, die meist in einer Art Safe-Room samt Speicherpunkt platziert sind. Hier kommt auch das Upgrade-System für euren sprechenden Droiden-Handschuh zum Einsatz, das wie eine Art Fähigkeitenbaum funktioniert. Darüber lernt ihr auch neue Skills wie Telekinese oder einen Froststrahl. Dies funktioniert allerdings nicht über aufsteigende Level, sondern ebenfalls eine sammelbare Währung, die ihr durch das Besiegen von Gegner erhaltet, wenn ihr deren Leichen danach denn auch säuberlich lootet. Aufgelockert wird das Gameplay dabei immer wieder durch sehr coole Rätseleinlagen, die innerhalb der Missionen sehr schön umgesetzt wurden. Mit dabei ein riesieges Kugelspiel, Schattenspiele, Rätsel in einem komplett magnetisiertem Raum oder Sprungpassagen, die überwunden werden müssen. Dazu dann noch verschiedene Arten Schlösser an Türen zu knacken oder Systeme zu aktivieren und man hat eine sehr abwechslungsreiche Art sich neben dem Gekämpfe die Zeit zu vertreiben.

Über Türme könnt ihr euch in Kameras hacken und so manchmal Türen öffnen.

Designtechnisch einfach über jeden Zweifel erhaben

Neben den Story-getriebenen, linearen Abschnitten bietet Atomic Heart zudem eine semi Open World, die man zu Fuß, mit herumstehenden 50er-Jahre Karren oder einer Monorail durchqueren kann. Eine Schnellreise gibt es dagegen übrigens nicht. Dabei kommt man wirklich häufiger ins Staunen, denn viele der Designs in der Welt sind wunderschön und opulent umgesetzt. Riesige Gebäude, eine prunkvolle Skybox oder die tollen Eingänge in die verschiedenen Untegrund-Bereiche, von denen einige komplett optional sind und euch hauptsächlich mit neuen Waffen und Material locken. Doch schaut man wieder nach vorne, so gibt es auch weniger Positives. Die offene Welt hat abseits der Optik nicht viel zu bieten. In einigen Gebieten wiederholen sich die gleichen Gebäude sehr schnell, jede Straße ist mit Gegner zugepflastert, was das Vorankommen ohne Auto wirklich mühsam machen kann. Entdeckt euch dann noch eine Kamera und löst Alarm aus, so habt ihr schnell eine riesige Horde an metallenen Verfolgern hinter euch.

Über Schocks lässt sich dieser Raum mit seinen Magneten komplett auf den Kopf stellen.
Man muss in jedem Fall Lust auf allerlei Sammelei haben.

Musikalisch kann Atomic Heart auch punkten und versetzt euch in Boss-Kämpfen mit Gitarrenklängen und antreibenden Sounds, ähnlich wie in Doom, in einen regelrechten Rausch, insofern ihr denn vorher genug Heilitems dabei habt. Denn das Inventar ist eine sehr merkwürdige Sache: Eure Waffen, Munition und jegliche Art von Items nehmen alle Platz weg und somit müsst ihr gut planen können. Überflüssige Items können per Knopfdruck in euer Lager gesendet werden und dann an den Upgrade-Stationen wieder abgeholt werden. Doch bei eben dieser Lagerverwaltung musste ich immer wieder das Menü verlassen, ins Inventar gehen und schauen was ich da überhaupt gesammelt habe. Denn angezeigt wird euch dies im Lager nicht. Ihr seht nur ein winziges Icon und sollt nun wissen, ob das rote Fläschen nun ein Medikit oder doch eine Brandgranate ist. Und das kann nerven, denn die vielen Konfrontationen mit mutierten Gegnern, Parasiten oder eben den Maschinen sind allesamt sehr knackig und selbst auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad sehr fordernd. Besonders später im Spiel sind die Dungeons im Untergrund nur so gefüllt mit allerhand Gegnern und Mini-Bossen, was leider etwas am Spielspaß zerrt.

Fazit

Atomic Heart ist optisch und designtechnisch ein Brett. Tolle, opulente Umgebungen, Gebäude und Ideen. Und auch das Gameplay hat durch viele Möglichkeiten des Kombinierens einiges zu bieten und kann sich von Seiten großen Vorbildern gut behaupten. Doch nerviges Sammeln, unfaire Schwärme an Gegnern und die nur solide Story können da am Gesamtbild kratzen.

Atomic Heart erscheint am 21. Februar 2023 für PlayStation 5, Xbox One, PlayStation 4, Xbox Series und PC.

Positiv:

+ großartige Designs toll in Szene gesetzt

+ technisch beeindruckend

+ Abwechslungsreiche Areale

+ toller Soundtrack

+ Bosse fordern und machen Spaß

+ 12 Waffen, die alle aufgewertet werden können

Negativ:

– konstantes notwendiges Sammeln durch Knopfdruck

– unfaire Stellen durch massig Gegner auf engen Raum

– manchmal schwer die Übersicht zu behalten

– Wegfindung teilweise schwierig

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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