Review: Assassin’s Creed Shadows – Samurai-Ehre trifft gekonnt auf Shinobi-Stealth

In vielerlei Hinsicht war Assassin’s Creed Shadows schon lange überfällig. Das feudale Japan ist eines der Traum-Settings, das sich sowohl Fans als auch Ubisoft-Entwickler schon seit Jahren für die Reihe gewünscht haben. Nun dient es endlich als Kulisse für den nächsten großen Eintrag in Ubisofts berühmter Serie. Doch der Weg dorthin war nicht einfach, das Spiel hat einige bemerkenswerte Verzögerungen durchlebt, um sicherzustellen, dass die Entwickler ihr ambitioniertes Ziel erreichen. Die Erwartungen an Ubisofts großes Assassin’s Creed-RPG-Comeback sind entsprechend hoch. Und wir sagen euch nun, ob sich das warten auch gelohnt hat.

Spagat aus Stealth und Open-World

Nach vielen Stunden mit Assassin’s Creed Shadows kann man sagen: Die Serie bleibt sich in puncto Action und Bewegung treu, bietet aber auch eine ausgefeiltere Weltgestaltung und zwei Hauptfiguren, die sich wunderbar ergänzen. Beim Schleichen durch Festungen, Bewundern der weitläufigen Landschaften und Ausführen spektakulärer Finishing-Moves wird schnell klar, dass Ubisoft Quebec ein beeindruckendes Gleichgewicht zwischen Action, Rollenspielelementen und offener Erkundung geschaffen hat und das in einem Setting, das längst überfällig war. Seit Assassin’s Creed Origins (2017) hat sich die Serie fest im Open-World-RPG-Genre verankert und bietet seither größere Spielwelten sowie narrative Entscheidungsfreiheit. Das brachte zwar Herausforderungen mit sich, aber Ubisoft hat mittlerweile eine gute Balance gefunden, um den Assassinen-Fantasy-Kern der Serie nicht aus den Augen zu verlieren. Mit Shadows scheint Ubisoft endlich auch das Rollenspiel-Element in einer Weise gemeistert zu haben, die sich nicht nachteilig auf die Geschichte auswirkt und dabei sogar noch genug Raum für beide Figuren gibt, dass diese sich immer besser verstehen.

Die Hauptfiguren Yasuke und Naoe stehen für zwei gegensätzliche Herangehensweisen an das Spiel. Yasuke, historisch inspiriert von einem afrikanischen Sklaven, der ein Samurai wurde, bringt rohe Kraft und Ehrgefühl mit. Er ist ein Krieger, der sich durch Gegnerhorden schneidet und die japanische Kultur mit staunender Weisheit betrachtet. Naoe hingegen, eine Shinobi, die das Erbe ihres Vaters antritt, setzt auf Heimlichkeit und Schnelligkeit. Beide Figuren spiegeln die Kernthemen des Spiels wider: Einheit und das Streben nach Zugehörigkeit in einer Welt im Wandel. Dabei konzentriert sich die Geschichte zunächst sehr auf die Perspektive von Naoe und es dauert tatsächlich einige Spielstunden, bis ihr zwischen den beiden wechseln könnt, doch Yasuke bringt direkt einiges an Mysterium und auch Spannung dazu, da er mehr über das Symbol der Assassinen zu wissen scheint, als man zunächst annehmen würde. Das Wechseln zwischen den Charakteren ist jederzeit in der offenen Welt möglich, ebenso wie in vielen Hauptmissionen. Neu ist der sogenannte „Canon-Modus“, der eine festgelegte Geschichte ohne größere narrative Entscheidungen erzählt, eine Reaktion auf Diskussionen, die es bei den Vorgängern Valhalla und Odyssey um deren „wahre“ Handlung gab. Auch der Animus ist in geringer Form zurück und bringt eine weitere Ebene der Mystik mit ins Spiel, da der sogenannte „Guide“ ebenfalls mehr zu wissen scheint und dessen Motivation nicht ganz klar ist. Ihr solltet zwar keine ausgefeilte Nebenhandlung wie noch zu Zeiten Desmonds erwarten, die übergeordnete Ebene ist hier aber definitv wieder viel besser integriert worden.

Wunderbar agiles und schön anzusehendes Gameplay

Einer der größten Kritikpunkte betrifft wohl die Fortbewegung von Yasuke. Während seine wuchtigen Kämpfe ein Highlight des Spiels sind und einfach klasse aussehen, fühlt er sich beim Traversal oft zu schwerfällig an. Klettern und elegante Parcours-Bewegungen? Fehlanzeige. Das wirkt sich sogar auf den ikonischen „Leap of Faith“ aus, den er nur an bestimmten Stellen ausführen kann. Hier spürt man deutlich, dass er für offene Konfrontationen konzipiert ist, während Heimlichkeit nicht seine Stärke ist. Daran kann man sich natürlich anpassen und geht mit ihm automatisch nicht den direkten Weg, sondern sucht im offenen Feld lieber den Weg durch das Haupttor, um da rennend durchzubrechen, als über die Dächer zu schleichen. Das macht dann bei Burgen oder in Städten auch auf andere Art und Weise Spaß, doch in der Open-World habe ich keinen wirklichen Grund gesehen, warum ich lieber mit Yasuke unterwegs sein sollte. Ganz anders Naoe: Sie bewegt sich mit spielerischer Leichtigkeit durch die Welt, nutzt einen Greifhaken und schaltet Gegner lautlos mit Rauchbomben oder Dolchen aus. Ihr Gameplay ist ein wahrer Genuss, wenn man sich lautlos durch die Dunkelheit bewegt und wie ein Schatten von Dach zu Dach springt. Die Unterschiede in der Spielweise sorgen für Abwechslung und lassen sich gut an die eigene Vorliebe anpassen, aber da sogar die bekannten Schnellreise-Punkte, welche auf der Karte als Adler gekennzeichnet sind und meist weit oben liegen, häufig nur von Naoe freigeschaltet werden können, fehlt hier ein wirkliches Argument für den stoischen Samurai.

Assassin’s Creed Shadows verbindet klassische Schleichmechaniken mit verbessertem Kampf. Yasuke steht für direkte Konfrontationen, bei denen Parieren und schwere Angriffe essenziell sind, um Rüstungen zu durchbrechen. Die Kämpfe erinnern dabei, wie ja leider vieles im Spiel, an Ghost of Tsushima, jedoch mit bekannten AC-Mechaniken wie mächtigen Würfen und dem ikonischen Tritt-Move. Stealth-Fans kommen mit Naoe auf ihre Kosten. Licht und Schatten spielen eine größere Rolle, und sogar Kerzen können gelöscht werden, um in der Dunkelheit zu verschwinden. Besonders beeindruckend: Das neue „Prone“-Feature erlaubt es, sich auf den Boden zu legen und lautlos durch hohes Gras zu schleichen. Diese Stealth-Verbesserungen erinnern an Ubisofts Splinter Cell und machen das Schleichspiel befriedigender als je zuvor. Generell ist dies der erste Teil der Reihe, der sich seit langem mal wieder wirklich frisch und überlegt anfühlt. Viele Animationen wurde überarbeitet, die Welt bietet zwar wieder viele Nebensächlichkeiten, aber diese wechseln sich immer wieder ab und erschlagen einen nicht direkt.

Lebendige Welt, die wirklich Japan atmet

Die Spielwelt, insbesondere die Harima-Provinz, beeindruckt mit ihrer dichten Atmosphäre. Sie ist groß, aber nicht überwältigend riesig wie in Valhalla. Besonders gelungen ist das Zusammenspiel mit den Jahreszeiten: Landschaften und Wetter verändern sich dynamisch und beeinflussen das Gameplay. Zudem verzichtet Shadows auf das Jagen von Tieren und setzt stattdessen auf eine liebevolle Alternative: Ihr könnt seltene Wildtiere beobachten und zeichnen. Eine kleine, aber charmante Ergänzung, die das Spielgefühl vertieft. Und dies begegnet euch dann auch nicht direkt fünf mal pro Region und insgesamt 80 mal oder ähnliches, sondern verteilt sich sehr angenehm über die Welt und bietet auch den anderen Aktivitäten, Nebenhandlungen oder Kopfgeld-Missionen Raum, damit es sich einfach nicht direkt wie Arbeit anfühlt. Ein weiteres Highlight ist die Siedlungsmechanik, die einen Schritt weiter geht als in Valhalla. Neben dem klassischen Rekrutieren von Verbündeten kann man hier sogar ein eigenes Dorf errichten – inklusive Gebäuden, Deko-Elementen und Haustieren wie Katzen und Tanuki. Die Möglichkeit, die eigene Siedlung zu gestalten, erinnert fast an Animal Crossing und verleiht dem Spiel eine überraschend entspannte Komponente. Immer wieder kehrt ihr hierhin zurück, könnt neuen Gesprächen lauschen, kleine Nebenmissionen absolvieren oder auch mehr über die Vergangenheit sowie Beziehung von und zwischen den beiden Protagonisten erfahren.

Ebenfalls eine neue Mechanik sind Scouts, die euch zur Verfügung stehen. Mit diesen könnt ihr das nächste Ziel auf eurer Weltkarte direkt herausfiltern, da euch sonst nur grobe Richtungsangaben zur Verfügung stehen oder in feindlichen Gebieten sogar Vorräte abholen lassen, welche euch wichtige Ressourcen liefern, um neue Gebäude zu errichten oder bereits vorhanden aufzustufen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch generell wieder viel zu looten, wobei auch hier eine schöne Option direkt integriert wurde. Ihr könnt nämlich sämtliche Ausrüstungsgegenstände jederzeit anpassen und optisch, abseits der Werte auswählen, um euch so euren idealen Look herzustellen. Eine sehr schöne Sache, die zeigt, dass Ubisoft hier wirklich viel überlegter an das Design herangegangen ist, als noch in vorigen Teilen. Aber trotz aller Verbesserungen leidet Shadows unter den üblichen Open-World-Krankheiten von Ubisoft-Spielen. Es gibt kleinere Bugs, gelegentliche KI-Aussetzer und Momente, in denen Kämpfe gegen größere Gegnergruppen frustrierend werden. Besonders problematisch ist, dass Gegner manchmal aus dem Nichts angreifen oder sich unkoordiniert verhalten. Auch wenn dies den Spielspaß nicht ruiniert, sind es bekannte Schwächen der Serie, die hier erneut auftreten. Dafür ist es optisch wieder eine Wucht, denn so eine beeindruckende Weitsicht bekommt man wirklich nicht alle Tage und auch die Charaktermodelle sehen ordentlich aus. Was hier noch sehr positiv aufgefallen ist, sind die sehr guten Synchronstimmen, die natürlich original in Japanisch gewählt werden können, aber auch im Englischen alle mit einem authentischen Akzent vertont wurden. Denn wer es authenthisch will, bekommt mit dem immersiven Modus die kompletten Original-Stimmen, wobei auch portugisich viel vertreten ist. Und apropos Einstellungen, die Möglichkeiten euch mit den Accessibility-Optionen euer eigenes Abenteuer zurechtzuschmieden sind wieder enorm und eine wirklich tolle Sache.

Fazit

Assassin’s Creed Shadows ist der seit langem wieder beste Teil der Reihe und bringt viele frische Ideen mit. Das Setting ist atemberaubend, die Abwechslung in den Missionen gelungen und das Gameplay fühlt sich sehr durchdacht an. Besonders das Zusammenspiel zwischen Yasuke und Naoe sorgt für eine interessante Dynamik. Während Yasuke im Kampf brilliert, bietet Naoe das wohl beste Parcours-Gameplay, das die Serie je hatte. Traversal mit Yasuke, die eigentliche Story und die und typische Open-World-Probleme trüben das Ganze zwar etwas, aber besser war die Reihe schon lange nicht mehr.

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Written by: Nick Erlenhof

Hitoshura, Sith & FOXHOUND-Spectre

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